Die Schattenseiten der Weihnachtswerbung: Warum wir Kinder schützen müssen

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Dr. Ljupka Naumovska, Rennes School of Business

Einer der Hauptgründe, warum Weihnachten eine Zeit zum Schenken ist, hängt mit dem Bild von Jesuskind zusammen, das von den Heiligen Drei Königen Weihrauch, Gold und Myrrhe geschenkt bekommen hat. Aber in einer Gesellschaft, in der das Konsumverhalten die Oberhand gewonnen hat, scheint das religiöse Element kaum noch in Erinnerung zu sein. 

Geschenke für Kinder sind einer der Hauptschwerpunkte in der Weihnachtszeit, und diese sind seit langem die Hauptzielgruppe der Werbetreibenden. Die zunehmende Digitalisierung im Alltag selbst bei den Jüngsten hat für viele Unternehmen das Blatt gewendet. Die Weihnachtszeit und die soziale Kultur, die sie umgibt, schaffen das ideale Umfeld für Werbetreibende, um Kinder anzusprechen. 

Mit Snapchat, YouTube, TikTok, Instagram und natürlich Videospielen verbringen Kinder heute doppelt so viel Zeit online wie noch vor einem Jahrzehnt. Das sind durchschnittlich etwa zwei Stunden pro Tag an Wochentagen und drei Stunden am Wochenende. Und während der jüngsten Lockdowns sind diese Zahlen noch weiter gestiegen. Mehr als die Hälfte der Kinder hat ein Profil in einem sozialen Netzwerk, und die Online-Werber geben Millionen aus, um jede Gelegenheit zu nutzen, diese Jugendlichen anzusprechen.  

In den letzten zehn Jahren ist die auf Kinder ausgerichtete digitale Werbung um unglaubliche 1.000 Prozent gestiegen, während die Ausgaben für traditionelle Medien wie Fernsehen, Radio und Presse unverändert geblieben sind. Viele Unternehmen halten dies für eine gute Investition, da die Konsumgewohnheiten bereits in der Kindheit geprägt werden. Untersuchungen zeigen auch eine unmittelbare und signifikante Auswirkung auf den Familienkauf, wo der Einfluss der Kinder auf den Kaufentscheidungsprozess ebenfalls deutlich zunimmt.

Das Ausmaß des Problems

Laut dem Bericht „EU Kids Online 2020“  der London School of Economics, in dem die Nutzung digitaler Medien durch Kinder in 19 europäischen Ländern untersucht wurde, unterscheiden sich die digitale Nutzung und die Kenntnisse der Kinder von Land zu Land stark. 84 % der italienischen Kinder im Alter von 9 bis 17 Jahren gehen täglich ins Internet, vor allem über ihr Smartphone. Obwohl das Internet ein fester Bestandteil des täglichen Lebens der Kinder ist, bestehen weiterhin Unterschiede bei den Online-Aktivitäten und, was noch wichtiger ist, bei den Online-Kenntnissen. Angesichts der Tatsache, dass Fehlinformationen zu den größten Sorgen auf der öffentlichen Tagesordnung gehören, fällt auf, dass es Berichten zufolge nur 42 % der italienischen Kinder leicht finden, zu überprüfen, ob die Informationen, die sie online finden, der Wahrheit entsprechen. Italienische Eltern bevorzugen den Dialog gegenüber Einschränkungen, wenn es um die digitale Nutzung geht. 

In Deutschland ist YouTube die beliebteste Internetseite bei Kindern. Im Jahr 2020 gaben 38 Prozent der im Rahmen der KIM-Studie befragten internetnutzenden Kinder die Videoplattform als ihre Lieblingsseite an. Die Suchmaschine Google folgt mit rund elf Prozent der Nennungen, während gut ein Zehntel der Befragten angibt, die Seite TOGGO am liebsten zu nutzen. Die Nutzungshäufigkeit stieg mit zunehmendem Alter stark an. Während nur 32 Prozent der befragten 6- bis 7-Jährigen in Deutschland angaben, mindestens einmal pro Woche Musikvideos anzuschauen, waren es bei den befragten 12- bis 13-Jährigen mehr als zwei Drittel. Mit zunehmendem Alter der befragten Kinder steigt auch die Nutzungsdauer des Internets: Während die Erziehungsberechtigten der befragten 6- bis 7-Jährigen angaben, dass ihre Kinder nur etwa 14 Minuten pro Tag im Internet verbrachten, lag diese Dauer bei den 12- bis 13-Jährigen bei etwa 84 Minuten – länger als die TV-Nutzung. Rund sieben Prozent der Kinder sind bereits auf Dinge gestoßen, die nicht für ihr Alter geeignet sind.

Laut dem Ofcom-Bericht 2019 wissen im Vereinigten Königreich weniger als die Hälfte der Eltern, deren Kinder ein Smartphone oder Tablet benutzen, wie sie die Kindersicherungseinstellungen verwenden können. Eine überwältigende Anzahl britischer Eltern gewährt ihren Kindern bereits in der Grundschule uneingeschränkten Zugang zu digitalen Geräten. Die Hälfte der 10-Jährigen besitzt ein eigenes Smartphone, und viele von ihnen nutzen Social-Media-Plattformen. 

