Interview mit Philipp Freiherr von und zu Guttenberg

Nachhaltigkeit ist derzeit in allen Medien ein Schlagwort! Sie unterscheiden zwischen falscher Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeit, können Sie dies erklären?


Dieser vielzitierte Ansatz der Nachhaltigkeit ist nicht neu: Hans-Carl v. Carlowitz verwendete in einer Publikation aus dem Jahre 1713 den Begriff der „nachhaltigen Nutzung“ der Wälder nachweislich zum ersten Mal. Es bedeutet aus der Natur lernen und verantwortungsvoll mit Blick auf künftige Generationen zu wirtschaften. Nachhaltigkeit entstand und gilt bis heute als individuelles ökonomisches Modell im ländlichen Raum zur langfristigen Sicherung der Lebens- und Produktionsgrundlagen.
Wenn dieses Prinzip der Nachhaltigkeit, eingebettet in ein gesundes, nicht auf die schnelle Gewinnmitnahme ausgerichtetes Wertesystem, durch die Generationen weitergegeben wird in stetiger Obsorge für unsere Natur – auch als Produktions- und Lebensgrundlage – , profitieren einerseits die nachhaltig Wirtschafteten stetig von der Vorsorge Ihrer Vorväter, andererseits stehen sie selbst ihren Kindern und Kindeskindern gegenüber in der Pflicht. Das Fundament für dieses Handeln ist dabei zwingend Eigentum, Eigenverantwortlichkeit und ein freiheitlicher Handlungsrahmen, der tatsächlich die Obsorge für die nächste Generation ermöglicht. Alles, was diesen zwingenden Prinzipien widerspricht, ist meist nicht nachhaltig, sondern bedient sich dieses Etiketts. Das verstehe ich unter falscher Nachhaltigkeit.

Sie sprechen immer von „Wald als Waffe“, was haben wir darunter zu verstehen?


Viele Akteure versuchen die Bedeutungshoheit über den Wald und seine Nutzung zu erhalten. Oft stehen dahinter keine Sachinteressen, sondern ideologische Denkmuster, die den „Wald“ zu einem Schlachtfeld für politische Zwecke missbrauchen. Im Kampf um mediale Aufmerksamkeit sind Alarmismus und Polemik an der Tagesordnung. Der „Wald“ dient hier meist nur als Mittel zum Zweck. Das merkt man vor allem daran, wenn die Bereitschaft fehlt, sich mit den eigentlich Betroffenen – also den Waldbesitzern und Förstern – an einen Tisch zu setzen und einen Konsens zu finden, der für alle tragbar ist.
„Wald als Waffe“ hat jedoch auch noch eine andere – positive – Bedeutung. Denn gerade in Zeiten der Energiewende ist Wald eine echte Allzweckwaffe. Nachhaltig erwirtschaftetes Holz ist eine der intelligentesten Ressourcen, die wir haben.

Die Ressource Öl wird bald verbraucht sein. Welche Rolle könnte der Wald in der Zukunft bei der Ressourcenverteilung spielen?


In Deutschland entfallen derzeit rund 60 Prozent der Holzverwendung auf die stoffliche und rund 40 Prozent auf die energetische Nutzung. Damit ist Holz als Roh- und Werkstoff zwar unterrepräsentiert, spielt aber bereits jetzt eine große – in Zukunft noch größere – Rolle. Gerade bei der Substitution anderer Wertstoffe kommt Holz inzwischen eine wachsende Bedeutung zu. Die Anwendungspalette von Holz ist gigantisch und die zukünftigen Einsatzbereiche des Rohstoffes werden die heutigen in ihrer ökonomischen und ökologischen Wirkung noch um ein Vielfaches übertreffen.
Angefangen bei der stofflichen und thermischen Verwertung, aber auch in der Chemieindustrie und um Pharmabereich ist Holz als Ölsubstitut zunehmend gefragt. Für den Energiemix ist Holz insbesondere wegen seiner Grundlasttauglichkeit relevant. Es hat hervorragende Eigenschaften bei der stofflichen Verwertung. Auch in Erwartung weiter steigender Preise für fossile Energien (Heizöl, Erdgas) verzeichnet Holz einen spürbaren Verbrauchszuwachs. Von den verschiedenen erneuerbaren Energien wird die meiste Endenergie (Wärme, Strom) aus fester Biomasse (überwiegend aus Holz) gewonnen (rd. 39 %) mit deutlichem Abstand vor der Windkraft (rd. 17 %), Biokraftstoffe (rd. 16 %) und Wasserkraft (rd. 9 %).
Dazu ist Holz ein natürlicher Werkstoff, Kohlenstoffspeicher und Co2-neutraler, sowie nachwachsender Energieträger.


