Einblick in ein österreichisches Amt. Für die Recherche zum österreichischen Justizskandal waren Stellungnahmen gefragt. Eine Mitarbeiterin der Volksanwaltschaft sollte Antworten vermitteln. Danach ging sie ab.
Debora Mula ist nicht mehr für die österreichische Volksanwaltschaft
tätig. Im Organigramm vom 18. Oktober 2018
war Debora Mula als Assistentin in der Geschäftsbereichsleitung des
Volksanwaltes Kräuter eingetragen.
Im aktuellen Organigramm der Volksanwaltschaft vom 11. April ist die Stelle der
Assistentin des Volksanwaltes Kräuter nicht mehr besetzt:
https://volksanwaltschaft.gv.at/downloads/1s7gf/Organigramm_11.04.2019.pdf
Mula wurde als Assistentin im Organigramm zwischen der Geschäftsbereichsleiterin
Dr. Adelheid Pacher und dem Sekretariat geführt. Da sieht man jetzt einen leeren Fleck. Während
im Geschäftsbereich der Volksanwältin Brinek und des Volksanwaltes Fichtenbauer
an derselben Stelle weiterhin eine Assistenz eingetragen ist. Abgesehen vom
Abgang von Debora Mula blieb das Organigramm der Volksanwaltschaft unverändert.
Zuvor gute Korrespondenz
Vor ihrem Abgang übersendete Debora Mula noch eine Antwort der
Volksanwaltschaft. Es ging dabei um die Fragen im Aschermittwochbrief:
Brief am Aschermittwoch (Tabula Rasa
Magazin, 6. 3. 2019)
Volksanwalt Günther Kräuter sollte eine Stellungnahme abgeben, zu willkürlichen
Enteignungen in Österreich, die durch Amtsmissbrauch in der Justiz ermöglicht
werden. Kräuter sollte Auskunft geben, ob er als Volksanwalt mit dem Ressort Soziales
für Überbrückungsgelder sorgen könne, die Betroffenen zur Verfügung gestellt
werden, bis zu einer möglichst raschen Klärung des Vorfalls.
Die Übersendung des Schreibens dürfte eine der letzten Aktionen von Debora Mula bei der österreichischen
Volksanwaltschaft gewesen sein. Meine Recherche zum Verbleib von Debora Mula
wurde von Agnieszka Kern, der Pressesprecherin der Volksanwaltschaft
beantwortet:
„danke für
Ihre Anfrage. Frau Mula ist leider nicht mehr für die Volksanwaltschaft tätig.
Sie wäre in diesem Fall aber auch nicht die richtige Ansprechperson. Da es sich
bei diesen Fällen um Beschwerden zu Sachwalterschaften/Justiz handelt, ist laut
Geschäftsverteilung der Volksanwaltschaft das Büro von Volksanwältin Dr. Brinek
dafür zuständig“.
(Agnieszka Kern,
Pressesprecherin der Volksanwaltschaft, Email vom 18. 4. 2019)
Über die weitere Entwicklung wurden vorerst keine Informationen gegeben. Der
aktuelle Aufenthaltsort von Debora Mula ist mir nicht bekannt.
Erwachsenenschutz
für Kräuter
Es war zuvor auch nicht einfach, eine Stellungnahme von Volksanwalt Kräuter
zu bekommen. Debora Mula setzte sich
dafür vorbildlich ein. Sie übermittelte schließlich eine ausführliche Antwort.
Kräuter wurde für den Aschermittwochbrief am 7. März und am 13. März
um eine Stellungnahme angefragt. Er wurde dabei auch auf die Veröffentlichung
der Anfrage auf Tabula Rasa aufmerksam gemacht, mit einem Link zum Beitrag.
Eine erste Antwort erhielt ich am 15. März, die gezeichnet wurde von Ministerialrat
Mag. Markus Huber, dem stellvertretenden Leiter des Geschäftsbereichs, der im
Organigramm auch als Prüfreferent der Volksanwaltschaft genannt wird.
In seinem Schreiben ging Ministerialrat Huber allerdings nicht auf die gestellten Fragen ein. Er erklärte vielmehr nur, in sehr allgemeiner Weise, die Aufgaben der Volksanwaltschaft. Demnach wäre die Volksanwaltschaft „nicht befugt die Entscheidungen der unabhängigen Gerichte zu überprüfen“.
Weiters erklärte Ministerialrat Huber, wie es inzwischen gerne gemacht
wird, dass es sich bei der angesprochenen Problematik um „Erwachsenenvertretung“ im Sinne des „Erwachsenenschutzgesetzes“ handle, das im Juli 2018 in Kraft trat. Schließlich erklärte Ministerialrat Huber,
dass für den Bereich der Justizverwaltung Volksanwältin Brinek zuständig sei.
