„Warum hat Er sein auserwähltes Volk nicht geschützt?“ Dieser so oft gestellten Frage geht David Friedmann in der Ausstellung „Lebensgeschichten“ nach, die in der Europäischen Akademie Janusz Korczak zu sehen ist. Es sind zunächst die Bilder im Eingangsbereich, die den Besucher betroffen machen, ihn emotional verwickeln und auf einmal in ein düsteres Niemandsland jenseits von Ort und Zeit eintauchen lassen. Eindrucksvolle S/W Aufnahmen, die dank eines Ultraweitwinkelobjektivs so dicht an die Realität der Todesfabrik Auschwitz heranführen, dass das, was man sieht, zum Greifen nah erscheint. Ein Gleis, das dort endet, wo für viele die letzte Hoffnung verloren ging, eine Ansammlung zusammengeworfener offener Dosen…, Gegenstände, die in ihrer Verlassenheit für Geschehnisse und Situationen sprechen, hinter denen sich ein unendliches Leid verbirgt. Zeugnisse von Momenten, die sich unauslöschlich ins Kollektivgedächtnis unseres Zeitalters eingeprägt haben und immer wieder die Frage nach dem „Warum“ aufwerfen. Frage, die Primo Levi einmal mit seinem lapidaren „In Auschwitz gibt es kein Warum“ beantwortet hat.
Entstanden sind die Aufnahmen als der junge professionelle Fotograf David Friedmann, der seine Neigung zur Fotografie durch das Filmemachen entdeckte, eine Reisegruppe nach Birkenau und Auschwitz begleitete und im Lager fotografierte. Daraus wurde ein Ausstellungsprojekt in Zusammenarbeit mit Valerija Golodyayevska, die Begleittexte dazu lieferte. Vor uns materialisieren auf einmal menschenleere Szenen, tief beeindruckend und erschütternd in ihrer Trostlosigkeit. Betritt man aber den großen Ausstellungsraum, so steht man beinah erstaunt vor einer Reihe von Portraits, in denen Geschichte in Form von authentischen Lebensläufen weitererzählt wird. Bild und Text lassen fünf wahre Schicksale von Frauen und Männern wieder lebendig werden, die einen kleinen Lichtschimmer auf einem der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte bringen. David Friedmann und Valerija Golodyayevska lauschen den Berichten der Shoah-Überlebenden, die – wie durch ein Wunder – der Vernichtung entkamen und aus verschiedenen Himmelsrichtungen nach München zusammengeführt wurden. In deren Rettung finden die Autoren eine Antwort auf ihre Frage, sie glauben die Spur einer „höheren Macht im Universum“ zu erkennen, die das irdische Dasein der Menschen lenkt und ihr Blick nie ganz von seinem geliebten Volk abgewendet hat. Anlass für die Ausstellung bietet der NSU-Prozess in München, der in unmittelbarer Nähe im Justizpalast aufgerollt wird. Sie soll sich in Friedmanns Absicht jeder – Jude und Nicht-Jude – unvoreingenommen ansehen und zum „An- und Nachdenken“ anregen, durch das Zeugnis der noch Lebenden die Erinnerung an die Dahingegangenen wach halten.
Bis zum 31.Mai 2013 – Mo-Do 10 bis 14 Uhr in der Sonnenstraße 8 – 80331 München
www.ejka.org
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