Justiz übernimmt Österreich Übergangsregierung in Wien gebildet

Das Bild zeigt Ludwig Adamovich junior (ganz rechts) mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer (links vorne) und Kurt Waldheim (ganz links, im Hintergrund) und den neuen Justizminister Clemens Jabloner (damals Präsident Verwaltungsgerichtshof, im Hintergrund Mitte). Foto: Gindl

Machtübernahme in Österreich. Eine Gruppe aus der Justiz besetzt alle zentralen Positionen. Angeleitet von einer Eminenz in der Präsidentschaftskanzlei.

Nochmals wurde in Österreich deutlich gemacht, dass die Justiz den Staat dirigieren will. Als neue Bundeskanzlerin wurde Brigitte Bierlein bestellt, die zuvor als Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes tätig war. Die Ernennung erfolgte am 30. Mai.

Die Entscheidung dafür wurde in der Präsidentschaftskanzlei getroffen, wo Ludwig Adamovich als Berater wirkt. Adamovich war Präsident des Verfassungsgerichtshofes von 1984 bis 2002. Sein Vater nahm in der Epoche des Austrofaschismus eine Schlüsselrolle ein und wurde 1938 im Schuschnigg-Regime zum Justizminister ernannt. Zu Ludwig Adamovich erschien auf Tabula Rasa der Beitrag:
Österreichische Präsidentschaftskanzlei deckt Enteignungen
(Tabula Rasa Magazin, 19. 3. 2019)

Justiz an der Macht

Schon bei der letzten Ernennung des Innenministers war erkennbar, dass die Justiz die zentralen Positionen im Staat besetzen will. Als Innenminister bestellt wurde Eckart Ratz, ein früherer Präsident des Obersten Gerichtshofes. Ratz war ebenfalls eine Wahl der Präsidentschaftskanzlei, die am 22. März erfolgte.

Damit kamen Justizministerium und Innenministerium wieder unter die Kontrolle einer einzigen politischen Kraft. Vor der Regierungsbildung im Dezember 2017 war eine solche Machtkonzentration in Österreich mit Innenminister Sobotka und Justizminister Brandstetter bereits verwirklicht gewesen. Dann konnte die FPÖ mit Herbert Kickl das Innenministerium übernehmen. Danach wurde Sobotka als Nationalratspräsident eingesetzt.

Eine weitere Maßnahme zur Konzentration der Macht in der Hand des Justizapparates erfolgte bereits bei Bildung der Regierung im Dezember 2017. Der Verfassungsdienst wurde vom Bundeskanzleramt abgezogen, wo er zuvor eingerichtet war, und im Justizministerium eingegliedert. 

Elitärer Zirkel

Als Ergänzung zu Brigitte Bierlein wurde jetzt als neuer Justizminister und Vizekanzler auch noch Clemens Jabloner im Präsidentenpalais angelobt. Jabloner stammt ebenfalls aus dem elitären Zirkel von Adamovich. Jabloner war Präsident des Verwaltungsgerichtshofes von 1993 bis 2013.

Diese Übernahme aller Schlüsselpositionen in Österreich geschieht zu einem Zeitpunkt, da es deutliche Malversation im Justizapparat gibt, mit eklatantem Amtsmissbrauch, schwerer Korruption, willkürlich durchgeführten Enteignungen und unbegründbaren Haftstrafen.

Die vollzogene Machtübernahme kann deshalb nur noch in einer Weise erklärt werden: Als schamloser Putschversuch einer Justiz-Clique. Vorbereitet mit Planspielen seit Jahrzehnten.


Jabloner und die Enteignung

Clemens Jabloner wurde im Februar 2015 im Rahmen einer Recherche um eine Beurteilung ersucht. Es ging um den begründeten Verdacht, dass es in hunderten Fällen zu willkürlichen Enteignungen durch Sachwalter gekommen sei. Jabloner schreibt in seiner Antwort:

„damit bin ich nie in Berührung gekommen und habe von meiner Position als Univ.lehrer auch keine Möglichkeit dazu. Wenn Sie einen „Missstand in der Verwaltung“ vermuten, würde ich Ihnen raten, die Volksanwaltschaft zu befassen“.
(Clemens Jabloner, Email vom 12. 2. 2015)Jabloner bezeichnete sich hier als „Universitätslehrer“. Er ist allerdings Universitätsprofessor und Inhaber des Hans-Kelsen-Lehrstuhls am Institut für Rechtsphilosophie der Universität Wien. Von der Bedeutung in Wien vergleichbar mit dem Rudolf-Bahro-Lehrstuhl an der Humboldt-Universität in Berlin. In den Möglichkeiten der Universitätshierarchie ein riesiger Unterschied zu einem einfachen Universitätslehrer. Jabloner entschied sich bei dieser Anfrage über Enteignungen für ein Understatement.

