Eines kann man Frank-Walter Steinmeier nicht in Abrede stellen,dass er nicht erfinderisch ist, die für ihn offensichtlich unverständlichen Tatbestände mit markigen Formulierungen zu versehen. In der Tat kann man die Ergebnisse auf dem „Schuldengipfel“ als eine Operation am offenen Herzen bezeichnen. Allerdings wirkt Herr Steinmeier wenig glaubwürdig, wenn er im Bundestag seine Ahnungslosigkeit und sein Unverständnis einer Hebelung kundtut. Selbst interessierten Laien dürfte es innerhalb von einigen Tagen gelungen sein, sich die notwendigen Fachkenntnisse anzueignen. Glaubwürdiger erscheint vielmehr die Aussage von Herrn Trittin, welcher der Bundesregierung einen beispiellosen Umgang mit der Öffentlichkeit vorgeworfen hat. Lediglich der politischen Linken im Bundestag blieb es vorbehalten, ein deutliches Zeichen zu setzen, welche Folgen die Europäische „Voodoo-Ökonomie“ für die Menschen, derzeit insbesondere in Griechenland, beinhaltet, hinzuweisen.
Man sollte seitens der Politik nicht so tun, als ob das erzielte Ergebnis des Schuldenerlasses und die Hebelung des Rettungsschirms auf über 1 Billion Euro eine dauerhafte Lösung darstellen. Man beteiligt sich künftig auf dem Finanzmarkt mit Operationen, um unerwünschte Probleme beim Absatz und der Verzinsung von Schuldverschreibungen zu vermeiden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass durch diese Maßnahme für 1 bis 2 Jahre eine weitere krisenhafte Entwicklung zunächst ausgeschlossen werden kann, unter der Prämisse, dass unerwünschte politische Ereignisse ausbleiben.
Diese Zeit sollte seitens der Bundesregierung dazu genutzt werden, sich endlich die not- wendigen Erkenntnisse anzueignen, welche für eine EU-Politik unabdingbar sind. Man muss langsam zu der Auffassung gelangen, dass die notwendigen Fachkenntnisse in den Ministerien verlorengegangen sind. Sollten kompetente Staatssekretäre aus den Ämtern entfernt worden sein, da sie sich nicht mehr gegen den Einfluss von Lobbyisten durchsetzen konnten? Wie verlautet, soll Frau Dr. Merkel sich ständig auf Auskünfte und Belehrungen von Lobbyisten verlassen, welche naturgemäß in erster Linie die Interessen ihrer Unternehmen vertreten.
Es ist höchste Zeit, dass sich die Politiker endlich intensiv mit dem Fehlkonstrukt der EU, wie es im Lissabon- und Maastricht-Vertrag festgelegt wurde, näher befassen. Ein EU-Vertrag kann nicht von Winkeladvokaten für Aristokraten konstruiert werden, welcher die fundamentalen Interessen der breiten Bevölkerung missachtet. Als Beispiel wird hier lediglich genannt, dass es laut Vertrag untersagt ist, dass EU-Staaten sich untereinander wirtschaftlich und finanziell unterstützen. Kapitalverkehrsbeschränkungen sind ebenfalls untersagt, und zu allem Überfluß ermöglicht der Lissabon-Vertrag die Wiedereinführung der Todesstrafe und den Einsatz des Militärs zwecks Niederschlagung von Aufständen.
Die letzten Äußerungen von Frau Dr. Merkel lassen aber den Schluss zu, dass diese immer noch nicht an den Kern des Problems gelangt ist, oder dieses der Öffentlichkeit verheimlicht. Wenn diese als Zielsetzung der Bundesregierung erläutert, auch weiterhin Exportüberschüsse gegenüber Ländern innerhalb der Euro-Zone zu erzielen, dann verwechselt Sie diese offensichtlich mit einem Fußballturnier, wo Verlierer aus der Veranstaltung auszuscheiden haben. Bezogen auf die EU vertritt diese wohl die Bestrafung der Bürger eines Landes, welches in der ökonomischen Entwicklung zurückbleibt.
Selbst der für seine unsinnigen neoliberalen Äußerungen bekannte Chef des Ifo-Instituts, Sinn, äußerte wohl aus Versehen, dass es wohl eines der Fehler der Banken gewesen sei, den Export von Konsumgütern nach Griechenland bedenkenlos finanziert zu haben. Dabei unterließ er geflissentlich, dass der Export von subventionierten Gütern aus Produktionsüberschüssen die Ökonomie in den Importländern schwer schädigt, und zur Arbeitsplatzvernichtung und somit zur Verelendung der Abhängig Beschäftigten beiträgt. Es wird nochmals auf das Stabilitätsgesetz aus dem Jahre 1967 hingewiesen, welches aufgrund entsprechender Erfahrungen erlassen wurde.