Warum ist Holz die effizienteste Lösung für das Klimaproblem?


Im Rahmen der Energiewende gewinnt der heimische Rohstoff Holz eine immer wichtigere Rolle als Teil einer „Green Economy“. Der Rohstoff Holz bietet im Vergleich zu seinen Mitbewerbern Vorteile und ein Potenzial, welches tatsächlich zur Effizienzsteigerung,zum Rohstoffwandel und zu einer nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung beitragen kann! Es gibt keine Technologie und keinen Rohstoff, der die Bereiche CO2 – Senke, – Speicher und –Substitution in dieser einzigartigen Weise verbinden kann. Und das vor unserer Haustüre:
Unser deutscher Wald bindet jährlich rund 110 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Durch die jährliche Produktion von Schnittholz werden knapp 20 Millionen Tonnen CO2 langfristig gespeichert und die kombinierte thermische und stoffliche Verwertung kommt auf einen jährlichen Substitutionseffekt von 128 Millionen Tonnen CO2. Diese Leistungsbilanz ist nicht zu übertreffen.

Weshalb wird bei der Rede von Erneuerbaren Energien immer nur Wasser, Wind und Sonne gesprochen, und das Thema Holz eher beiläufig behandelt?


Bei den erneuerbaren Energien redet ganz Deutschland von Wind, Wasser und Sonne. Rund 70% der erneuerbaren Energien stammt jedoch aus Biomasse. Davon rund die Hälfte aus fester Biomasse, also Holz. Warum diese Tatsache von der Politik beflissentlich übersehen wird, lässt Ursachen nur erahnen. Unser Problem ist wahrscheinlich, dass wir im Lobbychor der stimmgewaltigen 4 grossen Stromproduzenten und gut ausgestatteten Industrie nicht gehört werden.
Das muss und wird sich aber ändern.

Was haben wir unter Bioökonomie zu verstehen?


Die ökonomische Produktion und Denken auf Basis der Nachhaltigkeit unter Heranziehung nachhaltig nachwachsender Ressourcen. Da weltweit unsere Ressourcen bei einer stetig wachsenden Weltbevölkerung immer knapper werden, ist diese Art des nachhaltigen Wirtschaftens unerlässlich – und zwar weltweit.


Warum sind Nutzungsverzichte zugunsten der Biodiversität unmoralisch, Greenpeace argumentiert anders?


Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die Stilllegung von 5% unserer Wälder – eine Forderung aus der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung – bedeutet einen Verzicht von 3 bis 7 Mio Festmetern jährlich. Der Verzicht auf 5% bedeuten in Deutschland ganz konkret: wir schicken 45.000 Beschäftigte auf die Straße. Von Seiten des Naturschutzes wird das Leitbild und gesellschaftspolitische Ziel der multifunktionalen, nachhaltigen Forstwirtschaft immer stärker angezweifelt und zunehmend eine Trennung der Waldfunktionen gefordert.
Eine Abkehr von der Multifunktionalität, von der auf 3 Säulen ruhenden Nachhaltigkeit,hätte aber Folgen, die wir benennen müssen, denn hier geht es nicht nur um blinden Aktionismus zur Spendenakquise sog. Umweltverbände. Das ist geschäftstüchtig und legitim. Hier wird ein gesellschaftspolitisches Prinzip in Frage gestellt, dass -aus der Forstwirtschaft kommend- ein möglicher Pfad in eine erträgliche Zukunft wäre. Wir müssen all jene, die diese absurden Forderungen stellen,darauf hinweisen, dass es unverantwortlich, ja sogar unmoralisch ist, durch Nutzungsverzichte hier in Europa die Produktion in andere Gebiete unserer Erde zu verlagern, die nachweisbar nicht nachhaltig bewirtschaftet werden. Mit jedem Festmeter, auf den wir hier verzichten, wächst der Druck auf die Vernichtung der Primärwälder. Wenn ich heute in Deutschland auf 5 Millionen fm aus in luxusbegründeter Ideologie verzichten will, dann hole ich sie mir morgen aus Togo, Indonesien oder Brasilien. So erschreckend einfach ist es.


