Eine verschneite Bank vor einem See, eine Struktur, in der sich Schatten brechen oder die Hinterbeine eines Hundes auf nassen Pflastersteinen: Das Zusammenspiel von Licht und Schatten, von Architektur und Natur stehen im Zentrum der Fotografie des Komponisten Pascal Dusapin.
Er sei ein Literat der Musik und gleichzeitig ein Künstler der Fotografie, sagt Intendant Markus Hinterhäuser bei der Eröffnung von Pascal Dusapins Ausstellung Accords Photographiques. „Es ist selten, dass ein Künstler ein zweites Metier so meisterhaft beherrscht“, sagt er. „Ich halte Pascal Dusapin für einen wesentlichen Komponisten unserer Zeit.“ So widmete er ihm eine eigene Reihe im diesjährigen Konzertprogramm. Aber auch die Fotografie des Komponisten interessierte ihn. So flog er im Herbst kurzerhand nach Paris und fand in Dusapins Studio alles vor, was ihn begeisterte: Musik, Literatur, Fotografie.
Die Fotografie sei ein Massenphänomen der heutigen Zeit. Jeder fotografiere ständig alles, was ihm vor die Linse komme. Das habe mit Kunst nichts zu tun. Bei der Fotografie gehe es um das Auge des Fotografen und um eine Form der Weltwahrnehmung. „Ich sehe in den Fotografien von Dusapin auch Elemente seiner Musik und Elemente seines Lehrers Iannis Xenakis“, sagt der Intendant.
Als Karin Rehn-Kaufmann, Art Director Leica Galleries international, von der Idee hörte, die analogen Fotografien des Komponisten in Salzburg zu zeigen, habe sie sofort zugesagt. Auch sie stattete Dusapin einen Besuch ab in seinem Atelier in Paris und habe gestaunt über die Partituren. Denn genau wie die Fotografien seien auch alle Partituren analog entstanden – „in einer unglaublichen Handschrift, mit Tusche gezeichnet“, sagt sie.
Beim Komponieren sei er in seiner eigenen Welt, sagt Pascal Dusapin. Die Fotografie sei dabei etwas, das ihn in die Realität zurückholen könne. „Fotografieren ist etwas sehr Natürliches für mich“, sagt er. Immer wenn er auf Reisen gehe, habe er die analoge Leica-Kamera dabei und nutze sie, „um etwas auszudrücken, was manchmal auch Musik nicht auszudrücken vermag.“ Eine Korrespondenz zwischen seiner Musik und den Fotos könne er selbst nicht feststellen. Aber die Herangehensweise sei eine Ähnliche. Der Fokus sei entscheidend. In der Fotografie könne er entscheiden, ob ein Element im Hintergrund oder im Vordergrund ins Zentrum gerückt werde. Ebenso in der Komposition könne er einzelne Instrumente hervorherben. In den Fotografien von Dusapin gehe es um Licht, um Natur, man wird nie Porträts von Menschen bei ihm sehen.
Die Ausstellung besteht aus zwei Teilen. Einen Teil kann man im Foyer Haus für Mozart und Felsenreitschule anschauen, den anderen Teil in der Leica-Galerie in Parsch. Alle ausgestellten Werke sind in einer limited-Edition auch käuflich zu erwerben.
Komponist Pascal Dusapin.
Intendant Markus Hinterhäuser, Art Director Leica Galleries international Karin Rehn-Kaufmann und Komponist Pascal Dusapin.
Kurzbiografie
1955 in Nancy, Frankreich, geboren, studierte Pascal Dusapin Kunst und Ästhetik in Paris. Gleichzeitig war er freier Student bei Olivier Messiaen, dem Wegbereiter der seriellen Musik, am Pariser Konservatorium, später auch bei Iannis Xenakis und Franco Donatoni. Er wurde für seine Kompositionen vielfach ausgezeichnet. Die Fotografie begleitet ihn von Kindesbeinen an. Wenn Dusapin nicht auf Konzertreisen ist, lebt er in Paris.
Diese Ausstellung entstand in einer Kooperation mit der Leica Galerie Salzburg. Dort können Besucher ergänzend zu den Fotografien im Foyer Haus für Mozart/Felsenreitschule weitere Werke der Ausstellung Accords Photographiques sehen.
Ausstellungen im Überblick
Foyer Haus Für Mozart, Felsenreitschule:
23. Juli bis 31. August 2019
Leica Galerie Salzburg:
26. Juli bis 12. Oktober 2019
www.leica-galerie salzburg.com / salzburg@leica-galerie.at
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 14:00 bis 18:00 Uhr
Samstag 10:00 bis 14:00 Uhr
Zur Reihe „Zeit mit Dusapin“
sponsored by Roche
Die Reihe „Zeit mit
Dusapin“ widmet sich umfassend dem Werk des französischen Komponisten.
Zum Wesen der Kunst gehört das Geheimnis. Zwar hatte
Pascal Dusapin,
geboren 1955 in Nancy, schon mit zehn Jahren die Orgel für sich
entdeckt. Aber erst mit 18 fasste er den Entschluss,
Komponist zu werden: Rückblickend erscheint es bezeichnend, dass
ausgerechnet Edgard Varèses Arcana (Geheimnisse) dies ausgelöst hat. Der
Avantgardepionier wurde, wie Dusapin selbst sagt, zu seinem
Cmusikalischen Großvater“ — und Iannis Xenakis, bei dem er
von 1974 bis 1978 studierte, sein „musikalischer Vater“, der in ihm
auch das Interesse für Architektur und Mathematik weckte. Bis heute
entstehen Dusapins kalligrafische Partituren mit der Präzision eines
Architekten: in Tinte und mit dem Lineal.
