Buch und Film über die Staatssicherheit – Zum Tode John le Carrés am 12. Dezember 2020

berlin checkpoint charlie grenze grenzposten, Quelle: cocoparisienne, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig

Diesen Roman haben wir politischen Häftlinge geliebt und die deutsche Übersetzung, die 1964 erschien, verschlungen: „Der Spion, der aus der Kälte kam“! Der Verfasser des Romans, der englische Autor John le Carré (1931-2020), der unter seinem bürgerlichen Namen David Cornwell 1960/64 selbst im Dienst des britischen Geheimdienstes „Secret Service“ gestanden hatte, war ein Mann vom Fach, das merkte man schon beim Lesen der ersten Seiten. John le Carré ist am 12. Dezember 2020 in Truro/Cornwall im Alter von 89 Jahren gestorben.

Der 1963 in England veröffentliche Roman wurde 1965 mit internationaler Besetzung wie Richard Burton, Claire Bloom, Oskar Werner und Peter van Eyck verfilmt und kam am 8., März 1966 in der deutschen Fassung in die westdeutschen Kinos. Bevor ich im Herbst 1966 als Deutschlehrer nach Schweden ging, habe ich diesen Film in Mainz, wo ich studierte, dreimal gesehen. Einmal traf ich unter den Zuschauern einen Mithäftling aus Waldheim.

Die Handlung ist einfach und überschaubar: Der britische Agentenführer Alec Leamas steht 1962, die Berliner Mauer ist schon gebaut, in einer Baracke am Checkpoint Charlie, dem Grenzübergang nach Westberlin. Er wartet auf seinen DDR-Agenten Karl Riemeck, der von Hans-Dieter Mundt, dem Abwehrchef der Staatssicherheit, gejagt wird. Karl Riemeck, der mit einem gefälschten Passierschein auf einem Fahrrad nach Westberlin zu entkommen sucht, wird im Niemandsland von DDR-Grenzsoldaten erschossen.

Alec Leamas wird nach dem Verlust seines letzten DDR-Agenten nach London zurückbeordert, wo er für sein Versagen Rede und Antwort stehen muss. Dann heckt man in der Zentrale einen verwegenen Plan aus:  Alec Leamas wird zum Schein entlassen, fängt an zu trinken, zettelt eine Schlägerei an und kommt ins Gefängnis. Als er entlassen wird, nehmen sich DDR-Agenten seiner an, bringen ihn in die Niederlande und von dort nach Ostberlin. Ziel des „Secret Service“ ist es, Hans-Dieter Mundt zu stürzen, der eine Nazi-Vergangenheit hat. Ein zweiter Handlungsstrang zeigt die englische Jungkommunistin Liz, die sich in Alec Leamas verliebt hat und ihm vom Kommunismus vorschwärmt. Beide treffen sich zufällig in der DDR-Provinz wieder und fliehen gemeinsam nach Ostberlin, wo sie beim Übersteigen der Mauer erschossen werden.

Buch und Film haben ihre Schwächen und weisen eine Menge Ungereimtheiten auf. Ein Beispiel: Die erste Szene mit Karl Riemeck. Niemals hätte die Staatssicherheit einen fliehenden Westagenten erschossen, sondern versucht, seiner habhaft zu werden. Schließlich wollten sie die Hintergründe seiner konspirativen Aktivitäten aufdecken. Ein Toter aber spricht nicht mehr! Niemals hätte sich ein britischer Agentenführer am Checkpoint Charlie gezeigt, er wäre unweigerlich von der Staatssicherheit fotografiert worden wie 1979 Markus Wolf von der „Hauptverwaltung Aufklärung“ bei einem Besuch in Stockholm.

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Über Jörg Bernhard Bilke 263 Artikel
Dr. Jörg Bernhard Bilke, geboren 1937, studierte u.a. Klassische Philologie, Gemanistik und Geschichte in Berlin und wurde über das Frühwerk von Anna Seghers promoviert. Er war Kulturredakteur der Tageszeitung "Die Welt" und später Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz in der Stiftung ostdeutscher Kulturrat.