Das Werkzeug der Erlösung

Am 28. Oktober dieses Jahres jährt es sich zum siebzehnhundertsten Mal, dass das Kreuz in die Geschichte Europas eingetreten ist. Es war ein Heide, der es für sich entdeckte und es an die Schilder seiner Soldaten anbringen ließ. Es war der spätere Alleinherrscher Konstantin. Seither ist das Kreuz aus der Geschichte des Abendlandes nicht mehr wegzudenken. Schließlich hat es den Erdkreis erobert. Wo auch immer Christen hinkamen, brachten sie das Kreuz als ihr Heilszeichen mit.
Über das Unheil unter dem Kreuz müssen wir deshalb heute einmal nicht reden. Auch fremdschämen nützt nichts, wenn viele unserer Kollegen auch in diesem Jahr wieder an all das Unheilige erinnern, bei dem der Herr vom Kreuz hilflos zuschauen musste. Das muss sein, es ist auch „politisch korrekt“, aber natürlich nicht die ganze Wahrheit, wie groß die Schande auch immer ist. Die ganz große Wahrheit bleibt die, dass an jenem Holzkreuz in Jerusalem das gewaltigste und erschütterndste Opfer stattgefunden hat, das man sich überhaupt vorstellen kann. Gott selbst gab sein Leben hin, um die Herrschaft des Todes zu brechen. Den Heiden eine Torheit, den Juden ein Ärgernis. Aber für die ganze Menschheit ein Riesenakt der Befreiung.
Wir dürfen die Einsicht nicht verabschieden, dass die Geschichte der Menschheit stets auch Heilsgeschichte ist, weil Gott in diese Welt eingetreten ist und ihren Lauf verändert hat. Das Kreuz darf nicht auf ein religiöses Symbol verkürzt werden, das für ganz bestimmte Werte steht, nicht aber für eine Tat, die wie keine andere die Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen offenbart. Genau das aber ist die Botschaft, die man mit der Säkularisierung und Banalisierung des Kreuzes unterschlägt. Das Kreuz hingegen ist unsere „spes unica“, unsere einzige Hoffnung. Es ist wie nichts anderes geeignet, den nach Hoffnung, Sinn und Angenommen-Sein suchenden Menschen mit Freude zu erfüllen. Christen dürfen, nein, müssen auf das Kreuz stolz sein. Nicht auf alles, was im Namen des Kreuzes geschehen ist, aber auf das, was zuerst an ihm geschah, als der Sohn Gottes am Kreuz seinen Geist aushauchte.
Darum soll das Jubiläumsjahr des Kreuzes, das – ebenfalls im Oktober – den Beginn eines „Jahrs des Glaubens“ bringen wird, ein Jahr gläubiger Zuversicht sein, gerade in einer Zeit, in der man viel über Krisen spricht. Im Kern hat Jesus Christus am Kreuz diese Krisen alle schon überwunden. Der Seele und ihrem ewigen Heil können sie seitdem nicht mehr wirklich gefährlich werden.
Diese Freude, diese Zuversicht und dieser heilige Optimismus sollten die Grundmelodie sein, wenn sich die Kirche in Deutschland mit ihrer Zukunft, mit einem „Aufbruch“ in rauere Zeiten auseinandersetzt. Das ist der Weg, wie das Geheimnis des Kreuzes, an dem Christus die Sünden der Menschen auf sich genommen hat, wieder aufleuchten kann.
Papst Benedikt hat das in Freiburg in seiner Konzerthaus-Ansprache so ausgedrückt: „Wir haben Gott nichts zu geben, wir haben ihm nur unsere Sünde hinzuhalten. Und er nimmt sie an und macht sie sich zu eigen, gibt uns dafür sich selbst und seine Herrlichkeit. Ein wahrhaft ungleicher Tausch, der sich im Leben und Leiden Christi vollzieht. Er wird Sünder, nimmt die Sünde auf sich, das Unsrige nimmt er an und gibt uns das Seinige… Die Kirche verdankt sich ganz diesem ungleichen Tausch. Sie hat nichts aus Eigenem gegenüber dem, der sie gestiftet hat, so dass sie sagen könnte: Dies haben wir großartig gemacht! Ihr Sinn besteht darin, Werkzeug der Erlösung zu sein, sich von Gott her mit seinem Wort durchdringen zu lassen und die Welt in die Einheit der Liebe mit Gott hineinzutragen.“ Mit dem Kreuz zeigt die Kirche, dass sie Werkzeug der Erlösung ist. Das ist mehr als „politisch korrekt“. Das ist ihre und unsere wirklich befreiende Botschaft.
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Über Horst Guido 35 Artikel
Guido Horst wurde 1955 in Köln geboren. Nach dem Studiun der Geschichte und Politologie arbeitete er für die katholische Presse als Journalist. Im Jahr 1998 übernahm Horst die Leitung der katholischen Zeitung Die Tagespost mit Sitz in Würzburg; 2006 gab er den Posten des Chefredakteurs ab und ging wieder nach Rom. Er wurde abermals Rom-Korrespondent der Tagespost und Chefredakteur der zusammen mit Paul Badde konzipierten Zeitschrift "Vatican-magazin".

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