Selbst der vielgeschmähte „Cavaliere“ Berlusconie ist offensichtlich zu weitergehenden Erkenntnissen fähig. Er behauptet zu Recht, dass die Angreifbarkeit des Euros durch Spekulanten u. a. dadurch begründet ist, dass diese eine Währung für viele Länder ist, statt eine für Europa als Ganzes zu sein. Hieraus resultiert, dass schnellstmöglich innerhalb der Euro-Zone Harmonisierungen einzuleiten sind. Um überhaupt von Wettbewerb reden zu können, bedarf es gleichartiger Bedingungen. Ein Lohndumping, wie er in der Bundesrepublik stattfindet, der dann noch teilweise über den Sozialhaushalt finanziert wird, führt zu Verzerrungen natürlich zu Gunsten des Exports. Dass eine derartige Vorgehensweise die Einkommen der Abhängig Beschäftigten absenkt, mit der Folge, dass die Inlandsnachfrage auch nachlässt, sei nur am Rande erwähnt.
Eine Harmonisierung beinhaltet demnach nicht nur einheitliche Steuersätze sowie eine einheitliche Wirtschafts- und Finanzpolitik, sondern auch eine entsprechende Sozialpolitik, die über einen einheitlichen Mindestlohn zu erfolgen hat. Es kann nicht sein, dass Länder sich über Subventionierungen jeglicher Art Vorteile verschaffen, und somit eine Spirale nach unten für die Menschen in den EU-Ländern einleiten, welche nicht über Kapitalvermögen verfügen.
Innerhalb der Euro-Zone gilt es, die Lebensverhältnisse nicht weiter auseinanderlaufen zu lassen. Dieses würde dazu führen, dass blühende Landschaften veröden, da diese dann nur noch von alten Menschen und Rentnern bewohnt und hinsichtlich der Bevölkerungsdichte immer mehr ausgedünnt werden. Der interessierte Leser sollte sich die Mühe machen,die Bevölkerungsstruktur in den alten und neuen Bundesländern anzusehen, um zu erkennen, welche negativen Entwicklungen sich dort auftun.
Der neoliberale Unsinn, welcher die Deregulierung des Finanzmarktes zum Inhalt hatte, führte dazu, dass permanent Kapitalgeber an Spekulationen und Wetten versuchen, schnelles Geld zu machen. Offensichtlich ist in der breiten Bevölkerung noch nicht deutlich gemacht worden, was Spekulation bedeutet. Spekulation hat zum Beispiel zum Inhalt, Güter und sonstige Leistungen künstlich zu verknappen, um höhere Preise zu erzielen. Mit der Deregulierung so genannter Märkte hat man der Gier ohne irgendwelchen Grund freie Bahn gegeben. Es wird höchste Zeit, der missbräuchlichen Verwendung einer Marktmacht Einhalt zu gebieten.
Unter der Überschrift „Staatspolitische Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ schrieb Walter Eucken, (1) einer der Väter der sozialen Marktwirtschaft:
„Die Politik des Staates sollte darauf gerichtet sein, wirtschaftliche Machtgruppen aufzulösen, oder ihre Funktionen zu begrenzen.“
Der zweite Grundsatz lautet:
„Die wirtschaftspolitische Tätigkeit des Staates sollte auf die Gestaltung der Ordnungsformen der Wirtschaft gerichtet sein, nicht auf die Lenkung des Wirtschaftsprozesses.“
Es bleibt festzustellen, dass die von Eucken formulierten Grundsätze fundamentaler Natur sind, und die Erkenntnis beinhalten, dass es keine Marktform gibt, wo die Macht des Anbieters und des Nachfragers gleichmäßig verteilt ist.
Das Projekt Europa wird nur dann gelingen, wenn die Hausaufgaben, wie beschrieben, schnell in Angriff genommen werden. Sollte dieses nicht der Fall sein, dann wird die EU mehr oder weniger von der Spekulation und den Machtinteressen anderer Länder zermalmt. Hierzu ist es allerdings erforderlich, dass die ständig versagenden Wirtschaftswissenschaftler sich vom neoliberalen Zeitgeist trennen, und zu vernünftigen Lösungen kommen, statt Konzepte wie Rente mit 77 in die Welt zu setzen. Die ökonomischen Konzepte in den „Stärkeren EU-Ländern“, sofern überhaupt vorhanden, sollten sich nicht permanent an Niedriglöhne und Sparprogramme orientieren, sondern daran, was man leisten kann, um die Lebensverhältnisse derjenigen zu verbessern, welche nicht über Kapitalvermögen verfügen.
Am Rande sei noch erwähnt, dass sich der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Voßkuhle offensichtlich an eigene Urteile erinnert. Deshalb wurde seitens des Gerichts verhindert, dass Aktionen, welche u. a. die Hebelung des Rettungsschirms und ähnlicher Massnahmen beinhalten, nicht nur Sache eines neunköpfigen Ausschusses sein dürfen. Dieses würde das Parlament unterlaufen. Allerdings wären die Parlamentarier künftig etwas häufiger beschäftigt, was ihnen auch aufgrund ihrer Diätenzuzumuten sein dürfte.
(1) Walter Eucken – Vater der „Sozialen Marktwirtschaft“ Tabularasa-jena.de
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