Schmerz als komplexe Sinneswahrnehmung, gehört sicherlich wie auch die Liebe zu einem sehr subjektiven Gefühlszustand, der nicht alleine von den neuronalen Signalen aus den Schmerzfasern an das Gehirn bestimmt wird, sondern auch unabhängig von körperlichen Schädigung bestehen kann. Aber im Gegensatz zur Liebe ist der Schmerz keine reine Emotion, denn es fehlt ihm die Qualität emotionale Erinnerung hervorzurufen, „ die uns im Nachfühlen zu Mitleidenden machen könnte, wie das bei den reinen Emotionen der Fall ist.“ (S. 4. ,zitiert aus Dreitzel, 1997, S. 859). Wie es ist, an Schmerzen zu leiden, kann erst nachvollzogen werden, wenn man selbst betroffen ist, egal wie hoch das Maß an persönlicher Empathie ist. Deshalb bleibt stets eine Kluft zwischen dem Schmerzhabenden und dem Therapeuten und somit eigentlich jegliche Auseinandersetzung mit dem Thema zunächst blanke Theorie. Schmerz ist demnach das, was der Einzelne als solchen empfindet und nicht selten kommt es zu Verständigungsschwierigkeiten zwischen ihm und dem Behandelnden über das Leiden. Und das unabhängig davon, wie stark der Betroffene in der Lage ist, die Schmersymptome verständlich und eindeutig mitzuteilen. Problematisch erscheint es auch, wenn der Schmerz, eigentlich als akutes Geschehenmit dem Charakter eines Warnsignals, dieses verläßt und chronisch wird. Deshalb ist es notwendig, dass dieses sogenannte chronische Schmerzsyndrom, wobei das Wort Syndrom die Komplexität seinerseits belegt, als eigenständiges Krankheitsbild gesehen und behandelt werden muß. In jedem Fall stellt der Schmerz eine Bedrohung der menschlichen Existenz dar, denn egal ob akut oder chronisch, überschattet er alle anderen Wahrnehmungen. Das Mittel der Wahl stellt immer die Ausschaltung und Betäubung dar, um ein gewisses Maß an Lebensqualität so schnell wie möglich zurückzuerlangen. Je komplexer sich die Schmerzbehandlung darstellt, desto höher ist der Leidensdruck sowohl für den Betroffenen als auch für sein Umfeld. Und so bilden nicht zuletzt Schmerzbegleitung und Mitleiden ein weites Problemfeld, wobei gegenseitiges Verständnis, Hilfeleistungund Unterstützung zwischen Betroffenen und Angehörigen thematisiert werden sollten.
All diesen Ansätzen trägt die kleine Artikelsammlung „Schmerz“ aus der Reihe Psychologie & Gesellschaftskritik, herausgegeben vom Verlag Papst Science Publishers, in angenehmer Kürze Rechnung. In fünf kleinen Aufsätzen nähern sich Psychologen, Philosophen und Medizinsoziologen allen Facetten diesem Thema und beleuchten je nach Fachgebiet Schmerz und Einsamkeit, Sinnhaftigkeit von Schmerz, das Gefühl des Mitleidens und Schmerz und Rollenübernahme in der Rehabilitation und Sterbendenversorgung. Ziel der unterschiedlichen Annäherungen ist es, eine prinzipielle Kontrollierbarkeit von Schmerz zugunsteneiner Lebensbegleitung zurückzustellen, so daß der individuelle Mensch lernen kann, in seiner ganz konkreten Situation mit dem Schmerz zu leben. Dieser Lernprozess auf der Basis neurologischer und biologischer Erkenntnisse schafft eine neue Vertrauensebene zwischen Betroffenen, Angehörigen und Therapeuten und eröffnet neue Möglichkeiten bezüglich Schmerz und Alltagsbewältigung.
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