Er bezeichnet sich gern als „Autor von Musik“ — nicht zuletzt deshalb,
weil Lesen einen größeren Teil seines Lebens einnimmt als das gern
audiophil zelebrierte Musikhören und er mit der Hand schreibt, um „in
jedem Moment so nahe wie möglich dran zu sein“. Seine
Skepsis gegenüber Begriffen wie Inspiration oder Einfall — „Wir kommen
nicht durch Einfälle weiter, sondern durch Überzeugung und die
Notwendigkeit, etwas zu tun“ — scheint gut zu den rationalen Aspekten
der Xenakis-Schule zu passen.
Aber Dusapin liefert sich keinen mechanischen Kompositionsverfahren aus, integriert auch Einflüsse aus Volksmusik oder Jazz und schöpft seine Themen mit Vorliebe aus den Tiefen des Mythos, den immer wieder aufs Neue verhandelten Menschheitsthemen, wie etwa der Geschichte von Medea, die er als Medeamaterial nach Heiner Müller vertont hat. „Ich schreibe Musik, weil ich sie sonst vergesse“, sagt Dusapin — und kleidet das, was die Menschheit nicht vergessen kann, weil es von Geheimnissen umgeben ist, in heutige Klänge. Die Ausdruckskraft seiner Musik speist sich aus einer Lineatur, die stets vom Gesanglichen herkommt, aber dennoch explosive Spannung erzeugen kann: aus dichten polyphonen Texturen und einer via Mikrointervalle rätselhaft schimmernden Harmonik.
Camerata Salzburg · Chœur accentus · œnm · Equilbey
Sofia Gubaidulina
Sieben Worte für Violoncello, Bajan und Streicher
Pascal Dusapin
Granum sinapis. Acht Stücke auf Texte des Meister Eckhart
Umbrae mortis auf Texte aus dem Officium defunctorum
Dona Eis auf Texte aus dem Officium defunctorum und aus der Oper Roméo & Juliette
Clemens Hagen Violoncello
Stefan Hussong Bajan
Camerata Salzburg (Gubaidulina)
Choeur accentus
œnm österreichisches ensemble für neue musik
Laurence Equilbey Musikalische Leitung (Dusapin)
Do, 25. Juli, 20:30 Uhr, Kollegienkirche
Medeamaterial – Vocalconsort Berlin · Akademie für Alte Musik Berlin · Ollu
Konzertante Aufführung
Medeamaterial. Oper auf einen Text von Heiner Müller
Jennifer France Sopran
Vocalconsort Berlin
Tobias Walenciak Einstudierung
Akademie für Alte Musik Berlin
Franck Ollu Dirigent
So, 28. Juli, 20:30 Uhr, Kollegienkirche
Klangforum Wien · Cambreling
Iannis Xenakis
Kraanerg. Ballettmusik für Orchester und vierspuriges Tonband
Klangforum Wien
Sylvain Cambreling Dirigent
Mo, 29. Juli, 20:30 Uhr, Kollegienkirche
YCA Preisträgerkonzert · ORF Radio-Symphonieorchester Wien · Káli
Preisträgerkonzert des Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award 2018
Pascal Dusapin
Morning in Long Island. Konzert Nr. 1 für großes Orchester
Lieder eines fahrenden Gesellen
Antonín Dvořák
Symphonie Nr. 9 e-Moll op. 95 — „Aus der Neuen Welt“
Andrè Schuen Bariton
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Gábor Káli Dirigent
Sa, 3. August, 19:30 Uhr, Felsenreitschule
Klangforum Wien · Pomàrico
Pascal Dusapin
Attacca für zwei Trompeten und Pauke
Anton Webern
Symphonie für Klarinette, Bassklarinette, zwei Hörner, Harfe und Streichquartett op. 21
Pascal Dusapin
Ohé für Klarinette und Violoncello
Anton Webern
Quartett für Violine, Klarinette, Tenorsaxophon und Klavier op. 22
Pascal Dusapin
Cascando für acht Instrumentalisten
Pascal Dusapin
Jetzt genau! Concertino für Klavier und kleines Ensemble
Anton Webern
Sechs Stücke für Orchester op. 6
(Fassung für Kammerorchester)
Pascal Dusapin
Coda für 13 Instrumentalisten
Klangforum Wien
Olivier Vivarès Klarinette
Andreas Lindenbaum Violoncello
Florian Müller Klavier
Emilio Pomàrico Dirigent
Di, 6. August, 18 Uhr, Stiftung Mozarteum — Großer Saal
Liederabend Nigl · Pashchenko
Pascal Dusapin
O Mensch! 23 Lieder und vier Zwischenspiele für Bariton und Klavier nach Gedichten von Friedrich Nietzsche
Georg Nigl Bariton
Olga Pashchenko Klavier
Di, 6. August, 21:30 Uhr, Stiftung Mozarteum — Großer Saal