Gotengold und der Tempel der Wiederkehr

Auf Schatzsuche in Rennes-le-Chateau

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An sich ist Rennes le Chateau ein unbedeutendes Nest. Es liegt etwa 40 km südlich von Carcassonne auf einem Höhenzug inmitten der Landschaft des Rhazès. Das Landhaus Villa Bethania, die eigenwillige Tour Magdala und die Ruinen des Schlosses d’Hautpoul künden davon, daß der Ort einstmals bessere Zeiten gesehen hat. Dennoch tummeln sich dort heute zahlreiche Besucher, viel mehr, als der Ort Einwohner zählt. Es ist die Geschichte, die Rennes le Chateau diese seltsame Anziehungskraft verleiht, und es trotz seines Zustandes für Fremde so interessant macht. Vor mehr als 100 Jahren geschahen in dem weltvergessenen Dorf merkwürdige Dinge. Um 1900 kam der Landpfarrer Berenger Sauniere auf mysteriöse Weise zu unerhörtem Reichtum. Er baute die Villa Bethania, dazu den nach Maria Magdalena benannten Turm im neogotischen Stil für seine Bibliothek und ließ die Pfarrkirche des Ortes auf eigene Kosten rekonstruieren. Woher hatte Sauniere seinen plötzlichen Reichtum? War er Alchimist und stand mit dem Teufel im Bunde – wie es die Dorfbevölkerung noch heute glaubt? Warum bezahlte ihm dann der Vatikan wahrhaft fürstliche Summen? Hatte Sauniere einen Schatz entdeckt – etwa das Vermächtnis der Westgoten oder des Templerordens? Der sagenhafte Reichtum Saunieres scheint zum Teil tatsächlich aus einem Schatzfund zu stammen, was sich insofern belegen läßt, als der Pfarrer einige seiner Amtsbrüder aus der Umgebung reich mit Antiquitäten beschenkte. So erhielt der Priester Grassaud einen sehr alten, außerordentlich kostbar verzierten Abendmahlskelch. Dem Abbè Courtaulay aus Couiza verehrte Sauniere  eine beträchtliche Menge Münzen, die aus dem 6. und 7. Jahrhundert n. Chr. stammten. Doch zeitgenössische Quellen sprudelten ebenso für Sauniere. Er erhielt großzügige Zahlungen von den Adelshäusern Chambord und Habsburg. Auch Saunieres Amtsbruder Henri Boudet aus dem Nachbarort Rennes le Bains überwies an den Pfarrer von Rennes le Chateau und sogar an seinen vorgesetzten Bischof Billard in Carcassonne Summen in Millionenhöhe. Sauniere empfing in seinem Refugium so bedeutende Gäste wie den Cousin des österreichischen Kaisers, Johann Salvator von Habsburg, den französischen Kultusminister und die berühmte Operndiva Emma Calvè, die auch seine Geliebte gewesen sein soll. Auch nachdem 1914 sein väterlicher Freund und Berater Boudet aus dem Leben geschieden war, nahm Sauniere nicht Abstand von seinen immer umfangreicher werdenden Projekten. Während in Europa der I. Weltkrieg tobte, plante Sauniere, Rennes le Chateau mit einem mehrere Meter hohen Wall zu umgeben und das gesamte Dorf mit einem auf neun Säulen ruhenden, mehr als fünfzig Meter hohen Tempel zu überdachen. Das gigantische Bauwerk sollte 8 Millionen Franc in Gold kosten (etwa 120 Millionen Euro), wie einem ersten Kostenvoranschlag von Elias Both, Saunieres Architekten, zu entnehmen ist. Doch am 17. Januar 1917 erlitt der Priester überraschend einen Schlaganfall, an dessen Folgen er 5 Tage später verstarb. 

Durch umfassende Forschungen und Ausgrabungen vor Ort bin ich inzwischen zu dem Schluß gekommen, dass der Schatz, den Sauniere entdeckt hatte, westgotischen Ursprungs ist. Einst verhalfen die Westgoten der ehemals gallischen Ansiedlung Rhedae, dem heutigen Rennes le Chateau, zu großer Bedeutung, die über viele Jahrhunderte anhielt. Der wohl bedeutendste westgotische Herrscher, König Alarich, eroberte 410 n. Chr. die „ewige Stadt“ Rom. Bei der Plünderung Roms fiel den westgotischen Heeren der unermessliche Schatz in die Hände, den Titus um das Jahr 70 u. Z. bei der Eroberung Jerusalems geraubt hatte. Der Historiker Prokopius von Cesarea beschrieb den Untergang Roms und überlieferte auch, was die Westgoten erbeuteten:

„… die Schätze Salomos, des Königs der Hebräer, deren Anblick lohnenswert ist. Denn sie waren größtenteils mit Smaragden verziert und in alten Zeiten von den Römern aus Jerusalem nach Rom gebracht worden.“

Der Titusbogen in Rom zeigt noch heute, wie der Tempelschatz mit der großen Menorah – einem siebenarmigen Leuchter aus purem Gold – dem Bogen des Bundes und den Smaragdtafeln des alttestamentarischen Gesetzes einst im Triumphzug des Titus mitgeführt wurde. Genau dies ist der Schatz, von dem Prokopius berichtet, dass er von den Westgoten geraubt und ihrer aus vielen Kriegen stammenden Beute einverleibt wurde. Denn die Westgoten besaßen einen Staatsschatz, über den andere Völker nur staunen konnten: ‚Die Wisigoten standen in dem Ruf, den reichsten Goldschatz zu besitzen, und ihre Gotteshäuser hatten kostbarere Kultgefäße als andere Kirchen.‘ Zu diesem Schatz gehörten zwei ganz besondere Kunstgegenstände – das Missorium und der Smaragdtisch. Das Missorium war ein Gefäß aus massivem Gold, das zusätzlich mit Edelsteinen geschmückt war. Der Smaragdtisch, obwohl er wahrscheinlich nicht aus jenem Edelstein gefertigt worden war, beeindruckte die Menschen derart, dass er in vielen Erzählungen wieder auftaucht. Beide Stücke sind heute verschollen. Die glanzvolle Zeit der Westgoten ging im Jahr 507 n. Chr. zu Ende, als sie von den Merowingern unter König Chlodwig in der Schlacht von Vouillè vernichtend geschlagen wurden. Alarich II. verlor Schlacht, Reich und Leben. Die Westgoten mussten ihre Hauptstadt Toulouse aufgeben. Die Stadt wurde von den nachdrängenden merowingischen Heeren erobert und geplündert. Erst vor den Mauern des gut verteidigten Carcassonne kam der merowingische Vormarsch zu Erliegen. Chlodwig versuchte zwar, Carcassonne zu erobern, um in den Besitz des „heiligen“ Schatzes der Westgoten zu gelangen, zu dem auch das Missorium und der Smaragdtisch gehörten. Nach den Worten des Historikers Prokopius von Cesarea begann Chlodwig mit der Belagerung Carcassonnes, „da er genau wusste, dass der Heilige Schatz dort aufbewahrt wurde. Der Schatz, den Alarich der Ältere zu früheren Zeiten erbeutete, als ihm Rom in die Hände fiel.“ Doch die Westgoten hielten das stark befestigte Carcassonne. Chlodwig musste schließlich die Belagerung abbrechen und sich zurückziehen.

Prokopius berichtet weiter, dass der westgotische General Ibbas nach der Beendigung der Belagerung „alle die Schätze, die in der Stadt Carcassonne lagen, sammelte und eilig nach Ravenna zurückmarschierte.“ Nach Prokopius soll zumindest ein Teil der in Carcassonne eingelagerten Schätze auch nach Rhedae gebracht worden sein, das viel besser als das nunmehr zur Grenzstadt gewordene Carcassonne verteidigt werden konnte.

Doch unter den Angriffen seiner zahlreichen Gegner, insbesondere der Franken, schrumpfte das westgotische Reich in den folgenden Jahrhunderten allmählich zu einem winzigen Gebiet, das heute als das Rhazes bekannt ist. Die neue Hauptstadt Rhedae blieb von den Eroberungszügen der Franken offensichtlich unbehelligt. In einem Bericht des Bischofs Theodulf, den Karl der Große zur Zählung der wichtigsten Städte in den Süden entsandte, wurde Rhedae mit Städten wie Carcassonne oder Narbonne gleichgestellt.