(Ministerialrat Mag. Markus Huber, Schreiben vom 15. 3. 2019)
Demnach ist es Erwachsenenschutz für Volksanwalt Kräuter.
Grundrecht auf
Gesundheit und Familie
Es stimmt, dass Volksanwältin Brinek für das Ressort Justiz zuständig ist.
Doch sind bei den Problemen mit der Enteignung durch eine entwickelte Methode
von Sachwalterschaft seit Jahren auch die Grundrechte in weiteren Bereichen
betroffen. Für diese Bereiche ist
jedenfalls Volksanwalt Kräuter zuständig: Soziales, Gesundheit und Familie.
Dabei geht es nicht nur um die Überbrückungsgelder, die zur Verfügung gestellt
werden müssen, wenn alle Vermögenswerte überfallsartig geplündert werden,
sondern auch um die Verletzung von Grundrechten im Bereich der Familie.
Eine persönliche Stellungnahme von Volksanwalt Kräuter, der die politische Verantwortung für sein Ressort trägt, musste deshalb als unverzichtbar angesehen werden.
Ich kontaktierte dafür am 16. März die Pressesprecherin der Volksanwaltschaft:
„Ich sendete
Herrn Volksanwalt Dr. Kräuter bereits die Anfrage. Es erfolgte eine Antwort
durch Prüfreferenten Mag. Markus Huber. Für den Endbericht benötige ich ein Statement von
Volksanwalt Dr. Kräuter persönlich“.
(Johannes Schütz, Email vom 16. 3. 2019)
Volksanwalt ohne Befugnisse
In der Folge übersendete Frau Mula ein solches Statement
von Volksanwalt Kräuter. Die kurz
gehaltene Antwort von Volksanwalt Kräuter erfolgte am 18. März:
nachstehend finden Sie das Statement von Volksanwalt Dr. Günther
Kräuter:
„Als Volksanwalt bin ich nicht befugt, Gesetzesanträge im Parlament
einzubringen. Die Volksanwaltschaft hat die Möglichkeit, Missstände in
der Verwaltung dem Parlament zu berichten und Empfehlungen zu
erstatten. Ich bin jederzeit bereit, konkrete Fälle zu prüfen.“
(Debora Mula,
Email vom 18. 3. 2019: Mit Antwort von Volksanwalt Günther Kräuter)
Tatsächlich wurde in der Anfrage nicht angenommen, dass Volksanwalt Kräuter
einen Gesetzesantrag im Parlament einbringen könnte. Es wurde aber erhofft,
dass er die wichtige Empfehlung abgibt, dass Überbrückungsgelder für Betroffene
dringend erforderlich seien.
Da die Antwort von Volksanwalt Kräuter nicht ausreichend war, schrieb ich Frau
Mula am 19. März nochmals, um die Klärung von zwei Fragen zu erzielen:
„Dazu
noch folgende Fragen:
Volksanwalt Kräuter schreibt:
„Ich bin jederzeit bereit, konkrete Fälle
zu prüfen.“
Frage dazu:
Wie würde das weitere Vorgehen von Volksanwalt
Dr. Kräuter vorgesehen sein?
Welche Schritte kann er in der Folge setzen?
Ich könnte Dr. Kräuter 2 oder 3 Fälle vorlegen,
wenn er damit einverstanden ist.
Weitere Frage:
Wenn bei einem der Fälle festgestellt wird, dass
der Betroffene von seinen finanziellen Ressourcen abgeschnitten wurde, welche
Möglichkeiten würde es geben, für Überbrückungsgelder zu sorgen, bis der Fall
aufgeklärt ist?“
(Johannes Schütz, Email vom 19. 3. 2019)
Unkommentierter Amtsmissbrauch
Frau Mula brachte nun ausführliche Antworten. Demnach kann die Volksanwaltschaft mit einem
Prüfverfahren durchaus ein Fehlverhalten in der Verwaltung in die Kritik
nehmen:
„Ergibt das
Prüfverfahren einen Missstand in der Verwaltung, dann wird dieser vom Kollegium
der Volksanwaltschaft ausdrücklich festgestellt. In diesem Fall wendet sich die
Volksanwaltschaft mit einer konkreten Handlungsempfehlung an die betroffene
Behörde. Die Behörde hat acht Wochen Zeit, diese Empfehlung umzusetzen oder zu
argumentieren, warum sie der Auffassung der Volksanwaltschaft nicht folgt. Wenn
die Behörde nach Einschreiten der Volksanwaltschaft ihren Fehler umgehend
korrigiert, wird das Prüfverfahren eingestellt“.
Insgesamt blieb aber auch diese Antwort enttäuschend.
Überbrückungsgelder wird es demnach nicht geben. Vielmehr wird sogar vermieden,
das Wort „Überbrückungsgelder“ im Antwortschreiben auch nur auszusprechen. Es wird die übliche Aussage vorgebracht:
„Die Volksanwaltschaft ist aber nicht
befugt, die Entscheidungen der unabhängigen Gerichte zu überprüfen. (…) Ihre
Urteile und Beschlüsse sind von der Volksanwaltschaft unkommentiert zur Kenntnis
zu nehmen“.
(Debora Mula, Email vom 20. 3. 2019)
Damit wurde wieder erklärt, dass die Volksanwaltschaft bei Amtsmissbrauch und Korruption von Gerichten und Justizbehörden keinen Kommentar abgeben darf. Die Volksanwaltschaft müsse „unkommentiert zur Kenntnis nehmen“.
Aktueller Stand
Da ich für die Berichte auch untersuchen wollte, ob ein Fortschritt bei
Fällen erzielt wurde, die in den Jahresberichten der Volksanwaltschaft kurz
erwähnt wurden, schrieb ich am 8. April nochmals an Frau Mula. Ich hatte den
Eindruck gewonnen, dass Debora Mula am ehesten in der Volksanwaltschaft
befähigt war, diese Aufgabe zu bewältigen:
„Können Sie
mir Information geben über den aktuellen Stand der folgenden Fälle, die im
Bericht der Volksanwaltschaft genannt werden:
VA-BD-J/0560-B/1/2017
VA-BD-J/0915-B/1/2016
VA-BD-J/1013-B/1/2014
Ich bin daran interessiert, einen der Fälle mit
Berichten zu begleiten. Ich ersuche um Herstellung eines Kontaktes”.
(Johannes Schütz, Email vom 8. 4. 2019)
Debora Mula konnte keine Antwort mehr geben. Sie geht ab.
Dokumentation
Schreiben von
Debora Mula, Assistentin der Volksanwaltschaft im Geschäftsbereich Volksanwalt
Kräuter (20. 3. 2019)
From | Debora Mula | |
To | Johannes Schuetz | |
Subject | Anfrage: Stellungnahme für Beitrag | |
Date | Mar 20, 2019 08:43 PST | |
Sehr geehrter Herr Schütz,
Ihre Fragen habe ich zur besseren Übersicht fett und kursiv markiert.
Volksanwalt Kräuter schreibt:
„Ich bin jederzeit bereit, konkrete Fälle zu prüfen.“
Die in seinem Statement genannten Fälle beziehen sich nur auf Prüfungen von Missständen in der Verwaltung.
Frage dazu:
„Wie würde das weitere Vorgehen von Volksanwalt Dr. Kräuter vorgesehen
sein?“
Das vertrauliche Beschwerdeverfahren beginnt mit
der Einleitung eines formellen Prüfungsverfahrens. Anhand der vorhandenen
Unterlagen verschafft sich die Volksanwaltschaft eine Übersicht, konfrontiert
dann die betroffene Behörde mit der Beschwerde und fordert diese zur
Stellungnahme innerhalb einer bestimmten Frist auf. Dabei kann die Volksanwaltschaft
Einsicht in alle Akten nehmen. Die Volksanwaltschaft muss von den Behörden bei
ihrer Arbeit unterstützt werden.
„Welche Schritte kann er in der Folge setzen?“
Ergibt das Prüfverfahren einen Missstand in der Verwaltung, dann wird dieser vom Kollegium der Volksanwaltschaft ausdrücklich festgestellt. In diesem Fall wendet sich die Volksanwaltschaft mit einer konkreten Handlungsempfehlung an die betroffene Behörde. Die Behörde hat acht Wochen Zeit, diese Empfehlung umzusetzen oder zu argumentieren, warum sie der Auffassung der Volksanwaltschaft nicht folgt. Wenn die Behörde nach Einschreiten der Volksanwaltschaft ihren Fehler umgehend korrigiert, wird das Prüfverfahren eingestellt.
Die Missstandsfeststellungen finden sich in Berichten der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und den Bundesrat und in den Berichten der Volksanwaltschaft an die jeweiligen Landtage. (unter www.volksanwaltschaft.gv.at)
„Ich könnte Dr. Kräuter 2 oder 3 Fälle vorlegen, wenn er damit einverstanden ist.“
Betroffene können sich schriftlich, persönlich oder telefonisch gerne mit ihrem Problem an die Volksanwaltschaft wenden. Wenn Sie sich im Namen einer anderen Person an die Volksanwaltschaft wenden, sollten Sie diesen auch angeben. Bitte legen Sie in diesem Fall eine Vollmacht vor.
Die Kontaktdaten finden Sie nachfolgend:
Volksanwaltschaft
Singerstraße 17
Postfach 20
1015 Wien
Weitere Frage:
Wenn bei einem der Fälle festgestellt wird, dass der Betroffene von
seinen finanziellen Ressourcen abgeschnitten wurde, welche Möglichkeiten würde
es geben, für Überbrückungsgelder zu sorgen, bis der Fall aufgeklärt ist?
Ich muss Sie auf das vorangegangene Schreiben hinweisen. Die Volksanwaltschaft wurde verfassungsgesetzlich zur Prüfung von Missständen in der öffentlichen Verwaltung eingerichtet. Aufgrund von Bürger- und Bürgerinnenbeschwerden prüft die Volksanwaltschaft daher Entscheidungen in Verwaltungsverfahren, sofern ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht.
Die Volksanwaltschaft ist aber nicht befugt, die Entscheidungen der unabhängigen Gerichte zu überprüfen. Gerichtsentscheidungen können lediglich im gerichtlichen Instanzenzug überprüft und gegebenenfalls bestätigt, abgeändert oder aufgehoben werden. Ihre Urteile und Beschlüsse sind von der Volksanwaltschaft unkommentiert zur Kenntnis zu nehmen.
Freundliche Grüße,
Debora Mula
Schreiben von Agnieszka Kern, Pressesprecherin der österreichischen Volksanwaltschaft (18. 4. 2019)
From | Agnieszka Kern | |
To | Johannes Schuetz | |
Subject | AW: Anfrage für Beitrag | |
Date | Apr 18, 2019 05:48 PST | |
Sehr
geehrter Herr Schütz,
danke für Ihre Anfrage. Frau Mula ist leider
nicht mehr für die Volksanwaltschaft tätig. Sie wäre in diesem Fall aber auch
nicht die richtige Ansprechperson. Da es sich bei diesen Fällen um Beschwerden
zu Sachwalterschaften/Justiz handelt, ist laut Geschäftsverteilung der
Volksanwaltschaft das Büro von Volksanwältin Dr. Brinek dafür zuständig.
Grundsätzlich ist zu Sachwalterschaften zu
sagen, dass die Volksanwaltschaft ein nachprüfendes Organ zur Kontrolle der
öffentlichen Verwaltung ist und wir leider keine Befugnisse haben, Gerichtsentscheidungen
zu überprüfen. Gerichtsentscheidungen können nur im gerichtlichen
Instanzenzug überprüft und gegebenenfalls
bestätigt, abgeändert oder aufgehoben werden. D.h. wenn ein Sachwalter vom
Gericht bestellt wird, kann er nur vom Gericht umbestellt oder abberufen
werden.
Volksanwältin Brinek hat sich in den letzten
Jahren sehr um eine Reform der Sachwalterschaften bemüht. Beim
Bundesministerium für Justiz wurden Arbeitsgruppen eingerichtet, in denen unter
maßgeblicher Einbindung und Mitwirkung der Volksanwaltschaft relevante
Themenkreise im Hinblick auf eine Reform des Sachwalterrechts erarbeitet
wurden. Diese flossen in das neue Erwachsenenschutzgesetz ein, das
Verbesserungen für Betroffene und deren Angehörige bringt und deren
Rechtsposition stärkt. Ziel des neuen Erwachsenenschutzrechts ist insbesondere
auch, dass gerichtliche Besachwaltungen nur mehr in denjenigen Fällen erfolgen,
in denen dies tatsächlich notwendig ist. Es ist seit 01. Juli 2018 in Kraft.
Das Erfordernis der Aufrechterhaltung bereits vor dem 01. Juli 2018
beschlossener Sachwalterschaften wird auf Basis der neuen Bestimmungen
überprüft werden.
Zu einzelnen Prüffällen darf ich Ihnen aufgrund
der Amtsverschwiegenheit und des Datenschutzes keine Einzelheiten weitergeben.
Ich hoffe, ich konnte dennoch Ihre Fragen beantworten.
Mit besten Grüßen
Agnes Kern
Mag.a Agnieszka Kern, MA
Volksanwaltschaft | Leiterin Abteilung
Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Singerstrasse 17 | 1015 Wien
Links:
Abschied vom Rechtsstaat: Österreichische Volksanwaltschaft legt
Jahresbericht für 2018 vor (Tabula Rasa Magazin, 1. 5. 2019)Karfreitagsbericht aus Österreich: Recherche über die Verletzung von
Grundrechten in der Stadt Wien (Tabula Rasa
Magazin, 19. 4. 2019)