Immer an der Wand lang – Die „Opera incognita“ gastierte mit „Aida“ im Münchner Ägyptischen Museum

Mit heroischer Gesangs-Geste als AIDA - die Sopranistin Kristin Ebner

„Aida ist der Versuch, das Antiquarische zum ästhetischen Prinzip zu erheben, … der Tagtraum eines Archäologen …“ Einer von unzähligen, leicht zu goutierenden Sätze von Jan Assmann, an dessen Aufsatz sich der Gründer des Ensembles „Opera Incognita“, der 40-jährige Straubinger Andreas Wiedermann, für eine seiner ungewöhnlichsten Inszenierungen hielt. Warum nicht in Sylvia Schoskes Museum ziehen und den dort leer stehenden Sonderausstellungssaal mit Publikum füllen, das einer Aufführung von Guiseppe Verdis „Oper für Kairo“ (dort uraufgeführt 1871) hautnah beiwohnen kann? Für Spielorte außerhalb der Norm ist Wiedermann mit seinem 13 solistisch agierende Musiker sicher lotsenden Dorfener Kapellmeister Ernst Bartmann – diesmal mit exotisch- tonal Selbstgestricktem dabei – längst bekannt.

Denkt man Aida, denkt man Nil – da wären auch die Wellen des Müller`schen Volksbades als Kulisse zur Wahl gestanden, wo Wiedermann schon mehrmals sein Ensemble agieren ließ. Assmanns  archäologischer Ansatz aber lässt sich am besten im Museum, mit der Vorführung von „Fundstücken“ – ganz uralter (wie ein Pharaonen-„Hut“), aber auch ganz gegenwärtiger (wie Verdis auf geglückte Kleinstbesetzung reduzierte Musik) – authentisch zeigen. Aufgemischt mit teils ernst gemeinten, teils ironisch verfremdenden Momenten (Garibaldi und Verdi in Lebensgröße mit Insider-Hinweis auf „Garibaldi“ als Weinlieferant), ließ Wiedermann zwei „Archäologinnen“ an Versuchstischen stumm zu Wort kommen. Ohne politische Bezüge – V.E.R.D.I als Kürzel für das Engagement im Risorgimento Italiens – kann`s aber nicht abgehen. Einige Lacher wirkten, bei aller theatralen Ernsthaftigkeit, geradezu erlösend. Mit den -zig an die Betonwand geschriebenen Zitaten von Einstein bis Bachmann kam man schlecht zurecht. Wiedermann wollte zu viel verbinden: Altägypten, Entstehungszeit, Heute.

Als Zuschauer war man in eine Sonder-Position gesetzt: Die Agierenden, Solist(inn)en wie der wieder ausgezeichnete Chor in Aylin Kaips Oberammergau-naher Kostümierung, mal als triumphierende äthiopische Gefangene, mal als kindliches Pharaonen-Gefolge, hatten die 30 Meter breite Hallen-Längswand, grauer Beton, reliefartig zu bespielen, immer an ihr lang. Das hob ägyptologisch Geschulte in selige Ägyptenreise-Zeiten mit Königsgräber-Atmosphäre (ohne das Klaustrophobische), das ließ aber auch die Sänger auf eigenartige Weise schauspielern. Kristin  Ebner  brachte ein Giga-Maß an künstlerischem Empfinden in die Tragik der Titelfigur und ihren fülligen  Sopran zum Dauerglühen. Die Regie hätte ihr die alt-opernhafte Gestik gehörig zurückschneiden müssen. Seiner Partnerin versuchte Anton Klotzner als Radamès stimmlich und darstellerisch das Wasser zu reichen. Der Amneris der Carolin Ritter fehlte nichts an gesanglicher Finesse, wohl aber an königlichem Hochmut. Der Kaltherzigen das Herz aus dem Leib zu schneiden war des archäologischen Sezierens zu viel. Schön schwarz der Bass von Robson Bueno Tavares (Ramphis), engagiert der Bariton des wieder intensiven Torsten Petsch (Amonasro), zu wenig Würde beim eher lächerlich gekleideten König, für den Herfinnur Arnjafjall zu jung ist. Lange nachwirken dürfte, auch beim  abgebrühtesten „Aida“-Kenner, die museal inspirierte Mumifizierung des Liebespaars. Dass zur Premiere das Programmheft fehlte, ist ein Regie(?)-Fehler. Es bringt, das sei Enttäuschten zum Trost gesagt, kaum Handfestes zur Eigenart der experimentellen Inszenierung.   

Weitere Aufführungen: 4., 6., 7., 11., 13., 14. 9., 19.30 Uhr, Zusatzvorstellung: 3. 9. um 20 Uhr. Tickets: Telefon 089 – 54 81 81 81 oder unter www.muenchenticket.de.                                                                                                          

Foto (Hans Gärtner)

Titelheldin Kristin Ebner mit heroischer Gesangs-Geste in der Museums-„Aida“ der Opera Incognita

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Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.