Bereicherung der Bildungslandschaft – Ostdeutsche Gymnasien mit katholischem Profil erfreuen sich wachsender Beliebtheit

Pfarrer Gerd Frey, Foto: Benedikt Vallendar

Privatschulen erfreuen sich wachsender Beliebtheit – allen voran ostdeutsche Gymnasien mit katholischem Profil.

In den USA, England und Spanien gehören sie seit langem zur Bildungslandschaft. Und erst vor zwanzig Jahren begann auch in Deutschland der Trend, seine Kinder auf eine private Schule zu schicken. Oft zum Unwillen linker Bildungsapologetiker, für die Schulbildung eine originär staatliche Aufgabe ist, auch wenn das Grundgesetz freie Schulen ausdrücklich erlaubt. Was auffällt: Vor allem katholische Schulen haben vom Trend zu mehr Privatschulen profitiert, was in den achtziger Jahren kaum wer für möglich gehalten hätte. Damals besuchten in Westdeutschland ein bis zwei Prozent eines Schülerjahrgangs Privatschulen. Heute sind es allein in Sachsen 13 Prozent aller Schüler, wobei auch die katholischen Bildungsangebote gut vertreten sind. „In Deutschland gab es im vergangenen Jahr 5.811 allgemein- und berufsbildende Schulen in freier Trägerschaft, an denen 115.000 Lehrer unterrichten“, sagt Klaus Vogt, Präsident des Verbandes deutscher Privatschulverbände (VDP). Wegen des chronischen Lehrermangels wurden die Gehälter zumindest bei voll ausgebildeten Lehrkräften vielerorts angepasst.  Hinzu kommen überschaubare Lerngruppen, Schüler aus meist bildungsnahen Elternhäusern und eine gute, technische Ausstattung, was viele Lehrkräfte trotz fehlender Verbeamtung nicht missen möchten.

Internationalität und gesundes Essen

Parallel zu den Privatschulen gedieh in Deutschland der politische oftmals gewollte Traum von einer „Schule für alle“. Ob Gesamt- oder Gemeinschaftsschule – immer mehr trat sie seit der Jahrtausendwende an die Stelle von Haupt- und Realschulen, die noch bis in die frühen neunziger Jahre das differenzierte, deutsche Schulwesen bestimmt haben. Allein das Gymnasium konnte sich, auch dank seiner Lobbyarbeit, dem Gleichheitsstreben der Politik entgegenstemmen und sein eigenständiges Profil bewahren. Heute steht das Gymnasium in Konkurrenz zu den Privatschulen, die sich ihrerseits immer mehr um Profilbildung bemühen. Manche Schulen werben mit gesundem Mensaessen, andere mit Auslandsprogrammen und modernen Panels statt Kreidetafeln. WLAN und Whiteboard gehören bei Privatschulen heute fast schon zum Standard. Hinzu kommen kleine Klassen und eine meist angenehme Unterrichtsatmosphäre, was diese Schulen auch als Arbeitsplatz attraktiv macht.

Was auffällt: Während in Deutschland die Kirchenaustritte jährlich sechsstellige Zahlen erreichen, erfreuen sich Gymnasien in katholischer Trägerschaft vielerorts großer Beliebtheit – vor allem in den neuen Bundesländern, wo es seit Jahren mehr Bewerber als Plätze gibt, wie es aus den Presseabteilungen ostdeutscher Bistümer heißt.  Zu ihnen gehört das renommierte Sankt Benno Gymnasium in Dresden ebenso wie das katholische Peter Breuer Gymnasium in Zwickau. Selbst muslimische Familien, etwa in Köln Mühlheim, schicken ihre Kinder gerne auf katholische Schulen, da sie deren „Werte“ gutheißen, so eine Mutter gegenüber dieser Zeitung. Auch das Berliner Canisius-Kolleg der Jesuiten hat nach eigenen Angaben „keine Nachwuchssorgen“, aller Berichterstattung über früheren, sexuellen Missbrauch an Schutzbefohlenen zum Trotz.  Bis weit in die gesellschaftliche Mitte, auch bei jenen, die mit Religion nichts „am Hut“ haben, gilt ein bei den Jesuiten abgelegtes Abitur bis heute als Aushängeschild, mit dem sich auf Cocktailpartys kocketieren lässt. 