In der Endzeit des westgotischen Reiches soll der alte und heilige Schatz in zwölf einzelnen Depots in der Umgebung von Rhedae, dem heutigen Rennes le Chateau verborgen worden sein. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls die französische Historikerin Tatjana Kletzky Pradere bei ihren Forschungen. Sie stützt sich dabei vor allem auf die merkwürdigen Aufzeichnungen des Abbè Henri Boudet, jenes Geistlichen aus Rennes les Bains, mit dem Berenger Sauniere eine enge Freundschaft verband. Der unauffällige und stets ein wenig kränkliche Abbè Boudet ist mit Sicherheit eine Schlüsselfigur des Rätsels um Rennes-le-Chateau. Seit 1872 wirkte er als Pfarrer in dem damals recht wohlhabenden Kurort Rennes-le-Bains. Obwohl er aus einfachen Verhältnissen stammte, besaß Boudet eine hervorragende Bildung und ein umfangreiches Wissen auf den Gebieten der alten Sprachen und der Archäologie. Während seiner Jugend und der Ausbildung in Carcassonne gehörte zu Henri Boudets Lehrern auch der Pfarrer Emile-Francois Cayron, der zu den Eingeweihten des Geheimnisses um Rennes-le-Chateau zählte. Durch ihn wurde auch Boudet mit der Familientradition der Grafen von Hautpoul und Blanchefort vertraut. Diesem Geheimnis widmete er seine Studien in den Bergen und Tälern um Rennes-le-Bains, durch die ihn immer wieder ausgedehnte Wanderungen führten. Mit Sicherheit ist Henri Boudet der wahre „Wiederentdecker“ der Schätze von Rennes-le-Chateau gewesen. Im Jahr 1886 veröffentlichte er ein Buch mit dem seltsamen Namen „La vraie Langue Celtique et le Cromleck de Rennes-le-Bains“, dass in einer Auflage von 800 Exemplaren erschien. Der Titel bedeutet zu deutsch „Die wahre Sprache der Kelten und der Steinkreis von Rennes-le-Bains“. Bereits kurz nach seinem Erscheinen erntete das Buch in der Fachwelt eine vernichtende Kritik. Wissenschaftler bezeichneten es als eine „unseriöse und urkomische Schrift“. Rezensenten warfen dem schriftstellernden Priester darüber hinaus vor, in diesem Werk „ganz überwiegend andere Schriftsteller zitiert zu haben“, was eine milde Umschreibung dafür war, dass Henri Boudet bei vielen anderen Autoren einfach abgeschrieben hatte. 

Nach der Meinung zahlreicher Schatzsucher, aber auch renommierter Historiker, wie der französischen Forscherin Tatjana Kletzky-Pradere, enthält Boudets „La Vraie Langue Celtique“ den codierten Schlüssel zum mysteriösen Geheimnis der Familie de Hautpoul de Blanchefort. So kündigte Abbè Boudet bereits im Vorwort den Zweck der Publikation wie folgt an:

„Durch die Interpretation eines in einer fremden Sprache gebildeten Namens in das Geheimnis einer lokalen Geschichte eindringen…“ 

Dies bedeutet nach Kletzky-Praderes Auffassung den Hinweis auf einen kryptischen Schlüssel, ohne den der Inhalt des Buches ebenso konfus wie unverständlich bleibt. Auf Seite 126 seines Buches verkündete Boudet stolz, dass er für Außenstehende in einem gewissen Jargon sprechen würde und auf Seite 11 machte er einige hochinteressante Andeutungen bezüglich der möglichen Schlüssel. Viele Forscher haben in den letzten Jahren „La vraie Lange Celtique“ immer wieder studiert, um hinter das Geheimnis des Werkes zu kommen. Sie waren der Auffassung, Boudet hätte dort die Koordinaten von insgesamt 12 Schatzverstecken niedergeschrieben, die sich in der Umgebung von Rennes-le-Bains und Rennes-le-Chateau befinden sollen. Bei diesen an zwölf verschiedenen Stellen verborgenen Schätzen soll es sich um die Hinterlassenschaften der Westgoten handeln. 

Auf einer Expedition in April des Jahres 2004 machte ich bei Streifzügen mit dem Detektor am Berg Sebairous in der Nähe von Rennes les Bains einige Funde, welche die Untersuchungen von Frau Kletzky-Pradere bestätigen. Der Sebairous spielt in Boudets Buch eine entscheidende Rolle. Hier siedelte er den „Kromlech“ von Rennes le Bains an. Bei diesen auf natürliche Weise entstandenen Felsformationen dürfte es sich in der Tat um ein uraltes keltisches Heiligtum handeln. Mehrere Höhlen und Stollen führen hier in eine bislang nur teilweise erforschte Unterwelt. Ganz in der Nähe dieser Höhlen schlug mein Metalldetektor Alarm. 

Zunächst förderte ich an der Wurzel eines Baumes einen metallenen Gegenstand zutage, der in ein ehemals geöltes, inzwischen aber vollkommen verharztes Stück Stoff eingeschlagen war. Bei diesem Gegenstand handelte es sich um ein sogenanntes „Terzerol“, eine Taschenpistole mit Perkussionsschloß, wie sie im 19. Jahrhundert in Gebrauch war. Nach Reinigung und Konservierung besticht die Waffe durch einen überdurchschnittlich guten Erhaltungszustand. Gemäß Beschlagmarke stammt das Terzerol aus einer belgischen Manufaktur in Lüttich, wo es im Jahr 1868 gefertigt worden war. Mit dem Geheimnis von Rennes le Chateau hat die Waffe wohl nur mittelbar zu tun.

In der Nähe ihres Fundortes ergaben sich weitere Detektorausschläge, die zur Entdeckung von drei weiteren, hochinteressanten Artefakten führten. Es handelt sich dabei um ein Bleisiegel, welches im frühen Mittelalter zum Verschluß von Behältnissen benutzt wurde, in denen man wichtige Dokumente aufbewahrte und transportierte. Dieses Bleisiegel ist der westgotischen Epoche zuzuordnen. Außerdem fand ich eine Silbermünze und eine Kupfermünze. Die Kupfermünze ist eindeutig römischen Ursprungs und wurde zur Zeit des Kaisers Konstantin des Großen (306 bis 337) geschlagen. Bei der mit einer starken Patina belegten Silbermünze handelt es sich nach Auskunft der Mitarbeiter der staatlichen bayrischen Münzsammlung in München um ein hebräisches Geldstück, welches um die Zeitenwende im Gebrauch gewesen sein dürfte. Wenn man die an sich unwahrscheinliche Möglichkeit ausschließt, dass diese Münzen in moderner Zeit an den Fundort verbracht worden sind, dann ergibt sich eine brisante Indizienkette. Die hebräische Münze deutet darauf hin, dass sie tatsächlich zu dem salomonischen Tempelschatz gehört hat, den Titus im Jahr 70 nach der Eroberung Jerusalems in seine Heimatstadt Rom brachte. Die römische Kupfermünze und das westgotische Bleisiegel weisen darauf hin, dass es sich bei den am Sebairous verborgenen Kostbarkeiten zumindest um einen Teil des sagenhaften Schatzes der Westgoten handelt, der nicht nur materielle Werte, sondern möglicherweise auch brisante Dokumente enthielt. Mit diesen Indizien wird Tatjana Kletzky Praderes Hypothese von den insgesamt 12 Schatzverstecken in der Gegend um Rennes le Chateau auf eindrucksvolle Weise bestätigt. Da Berenger Sauniere zu seiner Zeit wohl nur einen Teil dieser Verstecke gefunden und geplündert hat, besteht die ernstzunehmende Möglichkeit, dass sich sowohl das Missiorium und der Smaragdtisch in einem der Depots bei Rennes le Chateau befinden. Solche einzigartigen Schätze könnten erklären, warum Berenger Sauniere großzügig durch die Habsburger und den Vatikan finanziert wurde. 

