Intervention Zazzaro Otto 11.–15. September 2020 im Kunsthaus Dahlem

Zazzaro Otto, Lorem Ipsum, 2020, Site-Specific Installation Kunsthaus Dahlem | Foto: Jan Brockhaus
„Es wäre nicht passiert …“ Gibt es eine Richtlinie für die Auswahl, ob eine Statue zu Fall gebracht wird oder nicht? Ist es eine politische Entscheidung? Oder eine ästhetische? Ist es eine moralische Pflicht? Wenn wir uns entschließen, die Spuren abgelehnter Ideologien zu beseitigen, welchem ​​Kriterien folgen wir dann? Es geht in meiner Arbeit nicht darum, Antworten auf diese Fragen zu definieren, sondern darum, sie zu erforschen. Ich arbeite oft mit historischen Materialien und mit traditionellen Handwerkstechniken. Über das Weglassen, Entfernen, Manipulieren und Rekonstruieren transformiere und entkontextualisiere ich Objekte und Symbole, um so die Fragen und das historische Bewusstsein lebendig zu halten und dem Betrachter neue Perspektiven in der Auseinandersetzung zu eröffnen.

Die Beschäftigung mit der Architektur des zwischen 1938 und 1942 von Hans Freese entworfenen ehemaligen Staatsateliers für Arno Breker bewegte Zazzaro Otto dazu, den Diskurs um die Geschichte des Baus neu aufzunehmen und eine Installation für den Außenbereich des Kunsthaus Dahlem zu entwickeln. Zazzaro Ottos Frakturschriftzug – eine zeitweise von den Nationalsozialisten präferierte Schrifttype – „Lorem Ipsum, Dolor Sit Amet“ leuchtet über dem vorderen und dem hinteren Eingang des Hauses. Die Worte markieren den Anfang eines Blindtextes, den Grafiker nutzen, um einen Text visuell in ein Layout einzubetten. Inhaltlich laufen sie jedoch ins Leere. Eine Leerstelle, mit der Zazzaro Otto auf die Abwesenheit der historischen Symbole und Zeugnisse an einem Haus aufmerksam macht, an dem äußerlich nur die monumentale Architektur mit seiner klaren Formensprache an seine Ursprünge erinnern lässt. Der mahnende Charakter der Arbeit legt einen wunden Punkt der gesellschaftlichen Vergangenheitsbewältigung offen und erinnert mit ironischer Ernsthaftigkeit an die Fragilität von historischem Bewusstsein. Zazzaro Otto erhielt das Bernhard-Heiliger-Stipendium 2018 und präsentiert eine Bandbreite seiner Werke im Kunsthaus Dahlem. Seine künstlerische Praxis reicht von selbst erschaffenen Gebilden, Maschinerien und fantastischen Fahrzeugen, die aus re- und dekonstruierten Objekten neu zusammengesetzt werden, bis hin zu Videoarbeiten und Fotografien. Motiviert von der Familiengeschichte referiert der in Italien aufgewachsene Künstler sowohl auf vergangene wie auch auf aktuelle gesellschaftliche und ideologische Kämpfe und Phänomene. Immer wieder setzt er sich mit der Funktion und der ikonografischen Wirkung von historischen Symbolen und Zeugnissen in der Gesellschaft auseinander, hinterfragt deren An- und Abwesenheit und die Möglichkeiten von Erinnerungskulturen. Zazzaro Otto: Lorem Ipsum, 2020, Site-Specific Installation Kunsthaus Dahlem | Foto Jan Brockhaus Zazzaro Otto ist 1988 in Sassulolo, Italien, geboren. Er lebt und arbeitet in Berlin und Mailand.
2013   Studium an der UdK Berlin, bei Prof. Katja Strunz | Assistent in der Metallklasse, UdK Berlin
2010   Studium an der Universität der Künste, Berlin, bei Prof. Karsten Konrad

Weitere Informationen:
zazzarootto.com links: Ausstellungsansicht Helmetto, 2020 | rechts: Zazzaro Otto, Nylon. A family business, 2016
Über die Bernhard-Heiliger-Stiftung

Zur Bewahrung des Werks von Bernhard Heiliger und zur Förderung der Bildhauerei wurde 1996 nach dem Tod des Künstlers die Bernhard-Heiliger-Stiftung in seinem ehemaligen Atelier und Wohnort in Berlin-Dahlem gegründet. Die Stiftung arbeitet mit dem umfangreichen Nachlass des Künstlers – bestehend aus Skulpturen, Reliefs, Papierarbeiten, Assemblagen, historischen Dokumenten, Briefen und einem Konvolut  von historischen Fotoaufnahmen.
Mit der Eröffnung des Kunsthaus Dahlem als Tochtergesellschaft der Bernhard-Heiliger-Stiftung im Jahr 2015 werden verschiedene Werke von Bernhard Heiliger hier ausgestellt. Das Kunsthaus Dahlem präsentiert darüber hinaus Wechselausstellungen zur Nachkriegsmoderne aus Ost und West.

Über das Bernhard-Heiliger-Stipendium
Die Bernhard-Heiliger-Stiftung vergibt jährlich ein Stipendium an eine*n Berliner Nachwuchsbildhauer*in aus der Universität der Künste oder der Kunsthochschule Weissensee, das eine Präsentation im Kunsthaus Dahlem vorsieht. An beiden Institutionen hat Bernhard Heilger als Professor gewirkt. Er war von 1946 bis 1949 in Weißensee und von 1949 bis 1986 am Steinplatz.

Bisherige StipendiatInnen
Aiko Shimotsuma (2020), Zazzaro Otto (2018), Emma Adler (2017), Esther Sibiude (2016), Rafael Ibarra (2015), Su Hwan Choi (2014), Azusa Kuno (2013), Florian Goldmann (2012), Laura Mc Lardy (2011), Jan Vormann (2010), Nele Schwierkus (2009), Flurin Bisig (2008), Dieter Lutsch (2007), Peter Kröning (2006), Katharina Moessinger (2005).

Weitere Informationen:
Bernhard-Heiliger-Stpendium – alle StipendiatInnen Zur Geschichte des Ateliergebäudes
https://bernhard-heiliger-stiftung.de/de/stiftung/das-haus/
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