Religion als Bildungskatalysator?

Was erstaunlich ist: Nur knapp drei Prozent der Bevölkerung in den neuen Bundesländern ist heute noch katholisch, indes die Bildungseinrichtungen der Kirche dort beliebter sind denn je; und sie bewusst ihr katholisches Profil herausstellen, was allein ein Blick auf die Internetseiten belegt. Zum Programm katholischer Privatgymnasien gehören Schulgottesdienste, Exkursionen nach Rom und Besinnungswochenenden, an denen auch Schüler teilnehmen, die nicht getauft sind, heißt es aus der Leitungsebene des Dresdner Sankt Benno Gymnasiums. Viele katholische Schulen verfügen über gut ausgestattete Bibliotheken und Leseräume, was angesichts zunehmender Digitalisierung von Schülern und Eltern als „Bereicherung“ empfunden wird, so etwa am Gymnasium Calvarienberg im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr-Ahrweiler, das sich noch bis vor wenigen Jahren in Trägerschaft des Ursulinenordens befand. „Das Wort Gottes ist offenbar stärker als die Amtskirche“, kommentiert der evangelische Pastor Gerd Frey aus Gaußig in der Oberlausitz das Missverhältnis zwischen Kirchenmitgliedern und der Beliebtheit christlicher Schulen. Frey, ein Opfer der früheren DDR-Staatssicherheit, hat nach der Wiedervereinigung zwei berufliche Gymnasien und eine Oberschule in der Nähe von Hoyerswerda gegründet; Schulen, die wegen ihrer Vernetzung mit sozialen und kirchlichen Einrichtungen heute zu den besten der Region zählen. Hinzu kommt die idyllische Lage in satter Natur, nahe der tschechischen Grenze, wo das humboldtsche Bildungsideal vom „Lernen in Freiheit und Einsamkeit“ Wirklichkeit ist.  „Schön ist, dass unsere Lehrer per E-Mail immer erreichbar waren“, erinnert sich eine ehemalige Schülerin, die vor einem Jahr in Gaußig ihr Abitur bestanden hat und heute im sächsischen Mittweida soziale Arbeit studiert.

Entspanntes Unterrichten

Ein Wehrmutstropfen: Besucht ein Kind eine Privatschule, kostet das Schulgeld. Darin enthalten sind Betreuungs- und Nachmittagsangebote außerhalb des Unterrichts, für die allerdings auch bei öffentlichen Schulen Beiträge anfallen würden. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, betrug das Schulgeld an Privatschulen 2020 durchschnittlich 2.200 Euro, für einen Großteil weniger als 1.700 Euro pro Jahr, was knapp dem Kindergeld entspricht.

Und entgegen vieler Vorurteile ist die Schülerschaft an Privatschulen gesellschaftlich durchmischt. „Unsere Schulen werden von Kindern aus allen Einkommensschichten besucht“, betont VDP-Präsident Vogt. Allerdings legen Privatschulen weit stärker als ihre staatliche Konkurrenz Wert auf Fleiß, Interesse am Lernen und gute Umgangsformen, und sie können schlimmstenfalls auch Schulverträge wieder kündigen, was aber nur selten vorkommt, wie Insider sagen. „Man unterrichtet dort entspannter“, heißt es einhellig aus den Kollegien privater Schulen. Und auch, dass der Wille, etwas aus seinem Leben zu „machen“, bei den Schülern dort sehr hoch ausgeprägt sei.

Über Benedikt Vallendar 83 Artikel
Dr. Benedikt Vallendar wurde 1969 im Rheinland geboren. Er studierte in Bonn, Madrid und an der FU Berlin, wo er 2004 im Fach Geschichte promovierte. Vallendar ist Berichterstatter der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt am Main und unterrichtet an einem Wirtschaftsgymnasium in Sachsen.