Im Jahr 2007 verkündete der britische Amateurforscher Ben Hammott die Entdeckung eines Grabes, in dem sich neben einem mumifizierten, möglicherweise weiblichen Leichnam auch ein hölzernes Kreuz sowie nicht näher spezifizierte Pergamente und Gegenstände aus Edelmetall befinden sollen. Hammott geht soweit, seinen Fund als mögliches Grabmal der Maria Magdalena zu bezeichnen. Obwohl Hammott sehr umstritten ist, und bislang die Lage des vermeintlichen Grabes geheim hält, verstieg sich das Schweizer Magazin „mysteries“ zu der Behauptung, seine Entdeckung „sei möglicherweise die bedeutsamste der letzten zwanzig Jahre im Zusammenhang mit Rennes le Chateau“. Konjunktive allüberall. Warum Hammott, der aus idealistischen Motiven zu handeln vorgibt, nicht einfach in Zusammenarbeit mit einem Archäologenteam der Universitäten Toulouse oder Montpellier eine Suchlizenz beantragt und die Grabstätte mit wissenschaftlicher Unterstützung öffnen lässt, bleibt sein Geheimnis bzw. das der ominösen „Prieurè de Sion“, welche sich im Zusammenhang mit Hammotts Entdeckung wieder einmal zu Wort meldete, und vor einer Öffnung des Grabes warnte.      

Weit härtere Fakten bietet dagegen eine mir vorliegende Dokumentation. Demnach fanden im September 2008 und März 2009 ausgedehnte geophysische Untersuchungen des Gebietes um Rennes le Chateau unter der Mitwirkung von Wissenschaftlern der Universität Göttingen statt. Mittels sieben verschiedener Meßmethoden konnten in unmittelbarer Nähe des Dorfes, aber auch nahe der Quelle des Flusses Sals unterirdische Anlagen geortet werden, die eindeutig künstlich geschaffen worden sind. Die Koordinaten dieser Plätze sind durch GPS erfasst und jederzeit reproduzierbar. Ob eines dieser Gewölbe Ben Hammots Magdalenengrab birgt, mag dahingestellt bleiben. Möglicherweise handelt es sich hierbei auch um weitere Depots des sagenhaften Westgotenschatzes.        

Nun muß aber das Wissen des Abbé Saunière nicht zwangsläufig nur mit dem Dorf etwas zu tun haben, zumal die Überlieferungen von Zeitzeugen besagen, dass Sauniere zeitweise Rennes le Chateau verlassen hat. In der Literatur existieren sogar Annahmen, die ihn bis nach Paris reisen lassen. Beweise für einen Aufenthalt dort gibt es freilich nicht. Auch anderen Ausflügen Saunieres begegnen viele Forscher mit Skepsis, so den Reisen nach Perpignan oder nach Budapest. Auch wenn kein schriftlicher Beweis für den Aufenthalt in diesen Städten existiert, so gibt es doch einen logischen Grund, weshalb er dort gewesen sein müsste – in Perpignan und in Budapest besaß der Priester nachweislich Bankkonten.

Dem französischen Forscher Andrè Douzet gelang inzwischen der Nachweis, dass Abbè Sauniere sich zeitweise in Lyon aufgehalten hat. Er fand sogar die damalige Adresse des Pfarrers in der Rue des Macchabées, der Makkabäerstraße im ehemaligen Judenviertel. Sie war auch bekannt als die Straße der Goldschmiede. Diese für einen katholischen Priester merkwürdige Umgebung sollte nachdenklich stimmen. Berenger Sauniere führte offenbar ein Doppelleben. Doch Andrè Douzet entdeckte noch mehr. Sauniere pflegte in Lyon Kontakte zum Orden der Martinisten, einer esoterischen Vereinigung jüdischen Ursprungs, der solche charismatischen Persönlichkeiten wie Dr. Gerard Encausse, genannt Papus, und dessen Mentor, der spirituelle Meister und Heiler Philipp de Lyon, angehörten. Papus und Philipp unterhielten enge Verbindungen zum russischen Zarenhof. Sie galten als Vertraute der Romanows und erklärte Widersacher des russischen Wanderpredigers Rasputin. Auf die von Papus gegründete russische Loge des Martinistenordens gehen höchstwahrscheinlich auch die umstrittenen „Protokolle der Weisen von Zion“ zurück. Diese Verbindungen nach Russland erklären, warum Saunieres Freund Henri Boudet imstande war, einen Großteil seines merkwürdigen Buches „La vraie Langue Celtique et le Cromleck de Rennes les Bains“ mit Beiträgen aus den St. Petersburger Kulturheften zu füllen. Dies trug ihm unter Fachleuten den wenig schmeichelhaften Vorwurf ein, „ganz überwiegend andere Autoren zitiert“, mit anderen Worten, einfach abgeschrieben zu haben.   

Was hatte ein gläubiger katholischer Priester wie Berenger Sauniere im Judenviertel von Lyon verloren? Vielleicht gibt sein Vermächtnis Antwort darauf, welches sich ebenfalls im Besitz von Andrè Douzet befindet. Er behauptet, vor mehreren Jahren ein Landschaftsmodell der Gegend um das Dorf Perillos in den Corbieres gefunden zu haben, das Abbè Bérenger Sauniere kurz vor seinem Tod in Auftrag gegeben haben soll. Die Echtheit dieses Models lässt sich dadurch belegen, dass zu ihm mehrere Briefe Saunieres gehören, die an den Hersteller des Modells gerichtet sind, und detaillierte Angaben zur Ausführung des Auftrages enthalten. Andrè Douzet ist deshalb der Meinung, dass das eigentliche Geheimnis in dieser Gegend nicht in Rennes le Chateau zu finden sei, sondern in dem Dorf Perillos, genauer gesagt, in einem bestimmten Bereich des vorgelagerten Châteaus Opoul. Nach Douzets Ansicht sind auf dem Landschaftsmodell verschiedene Gräber dargestellt. Des weiteren hat Douzet historische Unterlagen im Besitz, die auf ein „königliches Grab“ in der betreffenden Gegend verweisen. Er ließ gelegentlich verlauten, einige dieser Gräber selbst aufgesucht zu haben.

Wie eingangs erwähnt, hatten Saunieres letzte Projekte ein finanzielles Volumen von 8 Millionen Franc in Gold, dies entspricht heute einer Summe von 120 Millionen Euro. Wer aber würde 120 Millionen Euro für ein Landschaftsmodell bezahlen? André Douzet weiß, dass einige Menschen willens und in der Lage sind, eine Menge Geld dafür zu auszugeben – wenn auch bei weitem nicht 120 Millionen Euro. Allerdings erklärt sich Saunieres Modell nicht von selbst. Daher dürfte das Modell nur ein Teil des Wissens von Saunière gewesen sein, das der Priester für Geld weitergeben wollte, um seine kostspieligen Projekte zu finanzieren. Wenn man die Geschehnisse in Saunières letzten Lebensjahren betrachtet, dann sagen diese nichts anderes aus, als dass die Anfertigung des Landschaftsmodells und das zu erwartende Einkommen in Millionenhöhe unmittelbar zusammen hingen.