YouTube ist bei Kindern im Vereinigten Königreich nach wie vor sehr beliebt. Neben hochkarätigen oder „prominenten“ Influencern erfreuen sich auch leicht zugängliche Vlogger mit einem gemeinsamen Interesse zunehmender Beliebtheit. Die Mehrheit der Kinder versteht jedoch immer noch nicht, wie Suchmaschinen funktionieren, oder ist nicht in der Lage, Werbung auf diesen Websites zu erkennen.   

Anfällige Zielgruppe

Engagement, Gamification und Content sind die wichtigsten Waffen, um Kinder anzusprechen. Unternehmen entwickeln Spiele in sozialen Netzwerken eher, um Kinder in eine Beziehung zu ihren Marken zu bringen, als um sie zu unterhalten, so dass die Grenze zwischen Unterhaltung und Werbung zunehmend verschwimmt. Influencer mit einer großen Fangemeinde von Kindern werden dafür bezahlt, für Produkte zu werben, ohne dass die Kinder das unbedingt merken. Ein besonders besorgniserregender Trend ist die wachsende Nachfrage nach hypersexualisiertem Make-up und Kleidung bei vorpubertären Mädchen, die ihren oft ein paar Jahre älteren Idolen nacheifern wollen.

Das zentrale Problem im unkontrollierten Medienraum sind die Inhalte, denen Kinder direkt und indirekt ausgesetzt sind, was besonders für Kinder unter 9 Jahren besorgniserregend ist. Studien zeigen, dass Kinder unter 9-10 Jahren nicht über die kognitiven Fähigkeiten verfügen, Programminhalte von kommerziellen Inhalten zu unterscheiden, selbst wenn Trennvorrichtungen eingesetzt werden. Mit anderen Worten: Kreative, interaktive und werbliche Inhalte werden von Kindern unter 9 Jahren als ein und dasselbe angesehen, da sie keinen Unterschied zwischen ihnen erkennen können. Ihre naive Glaubwürdigkeit und ihre Reaktion auf diese Botschaften können letztlich negative Folgen haben, darunter obsessiven Materialismus und Probleme mit Selbstvertrauen und Angstzuständen. Es kommt auch zu Konflikten in der Familie, da sich die Eltern zu Käufen gezwungen fühlen, die sie nicht wollen. Der Druck der Werbung hat auch zur aktuellen Epidemie der Fettleibigkeit bei Kindern beigetragen. So ergab eine kanadische Studie, dass 90 % der Lebensmittel, für die auf den 10 wichtigsten kanadischen Websites geworben wurde, ungesund waren. 

Kinder aus unterprivilegierten Familien stärker gefährdet

Unsere Untersuchungen zeigen, dass Kinder aus Arbeiterfamilien, deren Eltern es sich nicht leisten können, Aktivitäten wie Sport, Ausflüge, bezahlte Freizeitaktivitäten usw. anzubieten, einem überdurchschnittlich hohen Werbedruck ausgesetzt sind. Auch Einzelkinder sind stärker von Online-Werbung betroffen als Kinder, die Geschwister haben, mit denen sie spielen können. Die Forschung legt auch nahe, dass Kinder, die von ihren Eltern als Belohnung für gutes Verhalten Zugang zu Bildschirmen erhalten, besonders anfällig sind.

Daraus ergibt sich die Frage: Sollten wir die Manipulation von Kindern durch die Werbung in einer Zeit hinnehmen, in der die Risiken des übermäßigen Konsums zunehmend erkannt werden? Sollten wir ein Phänomen tolerieren, das Spannungen zwischen Eltern und Kindern, insbesondere in hilfsbedürftigen Familien, erzeugt?

Lösungen

Weltweit gibt es zahlreiche Initiativen und Kampagnen, die darauf abzielen, die Werbeindustrie zu kontrollieren. So ist beispielsweise in Großbritannien, Griechenland, Belgien und Dänemark die Werbung für Kinder eingeschränkt, während in Norwegen, Schweden und Quebec die Werbung für Kinder unter 12 Jahren verboten ist. In Kanada gibt es eine Hotline, bei der unerlaubte Werbung für Kinder gemeldet werden kann, während Griechenland Werbung für Spielzeug verboten hat und in Irland Kindersendungen werbefrei sein müssen. Doch trotz staatlicher Eingriffe bleibt die Frage der fairen und verantwortungsvollen Werbung für Kinder der Selbstregulierung der Industrie überlassen. 

Was kann denn getan werden, um Kinder zu schützen? Erstens müssen Eltern ihre digitale Kompetenz verbessern, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Kontrolle der Inhalte zu finden, auf die ihre Kinder zugreifen, und der digitalen Unabhängigkeit, die sie in einer sich schnell verändernden Welt benötigen. Zweitens müssen die Kinder schon früh lernen, zwischen Inhalten und Werbung zu unterscheiden und vor allem zu verstehen, wie die Werbeindustrie funktioniert. Drittens muss die Branche sowohl von den Medien als auch von der Regierung besser reguliert werden. Und schließlich sind internationale Standards zur Begrenzung der Auswirkungen von Werbung auf Kinder dringend erforderlich.  

Medienkontakt:
 
Ida Junker

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