Dabei war Jabloner auch Vorsitzender der Historikerkommission, die eingesetzt wurde, um Enteignungen zu dokumentieren, die während der Epoche des Nationalsozialismus in Österreich sich ereigneten. Die Historikerkommission hatte den Auftrag:
Den gesamten Komplex Vermögensentzug auf dem Gebiet der Republik Österreich während der NS-Zeit sowie Rückstellungen bzw. Entschädigungen (…) der Republik Österreich ab 1945 zu erforschen und darüber zu berichten.“
Seine Position als früherer Präsident des Verwaltungsgerichtshofes erwähnte Jabloner in diesem Schreiben ebenfalls nicht. Vor dieser Aufgabe war Jabloner noch Leiter der Sektion „Zentrale Personalverwaltung“ im Bundeskanzleramt.


Justizminister wird konfrontiert

Jedenfalls wird Jabloner in seiner neuen Funktion als Justizminister mit den willkürlichen Enteignungen durch eine entwickelte Methode von Sachwalterschaft „in Berührung kommen“ und mit solchen Anfragen nochmals konfrontiert werden.

Man muss fordern, dass der neue Justizminister nicht von vorgesetzten Stellen, die im Präsidentenpalais eingerichtet wurden, die Aufgabe übertragen erhält, dringend erforderliche Maßnahmen zu blockieren, mit denen diese Verletzungen des Eigentumsrechts aufgeklärt und endgültig beendet werden.


Ausschaltung des Parlaments

Das österreichische Trauma aus den 30er Jahren ist heute offenbar kaum noch im öffentlichen Bewusstsein. Kanzler Dollfuß exekutierte damals die Ausschaltung des Parlaments und übernahm mit seiner Gruppe die alleinige Macht im Staat.

Die österreichischen Zeithistoriker mahnten in den vergangenen Jahrzehnten, dass man die Gefahr beachten müsse, es könne nochmals ein Kanzler das Parlament ausschalten. Doch das Gedächtnis an Dollfuß wurde auch festlich zelebriert. Von einer Gruppe um den ehemaligen Nationalratspräsidenten Andreas Khol. Gedenkfeiern für Dollfuß wurden regelmäßig arrangiert.

Es erschien aber nicht einfach, dass ein Kanzler nochmals die Ausschaltung der parlamentarischen Demokratie in Österreich inszenieren könnte. Ludwig Adamovich sollte deshalb eine andere Idee entwickelt haben. Die Ausschaltung der parlamentarischen Demokratie muss in der Präsidentschaftskanzlei betrieben werden, damit sie nicht vorzeitig erkannt und abgesichert durchgeführt werden kann. Mit dem offensichtlichen Ziel einen totalitären Staat zu errichten, der durch eine Clique aus der Justiz geführt wird.

Zur letzten Präsidentschaftswahl wurden dafür auch Andreas Khol und Irmgard Griss, eine ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, als Kandidaten aufgestellt. Allerdings fanden diese nicht die Zustimmung der Wähler, Andreas Khol erreichte nur 11 Prozent und Irmgard Griss nur rund 19 Prozent der Stimmen.

Eminenz im Hintergrund

Doch letztlich blieb es für Adamovich und seine Gruppe unbedeutend, wer Präsident in Österreich ist. Die Reden, die der Präsidenten hält, werden bemerkbar von Beratern im Hintergrund geschrieben, die von einem Dollfuß-Stil geprägt sind.

In der Rede von Bundespräsident Alexander van der Bellen, mit der er die Entlassung von Innenminister Kickl aus der Regierung erklärte, konnte man den Tonfall von Adamovich deutlich erkennen, der Eminanz im Hintergrund:

„wir betreten in diesen Tagen Neuland.
In dieser Form ist das, was zuletzt in Österreich passiert ist, noch nicht dagewesen.
Es sind Tage, die manchen als unübersichtlich erscheinen mögen. Aber es gibt keinen Grund, besorgt zu sein.
Denn gerade in Zeiten wie diesen, zeigt sich die Eleganz, ja die Schönheit unserer österreichischen Bundesverfassung.
Jeder Schritt, der jetzt getan wird, ist vorgesehen und in der Verfassung verankert“.
(Alexander van der Bellen: „Jeder Schritt, der jetzt getan wird, ist in der Verfassung verankert“. Rede, 21. 5. 2019:www.bundespraesident.at/aktuelles/detail/news/gespraech-mit-bundeskanzler-sebastian-kurz).


Elegante Verfassung

Das ist erkennbar nicht die geläufige Diktion von Alexander van der Bellen. Auch bei der Enthebung von Bundeskanzler Kurz betonte der österreichische Bundespräsident plakativ die Übereinstimmung mit der Verfassung:

„Und was mich dabei beruhigt:
Wir haben unsere elegante österreichische Bundesverfassung, 
die uns durch diese Tage leitet.“
(Alexander van der Bellen: „Auf die Bundesverfassung ist Verlass“, 27. 5. 2019:
https://www.bundespraesident.at/aktuelles/detail/news/statement-zur-bildung-einer-uebergangsregierung/).

