Es war gottlob, blinder Alarm. Die Münchner Feuerwehr hielt sich auch am Ostermontag-Abend an ihre Vorschriften und überprüfte die Gegend um den Gärtnerplatz, um drohende Brandgefahr zu verhindern. Wenige Minuten noch, und der 2. Akt der um 18 Uhr begonnenen letzten konzertanten Aufführung von Georges Bizets Frühwerk „Die Perlenfischer“ hätte beendet und das Publikum in die Pause geschickt werden können. So erlebte es etwas, was in seiner unbeabsichtigten Art komisch war: schrille Tatütata-Töne, die sich in die letzten Takte der hochdramatisch aufgepeitschten Szene mischten: die sich an der Zuspitzung der unseligen Geschichte ihrer verbotenen Liebe zu dem jungen Nadir allein schuldig fühlende Tempelpriesterin Leila ergibt sich in ihr Schicksal, mit ihm oder ohne ihn aus dem Leben zu scheiden.
Gern hätte man ein Gläschen getrunken, um sich innerlich abkühlen zu können. Die ungewöhnliche Feueralarm-Situation aber gebot es, sich aus dem Haus zu begeben – und abzuwarten. Entwarnung kam zwar bald, aber irgendwie fühlte man sich unsicher – grundlos, denn alles war nur ein Manöver. Das aber nicht schlecht ins Konzept der Oper passte, in der es – schon im zauberhaften Video-Bühnenbild – um Feuer ging: Zurga, Nadirs Busenfreund, ganz und gar nicht schuldlos an der ganzen Tragik, die in sich einem Fischerdorf auf Ceylon zuspitzt, legte ein Feuer – um dadurch „die aufgebrachte Meute abzulenken und die Fesseln der zum Tode Verurteilten zu lösen“ (Handlungs-Beschreibung). Bühne und Leben – welche Einheit! Selten genug, sie zu erleben.
Selten zu erleben überhaupt: „Die Perlenfischer“ als halbszenische Oper, was so viel heißt wie: kein Illusions-Theater, dafür Orchester und Chor auf der Bühne, die Protagonisten in Abendrobe, aber nicht statisch, sondern in manchmal geradezu halsbrecherischer Aktion, in Als-ob-Art, auch wenn sie teils auswendig, teils vom Notenpult ablesend sangen. Das hatte was. Spielleiterin Magdalena Schnitzler kann für ihre staunenswerte Konzeption viele Pluspunkte einstreichen. War nicht einfach, sie von der Reithalle, wofür sie vor zwei Jahren erdacht und erprobt worden war, ins endlich fertig renovierte Gärtnerplatztheater „heim“ zu holen.
Was diese „zweite“ Münchner Oper zu leisten imstande ist, bewies sie geradezu exemplarisch mit diesen „Perlenfischern“: Unter der motivierenden, stringenten Leitung von Tom Woods agierte ein plastisch und optimistisch sich verausgabendes Orchester ebenso wie ein prächtig besetzter Haus- und Extra-Chor mit gut anhör- und anschaubaren Solisten. Gefeiert wurde vor allem – wie schon für ihre respektablen Rollenerfüllungen einer „Sonnambula“ und „Maria Stuarda“ – die zu ergreifenden Höhenflügen und weichen Koloraturen fähige Jennifer O`Laughlin als Leila. Sie steckte, was lyrisches Empfinden und samtweiche Ausstrahlung anbelangt, die beiden in sie verliebten Mannsbilder Lucian Krasznec (Nadir) und Mathias Hausmann (Zurga) ebenso in die Tasche wie den sie bewachenden Timos Sirlantzis (Nourabad).
Wie es aussieht, wird diese gelungene, stark applaudierte konzertante Fassung der vor allem seiner Ohrwürmer (Duett Nadir-Zurga im 1. Akt; Arien des Nadir „O zauberhafte Nacht“ im 1. und der Leila „Wie einst versteckt er sich…“ im 2. Akt) beliebten Oper in der rekonstruierten Urfassung nicht in die nächste Spielzeit übernommen. Schade – aber der glückvolle Staatsintendant Josef E. Köpplinger kann 2019/2020 mit Neuproduktionen aufwarten, die aufhorchen lassen: Orffs „Die Kluge“ (2. Oktober), Puccinis „Tosca“ (14. November), Verdis „Rigoletto“ (30. Januar) und, unter anderem, der für 23. April 2020 mit Spannung erwarteten Uraufführung von Johanna Doderers Vertonung des Turrini-Librettos „Schuberts Reise nach Atzenbrugg“.
Foto (Hans Gärtner) Fröhliche Wandbemalung im Gärtnerplatztheater-Erfrischungsraum