Wer hatte so viel Geld verfügbar, um mehr über das Geheimnis von Perillos zu erfahren? Was ist dort verborgen, das nicht nur Saunière faszinierte, sondern auch seine „Klienten“ überzeugte? Es muss etwas sein, das bei weitem mehr wert ist als 120 Millionen Euro. Das Geheimnis ist so bedeutend, dass es nur das Geheimnis einer Gemeinschaft gewesen sein kann, geschützt durch diese Gemeinschaft selbst, die davon wusste. Um zu verstehen, wie dieses Geheimnis beschaffen ist, und von wem es gehütet wird, lohnt sich ein Blick auf die Geschichte des Ortes. Das heute verlassene Perillos befindet sich bei Perpignan im abgelegenen Hinterland der Mittelmeerküste. Der Astronom und Geograph Cassini hielt Perillos im 17. Jahrhundert erstmals auf einer Landkarte fest. Merkwürdigerweise hat Cassini Perillos als „weißen Fleck“ dargestellt. Normalerweise wurde dies nur bei einem unbekannten Gebiet so gehandhabt. Bis heute ist nicht zufriedenstellend erklärt worden, warum Cassini gerade hier auf die Darstellung von Details verzichtete. Der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. annektierte im 17. Jahrhundert das Roussillon für Frankreich. In diesem Zusammenhang bestätigte der königliche Notar Courtade sowohl die Existenz eines „königlichen Grabes“ als auch einer Gemarkung auf den Besitzungen von Perillos, „die für alle Ewigkeit niemandem gehören dürfe, die niemals veräußert, beliehen oder geteilt“ werden solle – kurz, eines heiligen, unantastbaren Territoriums. Noch im 19. Jahrhundert lebte die Dorfgemeinschaft wie zwei Jahrhunderte zuvor. Infolge von Unterernährung und mangelndem Trinkwasser hatte die Bevölkerung stets mit einer hohen Kindersterblichkeit zu kämpfen. Im Jahr 1916 dann ist die letzte Geburt in Perillos verzeichnet worden. Der letzte Sterbefall wurde 1932 aktenkundig. Nach dem II. Weltkrieg verließen auch die restlichen Einwohner den Ort. Weniger wegen der schwierigen Lebensbedingungen, sondern eher, weil Perillos inzwischen als „Pueblo maledtito“ galt – ein verfluchter Platz, dem man besser fern bleibt. Noch heute raten Einheimische aus der Umgebung dem Fremden freundlich, aber sehr bestimmt davon ab, über Nacht in den Ruinen von Perillos zu verweilen. Die Gefahren dort, von denen man besser nicht spricht, seien zu groß. Nicht umsonst verkündet die von ungelenker Hand an eine Hauswand gemalte Inschrift „Schweig still, Fremder, und sieh, denn hier haben die Wände Augen und Ohren.“

In den Gemarkungen dieses merkwürdigen Dorfes soll ein Geheimnis verborgen sein, für welches Saunieres Klienten bereit waren, 120 Millionen Euro zu zahlen? Andrè Douzet jedenfalls ist überzeugt, dass sich hier neben dem bereits erwähnten königlichen Grab auch die Gräber des Joseph von Arimathäa und von Jesus Christus befinden. Das glaubt er aus dem Landschaftsmodell herauszulesen. Also noch ein Jesusgrab, diesmal nicht bei Rennes le Chateau, sondern in den Corbieren?  Dies wäre nur eine weitere Variation des bekannten Mythos. Meines Erachtens hat Douzet aus seinen Recherchen lediglich die falschen Schlussfolgerungen gezogen. Um das wirkliche Rätsel von Perillos zu lösen, müssen wir weit in die Vergangenheit zurück gehen. Zu Beginn des achten Jahrhunderts überschritten sarazenische Heere die Pyrenäen. Sie besetzten jenes Gebiet, das damals Septimanien genannt wurde, und zu dem auch die Corbieren und das Rhazes gehörten. Hier entstand ein autonomes, maurisches Fürstentum mit Narbonne als Hauptstadt. Erst Karl Martell vermochte den weiteren Vormarsch der Sarazenen nach Norden zu stoppen, und drängte die Eindringlinge im Jahr 738 sogar bis Narbonne zurück. Die Stadt selbst vermochte er nicht zu erobern. Sein Sohn, Pippin III. verständigte sich bis 752 mit dem ortsansässigen Adel und brachte auf diese Weise Septimanien unter seine Kontrolle. Nur Narbonne leistete noch Widerstand. Pippin III. und seine Ahnen galten in jener Zeit als Usurpatoren, welche die vor ihnen herrschende Dynastie der Merowinger mit List und Gewalt entthront hatten. Um seinen Anspruch auf Legitimität zu untermauern, schloß Pippin dynastische Verbindungen mit überlebenden Familien merowingischer Abkunft und sorgte dafür, dass seine Krönung durch den biblischen Ritus der Salbung höheres Ansehen gewann. Diese Zeremonie implizierte, dass die fränkische Monarchie eine legale Fortsetzung des jüdischen Königtums aus dem Alten Testament war. Damit strebte der Usurpator Pippin eine Delegitimierung der Merowinger an, die ihm schließlich auch gelingen sollte. Um seine Pläne umsetzen zu können, traf Pippin 759 eine Abmachung mit der jüdischen Bevölkerung Narbonnes. Sie sorgte dafür, dass die Stadt von Pippins Truppen eingenommen werden konnte, und bestätigte dessen Anspruch auf die biblische Sukzession. Im Gegenzug gestand Pippin III. den Juden Septimaniens ein eigenständiges Fürstentum zu, welches sie im Jahr 768 offiziell proklamierten. Als Herrscher wurde ein aus Bagdad stammender „Exilarch“ eingesetzt, wie Professor Zuckerman von der Columbia Universität in seiner bahnbrechenden Arbeit „A Jewish princedom in feudal France“ belegen konnte. Der neue Herrscher wurde zum „Nasi“, dies bedeutet König oder Herrn der Juden Frankreichs, erklärt. Er trug den Namen Makhir David Theoderic. Die britischen Autoren Lincoln, Baighent und Leigh irren an dieser Stelle, wenn sie meinen, der jüdische König sei  merowingischen Geschlechts. Er entstammte dem Hause Davids und kam, wie von Zuckerman eindeutig nachgewiesen, aus dem nahen Osten, um seine Herrschaft anzutreten. Seine Position festigte er ebenso wie die Pippins III. durch seine Heirat mit Alda, einer Schwester Pippins und Tante Karls des Großen. Der spanische Historiker Joaquin Javaloys wies durch seine akribische Recherche nach, dass David Theoderic mit dieser Verbindung zum Stammvater fast des gesamten europäischen Hochadels wurde. In den Dynastien der Habsburger, Kapetinger (Bourbonen), der Taillefer, Lusignan (Könige von Jerusalem!) und Trencavel lebt der „Same Davids“ fort. Das „Blaue Blut“  ist letztlich jüdisches Blut. Der Begriff an sich legt eine solche Deutung nahe, denn Blau ist auch die Farbe der Priesterschaft im Judentum. So könnte Javaloys unabsichtlich einen Teil des Geheimnisses von Rennes le Chateau entschlüsselt haben, der immerhin den Grund dafür liefert, warum neben den Habsburgern und dem Vatikan auch das Haus Rothschild ein so ausgeprägtes Interesse an den Entdeckungen Henri Boudets und Berenger Saunieres hatte. Das jüdische Fürstentum von Septimanien bestand formell bis ins hohe Mittelalter, wenn auch Berichte aus dem 13. Jahrhundert nahe legen, dass es sich in dieser Zeit bei dem Nasi nur mehr um einen König ohne Land handelte. In der Zeit nach den verhängnisvollen Kreuzzügen gegen die Katharer und einer flächendeckenden Inquisition sahen sich die Nachkommen des ersten Nasi ebenfalls einer erheblichen Bedrohung ausgesetzt. Sie passten daher ihre Namen den ortsüblichen Gegebenheiten an. Aus dem hebräischen „Nasi Makhir“ wurde ein „Boudat“ oder „Boudiat“ – okzitanisch für „guter Fürst“. Von „Boudat“ bis zu „Boudet“ ist es phonetisch nur ein kleiner Schritt. Möglicherweise entstammte Henri Boudet also der Nachkommenschaft des jüdischen Herrschers von Septimanien. Dazu passt die Tatsache, dass Boudet, und nicht Sauniere, der eigentliche Wiederentdecker des Geheimnisses gewesen ist, wie ich an anderer Stelle bereits ausführte. Einen weiteren Hinweis bietet das Buch des Pfarrers „La vraie Langue Celtique et le Cromleck de Rennes les Baines“, in dem er auch sehr ausführlich auf jüdische Opferrituale eingeht, die an sich mit der „wahren Sprache der Kelten“ nichts zu tun haben.