Weshalb muss der österreichische Bundespräsident und sein Berater so übertrieben betonen, dass die österreichische Bundesverfassung durch ihre Taten nicht verletzt wird? Und was versteht Adamovich unter einer „eleganten Bundesverfassung“? Was muss betrieben werden, damit die Grundrechte das Attribut „elegant“ erhalten?

Die Apologeten und Proselyten von Dollfuß führten fraglos jahrzehntelang Planspiele durch, auf welche Weise nochmals die parlamentarische Demokratie ausgeschaltet werden kann. Mit einem Sitz im Kanzleramt kann dies nur noch schwer betrieben werden. Adamovich fand die Lösung. Die „elegantere“ Wahl dafür ist die Präsidentschaftskanzlei.

Notstandsverordnung erforscht

Die Übernahme des Staates durch eine austrofaschistische Gruppe dürfte langfristig angelegt sein. Die jetzige Installierung der Richterkanzlerin ist ein erster Probelauf.

Allerdings wurde schon 2016 vom Bundesministerium für Inneres eine Studie in Auftrag gegeben, die erläutern sollte, mit welcher Begründung eine Notstandgesetzgebung durch das Notverordnungsrecht des Bundespräsidenten durchgeführt werden kann. Sobotka war als Innenminister dafür verantwortlich.
Es wurden mit der Studie die Argumente erforscht, mit denen die ordentliche Verfassung in Österreich reduziert oder ausgeschaltet werden kann. (Austrian Center for Law Enforcement Sciences: Resilienz des Rechts in Krisenzeiten. Im Auftrag des Bundesministeriums für Inneres. Wien, 2016).

Eine Empfehlung der Studie ist die Angleichung bestehender Regelungen des Bundes-Verfassungsgesetzes, etwa die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts bei Beschwerden gegen Verwaltungsakte des Krisenkabinetts. Die Studie wurde erstmals im Mai 2017 bei der Frühjahrstagung der Österreichischen Juristenkommission präsentiert.


Enteignungen und Exil


Massenweise Enteignungen wurden vom Justizapparat schon vor Jahren eingeleitet. Unter den willkürlichen Enteignungen finden sich auch Fälle, die finanziell motiviert sind. Es ist die Frage berechtigt: Sollen diese Enteignungen durch eine Notstandsverordnung legitimiert werden?

Durch die relativ hohe Zahl an Enteignungen sind die politisch motivierten Fälle, die ebenfalls vorhanden sind, etwas versteckt und nicht sogleich erkennbar. Durch solche Vermögensübernahmen sollen letztlich Kritiker des Adamovich-Regimes ausgeschaltet werden. Sie können nur noch in das Exil ins Ausland gehen.

Als dringende Aufgabe muss gesichert werden, dass der neue Justizminister in Österreich die nötige Souveränität für die Ausübung seines Amtes erhält. Damit Amtsmissbrauch und Korruption im österreichischen Justizapparat beendet werden und das Eigentumsrecht in Österreich wieder den nötigen und vorgesehenen Schutz erhält.

Dies muss geschehen, auch wenn Adamovich in einem Interview ein Ritual bestätigte. Adamovich leitet seine Sitzungen, so wird berichtet, bevorzugt mit den Worten ein: „Fanget an, der Meister wartet“.


Dokumentation:


Antwortschreiben von Clemens Jabloner (12. 2. 2015):

From „Clemens Jabloner“
To „Johannes Schuetz“
Subject Re: Recherche für Publikation
Date   Feb 12, 2015 04:16 PST


Sehr geehrter Herr Mag. Schütz,

leider kann ich ich Ihnen in der Angelegenheit „Sachwalterschaft“ nicht
weiterhelfen, damit bin ich nie in Berührung gekommen und habe von meiner
Position als Univ.lehrer auch keine Möglichkeit dazu. Wenn Sie einen
„Missstand in der Verwaltung“ vermuten, würde ich Ihnen raten, die
Volksanwaltschaft zu befassen.

Mit besten Grüßen,
Clemens Jabloner



Links:

Österreichische Präsidentschaftskanzlei deckt Enteignungen
(Tabula Rasa Magazin, 19. 3. 2019)

Abschied vom Rechtsstaat: Österreichische Volksanwaltschaft legte Jahresbericht für 2018 vor
(Tabula Rasa Magazin, 1. 5. 2019)

Grundrechte in der Europäischen Union werden verletzt: Der Fall Österreich
(The European, 6. 6. 2017)

Foto:

Das Bild zeigt Ludwig Adamovich junior (ganz rechts) mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer (links vorne) und Kurt Waldheim (ganz links, im Hintergrund) und den neuen Justizminister Clemens Jabloner (damals Präsident Verwaltungsgerichtshof, im Hintergrund Mitte).
Foto: Gindl

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Über Johannes Schütz 107 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel