Philipp Lahm: Ein Könner erklärt die Welt des Fußballs

Ein Buch über den Fußball, die schönste Nebensache der Welt, sollte nicht allzu ernsthaft, allzu moralinsauer daherkommen. Wie schön, dass das neue Buch von Philipp Lahm diese anstrengenden Eigenschaften vermissen lässt! Leicht kommt es daher, erfreut nimmt die Leserschaft schon das Inhaltsverzeichnis zur Kenntnis, denn dieses Buch ist auf amüsante Weise wie ein Fußballspiel  gegliedert – und zwar aus Sicht eines Spielers. Aber natürlich wird das Spiel in seiner Gesamtheit behandelt, womit gleich zu Beginn ein ganzes Leben über ein Fußballspiel definiert wird.

Philipp Lahm, der „Weltmeister von 2014“, lebt den Fußball, erlebt diesen Sport als sein Leben, und über sein so sinnvoll gegliedertes Buch erklärt, wie das funktioniert. Und Lahm ist auch nach seiner Zeit als Spieler erfolgreich, ist Chef des Organisationskomitees der Fußball-Europameisterschaft 2024. Das mach ihn und das Buch gleichermaßen glaubwürdig, und hier stellt er nun sozusagen seine Richtlinien vor. Und die haben sehr viel mit Solidität, Sorgfalt und Spielfreude zu tun – erfreulich wenig Funktionärs-Gerede, keine Marketing-Ratschläge, dafür aber sehr ausführliche Handreichungen für werdende Fußballer.

Lahm betonte bei der Buchpräsentation, worum es ihm geht. Besonders die Jugendarbeit liegt ihm demnach am Herzen. Gerade Kindern würden profitieren, wenn sie „nicht durch, aber mit dem Fußball“ erzogen würden: „Fußball ist schön, weil er einfach ist. Jeder ist willkommen, Kinder interessieren sich nicht dafür, woher einer kommt oder ob die Eltern mehr oder weniger Geld haben.“ Aber alle Kinder, egal mit welchem Hintergrund, könnten enorm profitieren: „In einer Mannschaft Verantwortung zu übernehmen, gemeinsam Siege zu feiern, aber auch Niederlagen zu verkraften – das ist wichtig, um später Lösungen zu finden.“

„Was ist nötig, um in diesem Sport zu bestehen?“ Lahm fragt praxisorientiert, und er antwortet ohne Beschönigung, mit erkennbarer Freude an seinem Sport, aber auch mit echter Kenntnis. Klar spricht er aus, dass Leistung verlangt wird – Leistung, die aus Talent, Disziplin und Ausdauer gespeist wird. Zugleich vermeidet er es, Illusionen in den Köpfen junger Menschen – jungen und Mädchen gleichermaßen – zu erzeugen; als Erfolgschance gibt er auch für talentierte und zielstrebige junge Fußballer „fünf Prozent“ an. Den Fußball nennt er „die Schule des Lebens“, ganz korrespondierend zu der Einteilung, die das Inhaltsverzeichnis seines Buches widerspiegelt. Der erfahrene Nationalspieler zeigt ganz glaubwürdig, wie wichtig es ihm ist,  dass der Fußball weit über das Balltreten genau die Werte vermitteln kann, die auch im sonstigen Leben relevant sind. Diese Erfahrung weiterzugeben – Lahm sieht darin zuallererst eine Verantwortung.

Im Rauschen der als „sozial“ gezeichneten Medien waren hier und da Mäkelei und Kritik an Lahms neuem Buch zu hören, vor allem von Vorkämpfern einer kämpferischen Homosexualität oder von Gender-Extremisten – derlei Anwürfe sollten elegant ignoriert werden. Natürlich macht Lahm auch Anmerkungen u diesem oder jenem Weggefährten oder Trainer. Er tut dies aber nur, um Beispiele zu geben und seine Erfahrung zu dokumentieren. Das Buch ist also auch aus diesem Blickwinkel rundum gelungen. Ausdrücklich zu danken ist Philipp Lahm dafür, dass dieses buch im bewährten und grammatikalisch korrekten generischen Maskulinum abgefasst wurde.

Nicht fragwürdige Zeitgeister, sondern Fakten interessieren den Autor. Das ist sozusagen die Grundlinie des ganzen Buches. Kapitel wie „Zweiter Einwurf“, in denen Lahm Bemerkungen zur Situation des gesamten deutschen Fußballs macht, weisen ihn als Fachmann mit großem internationalem Überblick aus. Das Problem des Rassismus spricht er in gebührender Weise an – ein knappes, aber klares Kapitel. Lahm hat es nicht nötig, einem Zeitgeist hinterherzulaufen, in dem Themen hochgekocht werden, ohne dass ein wirklicher Nutzen für die möglichen Betroffenen erkennbar wäre. Diese Souveränität hebt ihn heute schon ab vom Heer der speichelleckenden, häufig öffentlich-rechtlich beschäftigten Mainstream-Sportjournalisten ab.

Philipp Lahm hat eine gute, gründliche, sachliche und vor allem an der Praxis orientierte Handreichung vorgelegt, die echte Informationen enthält; sinnvoll ergänzt wird der Band durch Orts-, Personen und vor allem ein Vereinsregister. Lahm hat mit gesundem Menschenverstand geschrieben, für wahre Fußball-Enthusiasten und interessierte Nachwuchsspieler ist sein buch schon deswegen unbedingt zu empfehlen. Und natürlich nimmt der kundige Leser schmunzelnd zur Kenntnis, dass Lahm es sich nicht nehmen läßt, auf einer Doppelseite drei Bilder von berühmten Fußballspielern in optischer Kombination zu präsentieren: Pele, Maradona, Lahm. Aber soviel Selbstbewusstsein darf auch sein. Lahm möchte Vorbild sein, und dazu gehört, dass man als solches erkennbar ist. Fazit: Bei dieser Lektüre können wir uns bestens auf unsere deutsche Nationalmannschaft freuen, die in einer von Philipp Lahm organisierten Fußball-Europameisterschaft hoffentlich den Pokal holt.

Philipp Lahm, Das Spiel – Die Welt des Fußballs, München 2021, 272 S., geb., ISBN 978-3-406-75622-1, 19,95 Euro.  

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