Was aber hat das alles mit Perillos zu tun? Die Antwort ist einfach. Professor Zuckerman stützte seine Forschungen zum jüdischen Fürstentum von Septimanien ausschließlich auf historische Quellen. Archäologische Befunde fehlen bislang. Daher ist Zuckermans Arbeit in wissenschaftlichen Kreisen nicht unumstritten. Nun haben Andrè Douzet und andere Mitglieder  der „Societè Perillos“ im Zuge ihrer Recherchen offensichtlich auch Zugang zu einem oder mehreren Gräbern in der Nähe von Perillos erlangt. In seinem Buch „Das Grab des Christus“ gibt Douzet Hinweise auf diese Forschungsarbeiten, in deren Ergebnis etwa 27 kg an historischem Fundmaterial, darunter „Siegel, Waffen und Münzen“ aber auch „hebräische Manuskripte“ geborgen worden sind. Meines Wissen wurden diese Schriftstücke noch nicht übersetzt. So kann der  „Societè Perillos“ nur angeraten werden, eine solche Übersetzung durch jüdische Gelehrte möglichst rasch nachholen zu lassen. Andrè Douzet ist der Meinung, irgendwo bei Perillos befinde sich die Grabstätte Jesu Christi. Er leitet diese Hypothese aus den Beschriftungen auf Saunieres Landschaftsmodell ab, die von einem „Tombeau du Christ“ sprechen. Dies heißt nun aber gerade nicht „Grab des Jesus Christus“ auch wenn eine solche Interpretation im Zusammenhang mit Rennes le Chateau verführerisch ist. Die Übersetzung muß vielmehr lauten: „Grab des Gesalbten“, denn Christus bedeutet „Gesalbter“. Gesalbt jedoch waren alle jüdischen Könige seit der Zeit des biblischen Saul. Demnach hat Douzet bei seinen Forschungen höchstwahrscheinlich die Nekropole der jüdischen Herrscher von Septimanien entdeckt. Dies allein ist eine archäologische Sensation ersten Ranges. Douzet bemerkte selbst, dass in der Gegend um Perillos „im Mittelalter viele Juden siedelten“, erklärte dies aber mit dem hier in großem Stil durchgeführten Goldbergbau. Sein vermutetes „Christusgrab“ ist bei Perillos keinesfalls existent, wohl aber die Gräber des Makhir David Theoderic und seiner Nachfolger – der Ahnen des europäischen Adels.

Wie bereits bemerkt, dürfte Saunieres Landschaftsmodell nur ein Teil jener Informationen gewesen sein, die der Priester gegen erhebliches Entgelt verkaufen wollte. Als Geldgeber für seine aufwendigen Projekte kommen nach den dargestellten Tatsachen jüdische Investoren in Frage. Wofür sollte eine jüdische Gemeinde jedoch 120 Millionen Euro bezahlen? So wertvoll waren die Gräber der Fürsten Septimaniens keinesfalls, wohl aber etwas anderes. Eines befindet sich für jeden gläubigen Juden jenseits aller materiellen Erwägungen. Es ist das Allerheiligste des Judentums – die Bundeslade und das dazugehörige Tempelgeschirr. Wenn in Südfrankreich über mehrere Jahrhunderte hinweg ein unabhängiges jüdisches Fürstentum existierte, besteht dann nicht auch die Möglichkeit, dass sich hier nicht nur das politische, sondern auch das religiöse Zentrum des Judentums befand? Mit anderen Worten – gab es einen jüdischen Tempel in Septimanien? Ein solcher Tempel ist nur sinnvoll, wenn er die Bundeslade beherbergt, da eben nicht der Tempel, sondern die Lade der heiligste Gegenstand ist, welcher einem auserwählten Personenkreis unter bestimmten Umständen einen direkten Kontakt mit der Wesenheit JHWH, dem jüdischen Schöpfergott, ermöglicht, so wie im Alten Testament beschrieben. Versuchen wir daher, den Weg der heiligen Gegenstände durch die Jahrhunderte zu verfolgen. Als der Tempel von Jerusalem m Jahre 70 n. Chr. von römischen Truppen unter Titus geplündert wurde, raubten diese auch das Tempelgeschirr. Dies ist historisch belegbar, da Gegenstände wie die Menora (der siebenarmige Leuchter) oder der Tisch der Schaubrote in Rom auf dem Triumphbogen des Titus dargestellt sind. Überlieferungen berichten, in seinem Triumphzug sei auch das „Gesetz“ gezeigt worden. Konservative Historiker vermuten hier eine Thora, während andere Forscher meinen, bei diesem Gegenstand könne es sich um die Bundeslade handeln. Das ist jedoch unwahrscheinlich, da ansonsten die Bundeslade auch auf dem Triumphbogen abgebildet worden wäre. Offensichtlich verblieb die Lade also in Jerusalem. Dafür spricht der Umstand, dass der 2. Tempel nicht von gewöhnlichen Bauleuten, sondern von 2.000 Cohen – also jüdischen Priestern – errichtet wurde. Diese nun „Elù Cohen“ – die „auserwählten Priester“ Genannten, ließen sich extra in diversen Bauberufen ausbilden, um das Werk mit eigener Hand zu vollbringen. Dabei schufen sie offenbar auch Verstecke, damit die Bundeslade nie wieder Feinden in die Hand fallen konnte, wie es bei der Niederlage gegen die Babylonier noch geschehen war. Folgerichtig verschwindet dann die Bundeslade mit der Plünderung des Tempels durch Titus auch spurlos aus der Geschichte. Nicht so die übrigen Tempelgeräte. Ihr Weg lässt sich recht eindeutig nachvollziehen. Zunächst bewahrten die Römer sie unter den eroberten Schätzen in ihrem Pantheon auf. Im Jahr 410 dann plünderten westgotische Truppen unter Alarich I. die Ewige Stadt.  Doch dieser Schatz brachte den Westgoten Unheil. Alarich I. starb kurze Zeit später, und unter seinen Nachfolgern verfiel das Reich zusehends.  In der Geschichte des Judentums von Heinrich Graetz heißt es zum weiteren Verbleib der Tempelgeräte:
Die Juden der byzantinischen Hauptstadt sahen mit Schmerz, wie die heiligen Gefäße des zerstörten Tempels, die von Gefangenschaft zu Gefangenschaft gewandert waren, durch den Feldherrn Belisar, den Eroberer des Vandalenreiches, aus Karthago, wo sie nahe an ein Jahrhundert lagen, nach Konstantinopel gebracht wurden (534). Neben dem Vandalenfürsten Gelimer, dem Enkel Genserichs, und den Schätzen dieses unglücklichen Königs, wurden auch die jüdischen Trophäen im Triumph aufgeführt. Ein Jude, der mit tiefem Kummer die lebendigen Denkmale von Judäas einstiger Größe in der Gewalt seiner Feinde sah, bemerkte gegen einen Höfling, es sei nicht ratsam, sie in dem kaiserlichen Palast niederzulegen, da sie Unglück bringen könnten. Wie sie Rom Unheil brachten, das durch Genserich geplündert worden war, so hätten sie auch über dessen Nachkommen Gelimer und seine Hauptstadt Mißgeschick heraufbeschworen. Es sei wohl richtiger, die heiligen Geräte dahin zu bringen, wo sie der König Salomo hatte anfertigen lassen, nach Jerusalem. Dem Juden mag eine schwache messianische Hoffnung geschmeichelt haben, daß, wenn erst die heiligen Gefäße wieder in Jerusalem eingezogen sein würden, auch die Zerstreuten des heiligen Landes dahin zurückgeführt werden würden. Sobald der Kaiser Justinian Nachricht von dieser Äußerung erhielt, fürchtete sich sein abergläubisches Gemüt vor den Folgen, und er ließ in aller Eile die Tempelgefäße nach Jerusalem bringen, wo sie in einer Kirche aufbewahrt worden sein sollen.“