Was können die deutschen Waldbesitzer (2 Millionen an der Zahl, eine Lobby von mehr als vier Millionen Bundesbürgern), gehen den Klimawandel tun?


Der Wald ist beim Klimawandel Opfer und Retter zugleich. Keine andere Ressource, keine Technologie oder Rohstoff birgt soviel Potential und ist ebenso betroffen.
Die nachhaltige Bewirtschaftung unserer Wälder und die Bereitstellung des Klimajokers Holz ist bereits der beste Beitrag, den wir als Waldbesitzer gegen den Klimawandel leisten können. Doch auch für uns gilt, dass mit den sich veränderten Klimabedingungen das Risiko steigt, unsere Forstwirtschaft risikoreicher wird. Abgesicherte Klima-Anpassungsstrategien sind derzeit leider noch nicht verfügbar. Was wir benötigen sind klimaplastische, vitale Mischwälder, mit standortangepassten, marktorientierten Baumarten. Es geht hier letztlich auch um gröstmögliche Flexibilität in der Bewirtschaftung und Risikostreuung. Die ökologische Verantwortung und das ökonomische Risiko liegen nach wie vor beim Eigentümer.

Warum ist Eigentum ein Fundamt für die Nachhaltigkeit?


Das ist wohl der wichtigste Aspekt
Nachhaltiges Wirtschaften, das Denken in Generationen in einer freien demokratischen Gesellschaft braucht das Eigentum und die Freiheit als Fundament.
Eigentum ist weit mehr als Besitz, mehr als nur ein Recht.
Eigentum ist die ökonomische Grundlage individueller Freiheit, die sich in unserer Gesellschaft auch damit rechtfertigt, daß aus der Leistung des Eigentums Gemeinwohlleistungen erwachsen. Das darf man nie vergessen.

Ich darf an dieser Stelle aber auch darauf hinweisen, dass viele Menschen das längst verdrängt haben. Die Diskussionen um Erbschaftssteuer, Vermögensteuer, usw. zeugen täglich davon.
Merkwürdigerweise vergisst man dabei, dass Freiheit individuelle Selbstverantwortung ermöglicht und diese Mündigkeit einen kategorischen Imperativ fordert, dessen Maßstäbe sich verallgemeinern lassen und die unsere Gesellschaft stützen.

Mit anderen Worten: Die Freiheit Eigentum zu erwerben, zu halten und vor allem frei zu vererben, motiviert uns Waldbesitzer, Leistung, Engagement und einen nachhaltigen Lebensstil in unsere Gesellschaft zurück zu bringen.
Nachhaltigkeit zwingt uns aber auch zum täglichen Verzicht, zu einer gesellschafts- und schöpfungsbejahenden Lebens- und Betrachtungsweise.

Die Wende zur Nachhaltigkeit ist auch eine Rückbesinnung auf Werte, die in der momentanen Entwicklung leicht zu einer gesellschaftlichen Grundsatzdebatte führen könnte und müsste.
Nachhaltigkeit wird sich nicht in der Anonymität der Digital Natives umsetzen lassen. Die kollektive Flucht aus der Verantwortung und hinein in den Lebensraum freibeuterischer digitaler Lebensräume ist in meinen Augen eine Sackgasse.

Nachhaltiger Waldnutzen ist gelebter Generationenvertrag.
Unserem Wald kommen dabei mehr Aufgaben zu als bloßer Rekonvaleszenzraum einer fehlgeleiteten urbanen Schutztruppe.

Das hat sich er und unsere Gesellschaft nicht verdient!


Herzlichen Dank für das Gespräch, das Dr. Dr. Stefan Groß führte.

Ein besonderer Dank geht an Adelheid Hochreiter vom export-club Bayern Junioren.

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