Kann eine Luxusuhr nachhaltig sein? Was zunächst nach einem Widerspruch klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als gut funktionierende Liaison. Mechanische Uhren – zu denen die meisten Luxuszeitmesser gehören – gelten als sehr viel langlebiger und damit nachhaltiger als ihre batteriebetriebenen Quarz-Pendants. Der regelmäßige Batteriewechsel entfällt, die Technik veraltet nicht wie bei einer Smartwatch und die Uhrwerke lassen sich noch nach vielen Jahrzehnten reparieren.
Dieses Bild des Unvergänglichen nutzt kein anderer Hersteller so deutlich wie Patek Philippe: „Eine Patek Philippe gehört einem nie ganz allein. Man erfreut sich ein Leben lang an ihr, aber eigentlich bewahrt man sie schon für die nächste Generation.“ Dass sich dieser Werbeslogan auf die meisten mechanischen Armbanduhren übertragen lässt, beweist der gewaltige Vintage-Uhrenmarkt. Mit guter Pflege und regelmäßiger Wartung laufen Uhren aus den 1950er- oder 1960er-Jahren genauso zuverlässig wie heutige Modelle. Das haben mittlerweile auch Luxusuhrenmanufakturen wie Audemars Piguet oder MB&F erkannt, weshalb sie gebrauchte Uhren zurückkaufen, umfangreich aufbereiten und fast neuwertig an ihre Kunden als Certified Pre-Owned weiterverkaufen. Das senkt das Produktionsvolumen und den damit verbundenen Energie- und Ressourcenverbrauch.
Vor allem der Abbau von Edelmetallen wie Gold oder Platin schädigt die Umwelt. Das Verarbeiten von Edelstahl oder Titan ist energiehungrig. Armbänder aus Krokodil- oder Haifischleder sind Tierschützern und vielen Verbrauchern ein Dorn im Auge. Das ist die Kehrseite der Medaille, weshalb Luxusprodukte wie Uhren als weniger umweltfreundlich gelten. Um dem entgegenzuwirken, handeln Uhrenhersteller und Juweliere auf verschiedenen Gebieten nachhaltig.
Responsible Jewellery Council: Das Minimum an Nachhaltigkeit
Der Responsible Jewellery Council (RJC) gibt seit 2005 die Standards bei Edelsteinen und -metallen vor. Der Code of Practices, eine Art Verhaltenskodex für Mitglieder des RJC, deckt dabei die gesamte Lieferkette ab – vom Abbau bis zum Verkauf. Ökologisch nachhaltiges Handeln und faire Arbeitsbedingungen gehören ebenfalls dazu. Mittlerweile hat der RJC mehr als 1.200 Mitglieder, darunter fast alle namhafte Uhrenhersteller, die sich alle zwei Jahre zertifizieren lassen müssen. Außerdem garantieren die Mitglieder, dass bei der Produktion mindestens 90 Prozent recyceltes Gold und Edelsteine verwendet werden, die dem Kimberley-Prozess entsprechen. Der Kimberley-Prozess soll mithilfe von staatlichen Herkunftszertifikaten den Handel mit Blutdiamanten unterbinden.
Gründer des RJC waren diverse Diamanthändler und Juweliere wie Cartier oder Tiffany & Co. Aufgrund dieser Nähe zur Industrie muss der Council regelmäßig Kritik einstecken. Die gesamte Schmuck- und Luxusuhrenbranche hat er dennoch maßgeblich sensibilisiert.
Chopard nimmt Vorreiterrolle ein
Der Schweizer Schmuck- und Uhrenhersteller Chopard geht ein paar Schritte weiter. Laut eigener Aussagen befindet sich das Unternehmen seit 2013 auf der „Journey to Sustainable Luxury“. Zusammen mit dem Consulting-Unternehmen Eco-Age hat Chopard diverse Initiativen gestartet, die den Abbau von Edelmetallen und -steinen sozial und der Umwelt gegenüber verträglicher gestalten.
2018 verkündete das Unternehmen sogar, ausschließlich „ethisches Gold“ zu verwenden. Chopard versteht darunter, dass Rohstoffe zum einen ausnahmslos über Anbieter bezogen werden, die vom RJC zertifiziert wurden. Zum anderen ist Chopard im Goldbergbau aktiv. Der Schmuck- und Uhrenhersteller unterstützt zusammen mit der Alliance for Responsible Mining (ARM) kleine Minen in Südamerika – finanziell und auf dem Weg zum „Fairmined Gold“-Zertifikat. Chopard zählt mittlerweile zu den größten Anbietern von „Fairmined Gold“ weltweit.
Regenerative Energien für die Produktion
Der Uhrenbau ist sehr energieintensiv. Um hier nachhaltig produzieren zu können, sind erneuerbare Energiequellen essenziell. Der Schaffhauser Hersteller IWC (International Watch Company) gibt in dieser Hinsicht ein beispielhaftes Bild ab, denn das Unternehmen setzt zu 100 Prozent auf regenerative Energien. Das 2018 eröffnete Manufakturgebäude basiert auf neuesten Standards nachhaltiger Architektur. Der Schweizer WWF hat die IWC im Rahmen einer Nachhaltigkeitsstudie deutlich besser bewertet als die 15 anderen untersuchten Uhrenhersteller.
Der Mutterkonzern von IWC, Richemont, hat sich selbst das „Richemont Green Handbook“ auferlegt, das zum einen nachhaltige Rohstoffe und zum anderen den Umweltschutz als konzernweite Grundsätze definiert. Zu Richemont gehören bekannte Marken wie Panerai, Piaget und A. Lange & Söhne.
Die Swatch Group setzt wie die IWC auf nachhaltige Architektur. Die Gruppe, zu der Marken wie Omega, Longines oder Tissot gehören, hat das neue Hauptquartier in Biel vom japanischen Stararchitekten Shigeru Ban besonders umweltfreundlich entwerfen lassen. Der Holzbau ist sowohl energiesparend als auch emissionsarm.
Recycelte Materialien für Luxusuhren
Breitling, Oris, Carl F. Bucherer – immer mehr Schweizer Luxusuhrenhersteller nutzen recycelte Materialien. Der für seine Fliegeruhren bekannte Hersteller Breitling arbeitet beispielsweise mit dem nachhaltigen Modelabel Outerknown zusammen und verwendet bei einigen Modellen Textilarmbänder, die aus recyceltem Nylon bestehen. Als Rohstoff dienen überwiegend alte Fischernetze. Breitling nennt das Material Econyl.
Der Hölsteiner Hersteller Oris verziert bei der Taucheruhr Clean Ocean Limited Edition, von der es insgesamt nur 2000 Exemplare gibt, den Gehäuseboden mit einem Medaillon aus recyceltem PET. Dieses Material kommt auch bei den Textilarmbändern der Manufaktur zum Einsatz. Lederarmbänder sind naturgegerbt und enthalten kein Chrom.
Auch Carl F. Bucherer hat das Armband für sich entdeckt. Bei der Patravi ScubaTec Black Manta Special Edition verwendet der Hersteller ein Kautschukarmband, das über eine breite Textileinlage aus recyceltem PET verfügt. Hierfür nutzt Carl F. Bucherer Müll aus Ozeanen.
Luxusuhrenhersteller „retten“ die Ozeane
Zahlreiche Taucheruhrenhersteller haben sich der Rettung der Ozeane verschrieben. Oris ist hierbei ein prominenter Vorreiter. Die Manufaktur legt hierzu für bestimmte Naturschutzprojekte limitierte Uhrenkollektionen auf. So zum Beispiel die Aquis Carysfort Reef Limited Edition, die auf 2000 Exemplare limitiert und der Coral Restoration Foundation in Florida gewidmet ist. Die Nichtregierungsorganisation arbeitet daran, Schäden am Florida Reef zu beheben.
Blancpain unterstützt mit der Initiative „Blancpain Ocean Commitment“ Organisationen und Forscher, die unsere Weltmeere schützen. Außerdem bringt die Manufaktur aus Le Brassus regelmäßig limitierte Sondereditionen heraus. Ein Teil der Verkaufserlöse fließt an Initiativen und Projekte, die dem Schutz der Ozeane dienen.
Alle bisher genannten Uhrenmodelle und viele andere samt detaillierter Informationen finden Sie auf Chrono24, dem weltweiten Markplatz für Luxusuhren.
Rolex und die Hans-Wilsdorf-Stiftung
Nachhaltigkeit spielt in der Uhrenindustrie bereits seit vielen Jahrzehnten eine Rolle. Lange vor Fridays for Furture und dem RJC rief Rolex-Gründer Hans Wilsdorf 1945 die Hans-Wilsdorf-Stiftung ins Leben. Nach seinem Tod 1960 gingen das gesamte Vermögen und die hundertprozentigen Eigentumsrechte an der Rolex SA an diese Stiftung über. Außerdem sollten von nun an Gewinnanteile das „Wissen und Wohl der Menschheit“ fördern. Rolex unterstützt bis heute wissenschaftliche Expeditionen, Kunst und Kultur.
2019 rief das Genfer Unternehmen das Projekt „Perpetual Planet – Die Umwelt erhalten“ ins Leben. Im Rahmen dieser Initiative erhielten mehrere Aktivisten Preise und Fördergelder. Zum Beispiel der amerikanische Technologe Topher White, der ein System entwickelt hat, das vor illegalen Regenwaldrodungen warnt.
Wie viel des jährlichen Umsatzes in Projekte wie „Perpetual Planet“ fließt, ist nicht bekannt. Rolex bleibt auch bei nachhaltigen Themen seiner verschwiegenen Firmenpolitik treu.
Alles nur Greenwashing?
Ökologische Gebäude, der RJC, recycelte Materialien – in der Uhrenindustrie gibt es viele nachhaltige Initiativen, die einerseits die Umwelt schonen und andererseits Lieferanten, Händler und Kunden für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisieren. Limitierte Sondereditionen sind allerdings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und können weder die Weltmeere noch das Klima retten. Dafür lassen sie sich gut verkaufen und schlagen damit aus Sicht der Hersteller zwei Fliegen mit einer Klappe.
Recycelte Materialien bei Uhrengehäusen und Armbändern sind ein Anfang, kommen aber (noch) zu selten zum Einsatz. Auch beim Thema Verpackung haben einige Hersteller den richtigen Weg eingeschlagen, indem sie die Größe reduzieren und auf recycelte Kunststoffe setzen.
Ein ökologisch nachhaltiger Abbau von Metallen und Edelsteinen sowie faire Arbeitsbedingungen sollten bei Luxusprodukten, die mehrere Tausend Euro kosten, selbstverständlich sein. Deshalb ist es ein gutes Zeichen, dass der RJC mehr als 1.200 zertifizierte Mitglieder hat. Luft nach oben besteht dennoch.
Grundsätzlich waren und sind mechanische Uhren nachhaltige Produkte. Wie Patek Philippe so schön sagt, erfreut man sich über mehrere Generationen an ihnen.