Neben der Bundeslade befand sich also auch das Tempelgeschirr ab 535 n. Chr. wieder in Jerusalem. Wie könnten diese Gegenstände schließlich nach Südfrankreich gelangt sein? Es besteht die Möglichkeit, dass die Begründer des Templerordens Bundeslade und Tempelgeschirr im Heiligen Land fanden und nach Frankreich brachten. Der Mönchsritterorden wurde offiziell am 13. Januar 1129 in Frankreich geschaffen. Sowohl um seine Entstehung als auch um seine spätere Tätigkeit ranken sich zahllose Legenden. Verbürgt ist, daß sich bereits in den Jahren 1118/19 im Heiligen Land unter Führung der normannischen Adligen Hugo de Payns und Gottfried de Saint-Omer neun Ritter zu einer Art Polizeitruppe zusammenschlossen, welche „nach Kräften für die Sicherheit von Straßen und Wegen sorgen“ wollten. Bisher konnte noch kein Historiker zufriedenstellend erklären, wie Hugo de Payns und seine acht Gefährten diese schwierige Aufgabe bewältigen sollten. Aber in den darauffolgenden Jahren schien die Sicherung der Straßen und Wege im Heiligen Land das perfekte Alibi für die tatsächlichen Aktivitäten dieser Ritter zu bleiben. In Wahrheit unternahmen sie ausgedehnte Reisen, auf denen sie auch diplomatische Kontakte zu den Sarazenen knüpften, und regelrechte archäologische Ausgrabungen durchführten. Alle neun Gründungsmitglieder des Templerordens waren entweder mit dem Grafen Hugo von Champagne verwandt oder aber dessen Lehnsmänner. Dies ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil der Grafenhof der Champagne in Troyes zu den aufgeklärtesten Herrschaftszentren des Mittelalters gehörte, und sich dort bereits seit dem Jahr 1070 eine angesehene jüdische Schule für talmudische und esoterische Studien befand. Noch vor der offiziellen Anerkennung der Templer auf der Synode von Troyes im Jahr 1129 erhielten sie auf Betreiben ihres Gönners Bernhard de Fontaine – eines später heilig gesprochenen Zisterziensermönches, der die Abtei von Clairveaux gegründet hatte und zu den bedeutendsten Wortführern des Christentums in jener Epoche gehörte – reiche Schenkungen in Form von Geld, Gütern und vor allem Ländereien. Im Jahr 1128 erließ Bernhard von Clairveaux schließlich ein Traktat, welches er „Das Lob der Neuen Miliz“ betitelte und mit dem er die militant religiösen Ziele der Templer zum Ideal und zum Inbegriff aller christlichen Werte erhob. Ein Jahr zuvor waren alle Gründungsmitglieder des Templerordens nach Frankreich zurückgekehrt, und bereits in der ersten Regel des neu gegründeten Ordens schrieb Bernhard von Clairveaux: „…mit Gottes und unserer Hilfe…ist das große Werk vollendet worden…„. Welchen Sinn sollte diese Aussage haben, wenn sie sich auf die Aktivitäten der Templer zwischen 1118 und 1128 bezog? Was war in diesem Zeitraum Bedeutendes geschehen? Hatten sie etwa im Heiligen Land statt „die Pilger zu schützen“ etwas unendlich Wertvolles gesucht und gefunden, von dem Hugo de Payns während seiner Teilnahme am ersten Kreuzzug erfahren hatte? Eine Antwort darauf bieten die sogenannten Schriftrollen vom Toten Meer. Ihre Entdeckung im Jahre 1947 stellte manche sicher geglaubte Erkenntnis über das frühe Christentum in Frage, und ließ bisher schwer verständliche Bibeltexte in einem neuen Licht erscheinen. Außerdem vermittelte sie Einblicke in Ereignisse und Ideen, die das Heilige Land in den letzten Jahrhunderten der jüdischen Unabhängigkeit beherrschten. Eine dieser Rolle war eine regelrechte Schatzkarte. Sie schildert 23 Verstecke am Tempelberg von Jerusalem, die materielle und „geistige“ Kostbarkeiten bergen sollten. Möglicherweise befand sich darunter auch die Bundeslade. Als israelische Archäologen in den sechziger Jahren des 20.Jahrhunderts den Beschreibungen der Qumranrolle folgten, fanden sie zwar alle Verstecke, doch diese waren leer. Offenbar sind die Templer den modernen Ausgräbern zuvorgekommen. Die Überlieferungen berichten von riesigen Mengen an Gold- und Silberbarren, heiligen Gefäßen und nicht näher bezeichneten Wertgegenständen, die sich im Besitz der Templer befunden haben sollen. Oft ist auch die Rede von einem „geistigen Schatz“ und von uraltem Wissen, das aus dem alten Ägypten stammen dürfte und sich auf die Geheimnisse der Baumeister der Pharaonen bezieht. In den Jahren nach der Ordensgründung wurden am Hof zu Troyes zahlreiche sehr alte hebräische Texte übersetzt, wozu manchmal sogar Rabbiner aus dem Hochburgund hinzugezogen werden mußten. Möglicherweise übergaben die Templer der jüdischen Gemeinde von Septimanien die Bundeslade und das Tempelgeschirr, um sich im Gegenzug materielle wie auch geistige Unterstützung bei ihren Vorhaben zu sichern. Die Juden in Septimanien hingegen hofften, mit der Vereinigung von Bundeslade und Tempelgeräten in einem neuen Tempel möge auch die Zeit der Diaspora ein Ende finden. Gibt es Hinweise auf diesen neuen jüdischen Tempel? Hier helfen ebenfalls die Schriftrollen vom Toten Meer weiter. Eine von Ihnen wird als „Tempelrolle“ bezeichnet. Obwohl sie von allen aufgefundenen Schriften am besten erhalten ist, widmeten sich ihr bislang erst wenige Forscher. Einer von Ihnen, der Archäologe Yigael Yadin, war von dieser Rolle so begeistert, dass er sie als eine „verborgene Thora vom Toten Meer“ bezeichnete. Das ist eigentlich Gotteslästerung, denn die Thora stellt den ältesten und heiligsten Text des Judentums dar, der direkt von JHWH offenbart worden sein soll. Der blasphemische Titel von Yadins Buch unterstreicht daher die Bedeutung dieser Schriftrolle, die eine Anleitung zum Bau eines neuen jüdischen Tempels darstellt. Dieser ist freilich von so gewaltigen Dimensionen, dass er keinesfalls auf den Tempelberg Moria zu Jerusalem passt. Nach Yadin müsste das benachbarte Kidrontal vollständig mit Erdreich aufgefüllt werden, um Platz für den neuen Tempel zu schaffen. So kommt der jüdische Forscher denn auch zu dem Schluß, dass es sich bei dieser Beschreibung nur um einen „spirituellen Tempel“ handeln könne. Yadin ist so überzeugt, dass der Tempel in Jerusalem errichtet werden muß, dass er gar nicht die Frage stellt, ob so ein Gebäude anderswo existieren könnte. Bei näherer Betrachtung der Tempelrolle drängt sich jedoch die Idee auf, dass hier ein unterirdisches Bauwerk beschrieben wird. In der Tat gibt es keinen Hinweis, dass ein Tempel für die Bundeslade unbedingt oberirdisch gebaut werden muß. Hierzu passen auch kabbalistische Texte, die ebenfalls von einem unterirdischen „Tempel des Herrn“ in den Pyrenäen sprechen. Wo könnte sich ein solches Heiligtum befinden? Unweit von Perillos erheben sich auf einem Tafelberg die Ruinen des bereits erwähnten Chateau Opoul. Dieser Berg wird „Salvaterra“ genannt – „gerettete Erde“. Hier liegt auch jene von Notar Courtade beschriebene Gemarkung eines heiligen Platzes. Diese Indizien sprechen eine eindeutige Sprache. Doch es gibt noch weitere Hinweise auf das jüdische Heiligtum. Wie bereits erwähnt, trug die jüdische Priesterkaste den Zunamen „Cohen“. Normalerweise dürfte es seit der Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahre 70 n. Chr. keine jüdischen Priester mehr geben, da es auch keinen Tempel mehr gibt. Dennoch existiert die Kaste der Cohen weiter und genießt nach wie vor im Judentum höchste Ehren und uneingeschränkte Anerkennung. Heute noch heiraten die Mitglieder der weltweit etwa 600 Cohen-Familien ausschließlich untereinander. Sie unterscheiden sich nachweislich genetisch von den übrigen Menschen. In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wiesen amerikanische Genetiker das sogenannte „Cohen-Gen“ nach, welches allen anderen Menschen fehlt. Die Cohen sind strikt von den jüdischen Rabbis zu unterscheiden. Der Rabbi ist ein Lehrer, welcher in der Synagoge, dem „Lehrhaus“, das Volk unterweist. Die Cohen hingegen sind Priester, deren Dienst im Tempel ausschließlich dem jüdischen Schöpfergott JHWH gilt. Anders als im Christentum ist hierbei die Anwesenheit der Gemeinde nicht zwingend erforderlich. Zugang zum Allerheiligsten des Tempels, in dem sich die Bundeslade befindet, hat ohnehin nur der Hohepriester, und dies auch nur einmal im Jahr zu einem bestimmten Datum – dem Purimfest. Dann betritt der Hohepriester in spezieller Kleidung, die im alten Testament ausführlich beschrieben wird, das Allerheiligste und spricht im Angesicht der Bundeslade den wirklichen Namen JHWH’s aus. Da es sich beim Hebräischen um eine Konsonantenschrift handelt, deren Vokalisierung ausschließlich mündlich an künftige Priester oder Rabbis weitergegeben wird, kennt immer nur der Hohepriester den wahren Namen Gottes. Hintergrund dafür ist der Glaube, dass mit der Kenntnis des wahren Namens eines Wesens derjenige Macht über dieses Wesen erlangt, der diesen Namen ausspricht. So füllte im 12. Jahrhundert der jüdische Gelehrte Abraham Abulafia mehr als 40 Bücher mit Permutationen des Namens JHWH, in der Hoffnung, den einzig wahren Namen Gottes damit zu finden. Wenn der Hohepriester den wahren Namen Gottes ausspricht, so manifestiert sich als Antwort darauf die sogenannte „Schechina“, die „Gegenwart Gottes,“ zwischen den beiden Cherubim, die auf der Bundeslade montiert sind. Auf diese Weise vermag der Hohepriester mit JHWH zu kommunizieren. Allerdings ist der Umgang mit diesem Wesen offensichtlich nicht ungefährlich, denn neben seiner Schutzkleidung trägt der Hohepriester zusätzlich noch eine silberne Fessel um das rechte Fußgelenk, deren Kette bis in den Vorraum des Allerheiligsten reicht. Dort warten zwei weitere Priester. Solange die Glöckchen klingen, welche am Saum des hohepriesterlichen Gewandes befestigt sind, besteht für sie kein Grund zum Handeln. Verstummt der silberne Klang jedoch, oder hören sie einen Fall, müssen sie so schnell wie möglich den Hohepriester an der Kette aus dem Allerheiligsten ziehen. In den Fällen, da ein solches Handeln notwendig wurde, war der Betreffende allerdings zumeist bereits tot. 

Leben nun möglicherweise jüdische Priester in Südfrankreich? Meine Recherche vor Ort ergab, dass in den Departements Aude und Pyreneès Orientales, zu dem auch das Gebiet um Perillos gehört, mehrere jüdische Familien mit dem Namen Cohen gemeldet sind. Sie könnten heute die Priesterschaft des verborgenen Tempels stellen, in dem seit über achthundert Jahren die Bundeslade bewahrt wird. Das ist in der Tat ein Geheimnis, von dem bereits ein Amtsbruder des Abbè Sauniere meinte, es „könne die größten Umwälzungen verursachen“.  

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Weiterführende Literatur:

 „Rennes le Chateau – Rätsel in den Pyrenäen“ von Thomas Ritter, Bohmeier Verlag, 2001 – in jeder guten Buchhandlung, im Internet oder beim Autor mit Widmung

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Verwendete Literatur

Andrews, Richard, Schellenberger, Paul, Das letzte Grab Christi, Bergisch-Gladbach, 1996

Baigent, Michael, Leigh, Richard, Lincoln, Henry, Der Heilige Gral und seine Erben, 4. Auflage, Bergisch-Gladbach, 1991

Boudet, Henri, La Vraie Langue Celtique et Le Cromleck de Rennes-les-Bains, 1886 / 1984

Douzet, Andrè, Das Grab des Christus – Saunieres letztes Geheimnis, Vaihingen/Enz, 2006

Fanthorpe, Patricia and Lionel, Rennes-le-Château, Ashford, Middlesex, 1991

Graetz, Heinrich, Geschichte des Judentums von (4. Aufl. des 5. Bandes), 1909

Hammott, Ben,  www.benhammott.com

Haydock, Tim, Verschollene Schätze der Welt, Pietsch Verlag, Stuttgart, 1989

Javaloys, Joaquin, El Origen Judio de las Monarquias Europeas, Madrid, 2000

Kletzky-Pradere, Tatjana, Rennes le Château, Touristischer Fremdenführer, Privatverlag, Rennes le Chateau, 1997

Lincoln, Henry, The Holy Place, Verona, 1991

Prokopius (Caesariensis), Der Gotenkrieg, Essen, 1981

Ritter, Thomas, Rennes le Chateau – Rätsel in den Pyrenäen, Lübeck / Leipzig, 2001

Ritter, Thomas, Abbè Sauniere und der Schatz der Templer, Rottenburg, 2004

Riviere, Jacques, Le fabuleux Tresor de Rennes-le-Château, Le Secret de l’Abbè Sauniere, Nizza, 1983

de Sede, Gerard, Rennes-le-Château, Paris, 1988

Vits, Udo, Der Muezzin von Rennes le Château, Groß Gerau, 2004

Yadin, Yigael Die Tempelrolle. Die verborgene Thora vom Toten Meer, München, 1985

Zuckerman, Arthur, J., A Jewish princedom in feudal France, 768 – 900. New York, 1972

Anmerkungen und weiterführende Erklärungen zur vorgestellten Hypothese

Die Bundeslade in Äthiopien?

Manche Forscher, allen voran der Brite Graham Hancock, glauben, dass sich die Bundeslade bis heute in Äthiopien, in einer Kirche der Stadt Aksum, befindet. Wie soll dieser heilige Gegenstand dorthin gelangt sein?

Antwort findet man im Kebra Negast, dem äthiopischen Nationalepos, dessen amharischer Titel in freier Übersetzung „Vom Ruhm der Könige“ bedeutet. Demnach war die aus der Bibel bekannte Königin von Saba eine gebürtige Äthiopierin. Sie hieß Makeda, war schwarz, sehr schön und reich, und sie suchte nach Weisheit. Als sie vom Ruhme Salomos hörte, zog sie nach Jerusalem und fand bei dem israelitischen König, was sie begehrte: Weisheit. Darauf nahm sie den jüdischen Glauben an, doch nicht nur das: Sie erlag auch der trickreichen Verführung Salomos und kehrte schwanger nach Äthiopien heim. Dort gebar sie einen Knaben, den sie Menelik nannte. Als der herangewachsen war, reiste er nach Jerusalem, um seinen Vater kennenzulernen. Salomo, beglückt über seinen prachtvollen Sohn, beschwor ihn, bei ihm zu bleiben und König von Israel zu werden. Menelik lehnte ab. Er wollte nach Aksum zurückkehren, um dort zu herrschen. Salomo, der in seiner Weisheit nicht ohne Berechnung war, salbte ihn vor der Abreise nach jüdischen Ritual zum König von Äthiopien. Um seinen Einfluß in Äthiopien zu sichern, schickte Salomo die Söhne seiner höchsten Priester und Beamten mit Menelik an den Hof nach Aksum. Als engste Berater des Königs sollten sie für die Judaisierung des Reiches sorgen. Nun waren die jungen Leute in Jerusalem aber dem Dienst an der Bundeslade verpflichtet, die die göttlichen Gesetzestafeln enthielt. Da sie sich dieser heiligen Aufgabe nicht entziehen wollten, entführten sie die Gesetzeslade mit Hilfe eines Engels aus dem Tempel und brachten sie nach Aksum in Äthiopien, wo sie bis heute liegen soll. Menelik wurde König und Stammvater der äthiopischen Herrscher, deren salomonische Linie mit einer Unterbrechung bis zu Haile Selassie die Macht innehatte. Ein Mythos? Gewiß, aber doch weit mehr als das. Die Herkunft der äthiopischen Regenten vom Stamme Juda und der Königin von Saba war im Kaiserreich nicht nur durch deren Titel als offizielle Wahrheit beglaubigt. Haile Selassie hat sie auch in der 1955 erneuerten Staatsverfassung ausdrücklich verankert. Ihre Gültigkeit endete erst mit seinem Sturz. 

Im Bewußtsein der Christen, die in der äthiopischen Bevölkerung dominieren, ist diese Überlieferung allerdings bis heute lebendig. In ihren Vorstellungen, ihren Gottesdiensten, spielt die Bundeslade mit den mosaischen Gesetzestafeln nach wie vor eine zentrale Rolle. Glaubt man äthiopischen Priestern, so befindet sich das Original in der Kathedrale Maria Zion in Aksum. Nachprüfbar ist das freilich nicht, denn niemand außer einem ständigen Wächter darf das Heiligtum sehen. Es gibt jedoch in allen anderen Kirchen Äthiopiens Nachbildungen, die Tabots genannt werden: Tafeln. An hohen Festtagen, etwa am Timkat-Fest, werden diese Tabots in der Öffentlichkeit gezeigt. Allerdings sind die Gesetzestafeln mit kostbaren Tüchern aus Gold- und Silberbrokat verhüllt. Man sieht also nur die Umrisse der beiden Tafeln, die aus Holz oder aus Stein sein sollen. 

Dass das Timkat-Fest, das aus dem Alten Testament übernommen wurde und seit Salomo über dreitausend Jahre hin überliefert wurde, ist wenig wahrscheinlich. Wenn man die Daten und Fakten der Geschichte wie eine Folie über die Legende stülpt, so zeigt sich, daß es da schon zeitlich keinerlei Übereinstimmung gibt. Salomo regierte von 963 bis 925 v. Chr. Das äthiopische Reich Aksum wurde aber erst um die Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. gegründet. Die israelitische Bundeslade mit den von Moses beschrifteten Gesetzestafeln blieb in Jerusalem im Tempel, bis ihn die Babylonier 586 v. Chr. zerstörten. Aus dem historischen Hintergrund wird verständlich, wie und warum solche Legenden überhaupt entstanden sind. 

Für die Geschichte Äthiopiens war entscheidend, daß die Kultur des Kernlandes sich nicht auf afrikanischen, sondern auf südarabischen Fundamenten entwickelte, auf solchen des Reiches Saba also. Von dort kamen seit dem sechsten Jahrhundert v. Chr. Einwanderer über das Rote Meer, die sich als Bauern in Äthiopien niederließen. Aus der Vermischung der Sabäer mit einheimischen Afrikanern gingen die Amharen und Tigray hervor. Sie gründeten im ersten Jahrhundert n. Chr. das Reich Aksum und bekannten sich 300 Jahre später zum Christentum. Im zehnten Jahrhundert übernahmen dann jüdische Eroberer die Herrschaft. Da mußten sich die Christen an jüdische Glaubensvorstellungen und Rituale gewöhnen, ob sie das wollten oder nicht. Allerdings haben sie mit ihrer Kultur auch die Siegermacht unterwandert. Dadurch ergaben sich Überschneidungen zwischen beiden Glaubensgemeinschaften, die ihre dauerhaften Spuren hinterließen. 

Quelle:

Ekkehart Rudolph, Auf den Spuren der Bundeslade – Die Königin von Saba in Äthiopien – Eine Legende und ihr historischer Hintergrund, in www.epochtimes.de/articles/2007/09/12/165438.html 

Gotenschatz und die Tempelgeschirr in Byzanz:

Hier gilt es zu unterscheiden zwischen:

1. dem alten und heiligen Schatz der Westgoten, zu dem das Missorium und der Smaragdtisch gehören. Dieser Schatz ist gemäß meiner Hypothese bei Rennes le Chateau verborgen, möglicherweise als Bestandteil der bei den Forschungsarbeiten um September 2008 lokalisierten westgotischen Nekropole.

2. Dem Beutegut der Westgoten, zu dem nach der Plünderung Roms durch die Westgoten unter Alarich I., auch das Tempelgeschirr (wohlgemerkt, nur dieses, und NICHT die Bundeslade) gehörte. Die Bundeslade blieb in Jerusalem, und wurde höchstwahrscheinlich durch die Templer zwischen 1119 und 1128 geborgen, zunächst nach Troyes in der Champagne verbracht, und schließlich durch die guten Kontakte des Grafen von der Champagne zu der jüdischen Gemeinde (an seinem Hof existierte seit 1060 eine bekannte jüdische Rabbinerschule) an diese übergeben. Sie fand schließlich ihren Platz in dem neu erschaffenen unterirdischen Tempel („Salvaterra“) bei Perillos.

Das Tempelgeschirr hingegen kam auf anderen Wegen dahin:

Zitat S. 7 des Artikels:

In der Geschichte des Judentums von Heinrich Graetz heißt es zum weiteren Verbleib der Tempelgeräte:
Die Juden der byzantinischen Hauptstadt sahen mit Schmerz, wie die heiligen Gefäße des zerstörten Tempels, die von Gefangenschaft zu Gefangenschaft gewandert waren, durch den Feldherrn Belisar, den Eroberer des Vandalenreiches, aus Karthago, wo sie nahe an ein Jahrhundert lagen, nach Konstantinopel gebracht wurden (534). Neben dem Vandalenfürsten Gelimer, dem Enkel Genserichs, und den Schätzen dieses unglücklichen Königs, wurden auch die jüdischen Trophäen im Triumph aufgeführt. Ein Jude, der mit tiefem Kummer die lebendigen Denkmale von Judäas einstiger Größe in der Gewalt seiner Feinde sah, bemerkte gegen einen Höfling, es sei nicht ratsam, sie in dem kaiserlichen Palast niederzulegen, da sie Unglück bringen könnten. Wie sie Rom Unheil brachten, das durch Genserich geplündert worden war, so hätten sie auch über dessen Nachkommen Gelimer und seine Hauptstadt Mißgeschick heraufbeschworen. Es sei wohl richtiger, die heiligen Geräte dahin zu bringen, wo sie der König Salomo hatte anfertigen lassen, nach Jerusalem. Dem Juden mag eine schwache messianische Hoffnung geschmeichelt haben, daß, wenn erst die heiligen Gefäße wieder in Jerusalem eingezogen sein würden, auch die Zerstreuten des heiligen Landes dahin zurückgeführt werden würden. Sobald der Kaiser Justinian Nachricht von dieser Äußerung erhielt, fürchtete sich sein abergläubisches Gemüt vor den Folgen, und er ließ in aller Eile die Tempelgefäße nach Jerusalem bringen, wo sie in einer Kirche aufbewahrt worden sein sollen.“


Demzufolge plünderte zunächst Alarich I. Rom, später gelangte das Tempelgeschirr in die Hände des Vandalenfürsten Geserich, der Rom ebenfalls plünderte. Sein Enkel Gelimer bewahrte diese Geräte in der Vandalenhauptstadt in Nordafrika auf. Diese wurde durch Belisar, den Feldherrn Konstantinopels, erobert und ebenfalls geplündert. So gelangten das Tempelgeschirr nach Byzanz und dann auf Anraten des im Zitat genannten Juden wieder nach Jerusalem. Dort fanden dann die Templer zwischen 1119 und 1128 neben der Bundeslade auch das Tempelgeschirr, welches nach ihrer Rückkehr nach Frankreich ebenfalls in die Hände der jüdischen Gemeinde überging. 

Über Thomas Ritter 110 Artikel
Thomas Ritter, 1968 in Freital geboren, ist Autor und freier Mitarbeiter verschiedener grenzwissenschaftlicher und historischer Magazine. Thomas Ritter hat zahlreiche Bücher und Anthologien veröffentlicht. Außerdem veranstaltet er seit mehr als zwanzig Jahren Reisen auf den Spuren unserer Vorfahren zu rätselhaften Orten sowie zu den Mysterien unserer Zeit. Mit seiner Firma „Thomas Ritter Reiseservice“ hat er sich auf Kleingruppenreisen in Asien, dem Orient, Europa und Mittelamerika spezialisiert. Mehr Informationen auf: https://www.thomas-ritter-reisen.de Nach einer Ausbildung zum Stahlwerker im Edelstahlwerk Freital, der Erlangung der Hochschulreife und abgeleistetem Wehrdienst, studierte er Rechtswissenschaften und Geschichte an der TU Dresden von 1991 bis 1998. Seit 1990 unternimmt Thomas Ritter Studienreisen auf den Spuren früher Kulturen durch Europa und Asien.