Den an die Mailänder Scala scheidenden Intendanten und Künstlerischen Leiter der Salzburger Festspiele Alexander Pereira treibt unter allen Sorgen auch diese um: Ob „der neue Weltrekord von Standing Ovations“ aus diesem in den nächsten Sommer hinüber zu retten sein werde? Ein Versuch sei es wert – und er, die Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler und Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf, schienen sich, wenigstens darin, einig. Bei der Vorstellung des Programms der Salzburger Festspiele 2014 (18. Juli bis 31. August) redeten sie kaum miteinander, eher jeder für sich und ins gedrängt in der „SalzburgKulisse“ sitzende Presse-Publikum hinein, und zwar mit Engelszungen.
Ging der eine auf Oper und Konzert, der andere aufs Sprechtheater ein, bügelte die Präsidentin da und dort aufgetretene Missverstände aus. Sie wollte auf keinen Fall die Medien-Vertreter verärgern, zitierte aber Hofmannsthal und Karl Kraus, die nicht gut auf die Presse zu sprechen waren und freute sich über die erstmalig möglich gewordene 10 %-ige Mehrwertsteuer-Belegung der Festspielkarten, auch wenn sie bedauern müsse, über Defizit des Festivals 2013 erst im Januar Auskunft geben zu können.
Pereira und Bechtolf tragen – mit der Uraufführung des Auftragswerks „Charlotte Salomon“ (Leitung: Komponist Marc-André Dalbavie) und dem Wagnis des Burg-Chefs Matthias Hartmann, Karl Kraus` „Die letzten Tage der Menschheit“ von 1914 auf die Bretter des Landestheaters zu bringen – zur „Beleuchtung und Verstärkung“ der 2014 fälligen Weltkriegs-Thematik bei.
Richard Strauss, vor 150 Jahren geboren, hat, schon als Festspielmitbegründer, ein Recht auf viele Werk-Realisierungen (Konzerte in Fülle, ein neuer „Rosenkavalier“ unter Zubin Mehta, Regie: Harry Kupfer). Mozarts wird mit einem neuen „Don Giovanni“ (Eschenbach, Bechtolf, die Glittenbergs) gedacht, Verdis mit einem „Trovatore“ (Anna Netrebkos erste Leonore in einer Neuproduktion dieser Oper, Placido Domingos erster Graf Luna), Donizettis mit „La Favorite“ unter dem Italianità-Urgestein Nello Santi, Rossinis mit der Pfingst-„Cenerentola“ der unerreichten Cecilia Bartoli und Wagners mit einem 2. „Tistan“-Aufzug, als „Projekt“ Daniel Barenboims konzipiert. Pereiras „Seelenwunsch“ – seine vor 2 Jahren eingeführte „Ouverture Spirituelle“ wird, keineswegs nur mit Haydns „Schöpfung“ und Händels „Israel in Egypt“, fortgeführt – geht für sein letztes Salzburg-Jahr in Erfüllung: Franz Schuberts Oper „Fierrabras“ (Metzmacher dirigiert, Stein inszeniert, die Wiener spielen). Bisher war Schubert als Opernkomponist in Festival-Salzburg tabu.
Alles „spitze“ in Salzburg `14: Sänger, Musiker, Dirigenten – im Konzert-Sektor ist alles dabei, was heute Klang und Namen hat: Lang Lang und Pollini, der noch an der Auswahl feilt, Kissin und Anne-Sophie Mutter, die die 2. Sonate ihres Gatten André Prévin spielt, Liederabende von Damrau bis Garancia, von Hampson bis Beczala, ein Beethoven-Klaviersonaten-Zyklus mit Buchbinder, die Camerata Salzburg mit Mozart, Mendelssohn und John Casken, Anton Bruckners neun Symphonien unter Barenboim, Chailly, Haitink, Jordan und von Dohnànyi, eine Rihm-Hommage, zwei Auftritte des Philharmonia Orchestras – unter Dohnànyi mit Strauss` Vier Letzten Liedern (Westbroek) und dem „Don Quichote“ (unter Salonen). Kollegienkirche (trotz beanstandeter Akustik), Großes Festspielhaus, Haus für Mozart und Felsenreitschule sind nach wie vor die Hauptspielstätten des Festival-Klangbereichs.
Für den Sprachsektor stehen Domplatz, Landestheater und Perner Insel im Kurs. Womit? Außer K. Kraus` Menschheits-Drama vom Wiener Burgtheater (s. o.) und dem unweigerlichen „Jedermann“ (in der 2013-er Besetzung): Duncan Macmillans „The Forbidden Zone“ (Regie: Katie Mitchell), Ödön von Horváths „Don Juan kommt aus dem Krieg“ (Andreas Kriegenburg), „Golem“ (getextet und inszeniert von Suzanne Andrade) sowie mit drei Stücken des „Young Director Project“, worunter die Ankündigung von Ernst Tollers „Hinkemann“, einer Koproduktion mit Düsseldorf, die höchsten Erwartungen auslöste.
Weder Pereira (wie angedeutet) noch Bechtolf machten bei der Programm-Bekanntgabe einen Hehl aus persönlichen Vorlieben. Sven-Eric Bechtolf begründete seine Wahl, die auf Kriegenburg für den Horvàth fiel, damit, dass dieser Regisseur „großartige Phantasie“ und eine Menge Humor besitze. Außerdem habe er sich einverstanden erklärt, dem jungen Maximilian Simonischek die Hauptrolle zu geben. Nachwuchsförderung also nicht allein im Musik-, sondern auch im Schauspielbereich des weltweit bedeutendsten und wohl auch umfassendsten aller Festspiele.
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