Hugo Stehkämper & Carl Dietmar: Köln im Hochmittelalter

Bild von B. Hochsprung auf Pixabay

Hugo Stehkämper/Carl Dietmar: Köln im Hochmittelalter 1074/75-1288, Greven Verlag, Köln 2016, ISBN 978-3-7743-044-7, 60 EURO (D)

Dies ist der dritte Band der Reihe Geschichte der Stadt Köln, die sich mit der Stadtgeschichte zwischen 1074/75 und 1288 auseinandersetzt. 1074 revoltierten die Kölner Bürger zum ersten Mal gegen ihren bischöflichen Stadtherrn, das Ende bildet die Schlacht von Worringen, in der Köln seine bürgerlichen Freiheiten weitgehend erreichte. Bis zu seinem Tod schrieb Hugo Stehkämper an diesem Band, auf der Grundlage des Manuskriptes Stehkämpers und eigenen Schwerpunkten vollendete Carl Dietmar den Band. 

Zu Beginn des Hochmittelalters in Köln war der Bischof der unumschränkte Herrscher der Stadt. Der dann folgende wirtschaftliche Aufschwung der Stadt Köln löste letztlich eine Entwicklung aus, die vor allem der Vorstellung von politischer Mitbestimmung und partiell auch von persönlicher Freiheit zum Durchbruch verhalf. Diese Zeit der Auseinandersetzungen bildet den Kern dieses Buches. 

Im Jahre 1074 ließ Erzbischof Anno II. ein Kaufmannschiff beschlagnahmen, daraufhin kam es zu einem Aufstand eines Teils der Kölner Bürger, Der Erzbischof konnte sich vor der Bevölkerung in Sicherheit bringen und aus der Stadt fliehen. Mit der Hilfe von bewaffneten Truppen kehrte er zurück, brachte die Stadt wieder in seine Gewalt und bestrafte die Anführer des Aufstandes. Im Verlauf der Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Heinrich IV. und seinem Sohn Heinrich V. hielt die Stadt zum Kaiser. Es wurden neue Befestigungen errichtet, dies war gleichzeitig die zweite Stadterweiterung. 1150 wurde Köln von einem großen Brand und der Pest heimgesucht. Durch die Übernahme der Gebeine der Heiligen Drei Könige der Legende nach im Jahre 1164 und den umfangreichen Reliquienschatz wurde Köln neben Rom und Santiago di Compostela einer der wichtigsten Wallfahrtsorte des christlichen Europas und lockte in großer Anzahl Pilger nach Köln. 

Nach längeren Auseinandersetzungen mit Erzbischof Philipp I. von Heinsberg kam es zum Bau der großen Stadtmauer, was die Fläche der Stadt fast verdoppelte. Erzbischof Konrad von Hochstaden legte am 15. August 1248 den Grundstein für den Neubau des Kölner Doms. Die Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Erzbischof flackerten immer wieder auf, der Kirchenlehrer Albertus Magnus war in seiner Kölner Zeit darin involviert. Im Kleinen Schied vom 17. April 1252 und im Großen Schied vom 28. Juni 1258 war er Gutachter beim Streit zwischen Stadt und Bischof. Mit dem Großen Schied wurde die oberste Gerichtsgewalt und die oberste Macht dem Erzbischof zugesprochen. Gleichzeitig bestätigte der Spruch aber auch das Selbstverwaltungsrecht der Kommune. Die Folge war, dass Konrad von Hochstaden die angestrebte Landeshoheit über Köln nicht durchsetzen konnte und sich mit der Oberaufsicht begnügen musste. 

Die Stadt versuchte ihren wirtschaftlichen Einfluss mit mehr politischen zu verbinden. Durch den Beitritt des kurze Zeit existierenden Rheinischen Städtebundes versprach sie sich besser Regelungen für Konflikte und die Abschaffung der Rheinzölle für besseren Handel. Außerdem gab der Bund eine Art politische Stabilität in Zeiten des Interregnums. 

