1.) Karsten de Riese zeigt seinem Fotoband im Münchner Volkstheater vor
Den Theatersaal brauchte Intendant Christian Stückl für Probenarbeiten an seinem Haus, dem Münchner Volkstheater in der Brienner Straße – und das zur Buchpräsentation von Karsten de Rieses Fotoband „Von Vätern und Söhnen“ ins Foyer gesetzte Publikum wurde vorgewarnt: „Achtung, gleich kann`s einen fürchterlichen Krach geben!“ Den gab es nicht, im Gegenteil: Sowohl im Probenraum nebenan als auch im dicht besetzten Foyer herrschte gelöstes Einvernehmen.
Achim Bogdan, bekannter und (vor allem in den BR 2-Mittagsgesprächen) geschätzter Rundfunk-Moderator, verstand es, den 70-jährigen Fotografen mit drei seiner für das großartige Buch ausgewählten „Väter“ zusammenzuspannen, die auch mal „Söhne“ waren und über ihre – durchaus jeweils anders gelagerten – „Rollen“-Erfahrungen plauderten: Buchautor Jan Weiler („Maria, ihm schmeckt`s nicht!“), Ex-Chefredakteur Hans Werner Kilz und Geseko von Lüpke. Der als Journalist und Ethnologe arbeitende deutsche Adelige hatte einen Vater, welcher Schüler eines Nazi-Elite-Internats war, als Kommodore der Bundeswehr Starfighter flog und in dem Diktator Adolf Hitler den Über-Vater sah.
Man geht fehl in der Annahme, Karsten de Riese sei es in seinem Fotoband mit insgesamt 36 Porträts von meist im Freien abgebildeten „Vätern und Söhnen“ um Prominenz gegangen. Diese war, wie Karsten de Riese erklärte, „nie sein Thema“. Sein Interesse galt vielmehr den Beziehungen undden sowieso unvermeidlich auftretenden Konflikten – von zwei Generationen auf unterschiedlichen Ebenen und gesellschaftlichen Niveaus. Bekannte Väter von (inzwischen auch mehr oder weniger bekannten) Söhnen wie etwa Willy Brandt, Max Mannheimer, Gert Heidenreich oder Holger Börner holte Karsten de Riese ebenso vor die Kamera wie Männer mit männlichem Nachwuchs von der Sorte „du und ich“.
Es gab für den Autor kein Posieren von der Art, dass die „Modelle“ fragten: „Sagen Sie, was wir machen sollen!“ Dem in München geborenen Karsten de Riese ging es um Geschichten. Er fand sie in Gesprächen, die er seinen Fotos – manche ähneln Gemälden, viele sind von exquisiter Strahlkraft – beigab. Voraussetzung hierfür war für den fotografierenden Interviewer das von seinen „Opfern“ erst einmal zu gewinnende Vertrauen.
Anstoß zu dem ungewöhnlichen, wunderbar präzis in Schwarzweiß gehaltenen, von Rainer Stephan klug eingeleiteten Foto-Text-Band gab eine Session des Autors mit dem Philosophen Carl Jaspers in Basel. Des blutjungen Karsten de Rieses Jaspers-Fotoporträt kam auf einen „Spiegel“-Titel.Der damals, 1966, in Ulm studierende, im Auftrag des Piper-Verlags arbeitende junge Fotograf hatte das Vertrauen seines streng blickenden Modells aufgrund eines persönlichen Gesprächs über die ostfriesische Herkunft beider Väter gewonnen.
Dass es in dem rund 100 großformatige Abbildungen umfassenden Werk (180 Seiten, 39,95 Euro, München: Verlag Knesebeck 2013) nur 36 Väter mit Söhnen gibt, kommentierte der Autor schlicht: „Es hätten gut und gern 360 werden können“.
2.) Die Geschwister Well feiern ein Jubiläum in den Kammerspielen
Gerhard Polt gratulierte höchst selbst. Als Heiliger Nikolaus, der der Well-Mutter die Leviten las. Nach zweieinhalb Spiel- und Superspaß-Stunden,unterfasste er die 92-jährige, Stofferl und Moni Well halfen dazu – und der Applaus prasselte auf alle Künstler nieder wie ein starker Jubel-Regen. Wie konnte da das Sextett – drei „Wellküren“ und drei ältliche, aber fit gebliebene Well-Buben – einfach aufhören?! Drei Zugaben hat sich das „schönste, liebste, teuerste, pfundigste, bestgekleidete“ Publikum, wie der kaum zu stoppende Stofferl scherzte, „derklatscht“. Derweil wär nach dem feierlichen „Fein sein, beinander bleib`n“, was der Performance den Titel gab, Schluss gewesen.
Was allerdings keiner im Publikum glaubte. So was, das spürte jeder, kommt so schnell nicht wieder – nach 50 Vorstellungen seit der Uraufführung am 5. Februar 2012 wünscht man den versiert auf die aktuellen (landtagspolitischen, kirchenerschütternden, milchbauernfreundlichen) Ereignisse eingehenden Kabarettisten mindestens noch einmal so viele Auftritte, die so zünftigen Zauber und Zündstoff versprühen. Dank kaum fassbarer instrumentaler und vokaler Virtuosität, womit die Well-Kinder gesegnet sind, bringen sie ein Zugstück nach dem anderen – ob den gewaltig anschwellenden Bolero von Ravel, das wehleidige „Innsbruck, ich muss dich lassen“-Motettchen und eine infantile Reimwörterkette mit allem Schmarrn und Schmäh des herrlich naiv improvisierten Blabla – und unterhalten das müde Hirn der Youngsters wie das zu vertrocknen drohende der Altenheimbewohner, wenn nicht, wie Karli Well insistierte, aus Berg am Laim, dann vom Dachauer Land oder aus Haidhausen.
Ein Bravissimo für die – wegen einer Schürhakl-Story aus der Kinderzeit, die jedes der Geschwister anders, alle aber blutrünstig und irgendwie halbkriminell erzählen – in heftigen Streit geratenen erwachsenen, aber Kind gebliebenen Madln und Rest-Biermösler aus Günzlhofen! Sie zeigen, wie`s geht: Auf Regen folgt Sonne. Auf Zank – der Andachtsjodler. Franz Wittenbrink hat die Szenenfolge locker, dabei dramaturgisch wunderkerzenmäßig sprühend inszeniert. Einspringer Michael Tregor spickte zwar etwas im Texthefterl, berlinerte aber als geächteter Moni-Gspusi ebenso gekonnt wie er den scheinheiligen polnischen Gesandten des Abts von Tschenstochau (Projekt: Weihwasser-Pipeline von Polen nach Altötting) gab, um den unorthodox-kritischen Stil dieser musikalisch-parodistisch mit lautem Knall platzenden Wundertüte zu unterstreichen.
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