Ein Meilenstein für die Kölner Wirtschaft und das damit verbundene wachsende Selbstbewusstsein ihrer Bürger war die Verleihung des Stapelrechts durch Erzbischof Konrad von Hochstaden 1259. Laut Stapelrecht mussten alle an- und durchreisenden Kaufleute ihre Waren in Köln zum Verkauf anbieten. Wenige Jahre später spitzte sich der Konflikt zwischen Bürgern und Erzbischof Engelbert II. von Falkenburg wieder zu. 1268 zum Kampf an der Ulrepforte, was schon ein Vorbote für den Paradigmenwechsel zwanzig Jahre später war. Bei dem Konflikt zwischen Siegfried von Westerburg, Erzbischof von Köln und Herzog Johann I. von Brabant schlug sich die Stadt Köln auf die Seite des Herzogs. Die Kölner Bürger erkämpften dann letztlich in der Schlacht von Worringen 1288 ihre Freiheit von der erzbischöflichen Stadtherrschaft. 

Weiterhin geht es um die Gliederung und den Aufbau des hochmittelalterlichen Stadtgebietes, wo einzelne Bezirke näher vorgestellt werden. Migration und der Aufbau der städtischen Gesellschaft mit ihrem Ansehen innerhalb des Sozialgefüges bilden auch einen Schwerpunkt. 

Es wird auch auf den Beginn der Verfolgungen von Juden am Mittelrhein im Zuge des Ersten Kreuzzuges eingegangen. In Köln unternahm der erzbischöfliche Schutzherr wenig zu ihrem Schutz, einige Kölner Bürger beherbergten und schützten Juden dagegen mehrere Tage lang. Dennoch konnte nicht verhindert werden, dass Gegenstände und heilige Orte entehrt und zerstört wurden. 

In der hinteren Umschlagseite findet man noch einen großen Stadtplan von Köln im Hochmittelalter. 

Die wichtigsten Thesen des Buches sind folgende: 

Das Hochmittelalter wird als die wichtigste Phase der Verfassungsentwicklung und als erster Höhepunkt der Stadtentwicklung bezeichnet. „Aus einer dem geistlichen Stadtherrn untertänigen ‚Bischofsstadt‘ entwickelte sich eine Metropole vom europäischen Rang, eine Stadt, deren wirtschaftliche Ausnahmestellung mit ihrer Bedeutung als religiös-kulturelles Zentrum korrespondieren sollte (…).“ (S. 6) 

Die Schlacht von Worringen bildete einen entscheidenden Einschnitt in der Stadtgeschichte: „Die Erzbischöfe von Köln, die für Macht, Glanz und Größe im Reich und über dem Hochadel alle Kraft seit vielen Jahrhunderten geopfert hatten, wurden nun rheinische Landesherren neben vielen anderen mit weniger klingenden Titeln, aber gleichen Gewichts.“ (S. 441) Doch auch nach 1288 dauerte es noch länger, bis dass die erkämpfte Stellung reichsrechtlich verbrieft wurde. Erst die Reichsstadtprivilegien, die Kaiser Friedrich III. im Jahre 1475 ausstellen ließ, bildete den äußerlichen Höhepunkt einer verfassungsrechtlichen Entwicklung. Dennoch gaben die Erzbischöfe ihren Anspruch auf die Stadtherrschaft niemals auf. 

In diesem Band geht es um mehr als historische Entwicklung der Stadt. Ein Schwerpunkt wird auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens bis zu Rat und Bürgerschaft im Zeichen des Konflikts zwischen Erzbischof und Bürgeremanzipation gelegt. Leitlinien der Stadtentwicklung, Köln als große Handelsmetropole und religiöses Zentrum stehen ebenso im Mittelpunkt, dazu gibt es immer kleinere Exkurse zum Beispiel über die Stellung der Juden und deren Verfolgung, wobei dort ein Einblick in den christlichen Antijudaismus wünschenswert gewesen wäre. Der Neubau des Doms als Mittelpunkt einer Stadt mit hegemonialem religiösem-kulturellem Anstrich müsste allerdings viel ausführlicher geschildert werden. 

Insgesamt gesehen ist es ein Grundlagenwerk für die Stadtgeschichte Kölns mit viel Detailwissen, einem strukturierten Aufbau 121 farbigen Abbildungen von historischen Karten und Dokumenten.

Über Michael Lausberg 572 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.