Aufregend. Der ganze Kerl. Seine ganze Kunst. Sein Kurator. Im Klartext: der Münchner Jugendstilist der Extraklasse Carl Strathmann, 1866 in Düsseldorf geboren, 1939 in München gestorben, auch sein Neuentdecker Nico Kirchberger. Aus dem von Strathmanns einziger Tochter Alice (1900 – 1964) zwei Jahre vor deren Tod an das Münchner Stadtmuseum vermachten Nachlass von, sage und schreibe, 447 Kunst-Objekten derivierte der seit zwei Jahren im Haus am St. Jakobsplatz arbeitende Kunsthistoriker 144 Strathmann-Originale und fügte sie, mit zwölf Leihgaben erweitert, zu einer einzigartigen Ausstellung: „Jugendstil skurril“. Sie hat das Zeug dazu, ausgemachte Kenner ebenso zu überraschen wie sie wohl Experten, etwa die vom Münchner Jugendstil-Kleinod Villa Stuck, vor Neid erblassen lässt.
Kirchberger gelang es, ins 1. OG des Münchner Stadtmuseums einen Querschnitt durch alle Schaffensphasen des weitgehend unbekannt gebliebenen skurrilen Malers mit dem Aplomb eines Dandys – wie ihn sein bester Freund und Bewunderer Lovis Corinth 1895 malte – zu bieten. „Ein Glücksfall für unser Haus“, jubelt Museumschefin Isabella Fehle, die Kirchbergers Leistung als „Paradebeispiel für unsere Museumsarbeit“ einstuft. Stolz zeigt sie den superben Katalog (29,90 Euro im Museum), nicht ohne dem Verein der Freunde ihres Hauses für finanzielle Unterstützung zu danken.
Manches, was in dieser üppigen Ausstellung gezeigt wird, die den Besucher am Schwelgen hält, galt lange als verschollen. Aufregend ist jede Story rund um den nun ans Tageslicht gebrachten Virtuosen mit dem Hang zum prächtig-dekorativen, grotesken, detailverliebten Ornament, der sich nach Kirchbergers Überzeugung weitläufigen Kategorisierungen entzieht. Gerade deshalb ist er heute so attraktiv. Wenn in der Fachliteratur „C. S.“ erwähnt würde, so im Zuge des deutschen Symbolismus und Jugendstils. Zwei Großölgemälde Strathmanns, die symbolistischen Historienschinken „Salambo“ (1907) und „Danae“ (1908) sind weder „verbrannt“ noch „verschollen“, wies lange Zeit hieß, sie konnten vielmehr, noch immer „verletzt“, weitgehend restauriert werden.
Wer sich den fabulösen Phantasien des sich bald humorvoll-witzig, bald volkstümlich gebenden Carl Strathmann hingibt, entdeckt ein staunenswertes Talent zur „erzählenden“ Malerei – selbst in seinen bildhaften Frauen-Köpfen. Schönheit muss leiden? Nicht bei Strathmann, der
s da ganz mit seinen Zeitgenossen Franz von Stuck oder Alfons Mucha hielt, als er seine der italienischen Renaissance nacheifernden Porträts wie den „Frauenkopf im Profil nach links“, um 1898 (s. Foto) kreierte: Ketten aus falschen Perlen, güldene Spangen, Haarnetze mit Geschmeide, das wallende Haar zu bändigen – keine Klage, sondern Stolz zeigt diese zerbrechliche Dame mit „Heiligenschein“.
Ach ja, das Religiöse fehlt bei Strathmann ebenso wenig wie das Märchenhafte und die Erfindung neuer Pflanzen und sich tänzelnd oder schnaubend gerierender Tiere. St. Antonius von Padua hatte es dem Maler aus Münchens Pettenkoferstraße 29 mit Atelier in der Landwehrstraße 77 angetan. Er malte den „Schlamperlheiligen“ mal als Fischprediger, mal als Mönch, der sich gegen die Versuchung einer Splitternackten zu wehren versucht. – Bis 22. September Di – So 10 bis 18 Uhr. Hans Gärtner
Foto (Hans Gärtner)
Diesen „Frauenkopf im Profil nach links“ malte 1898 Carl Strathmann: eine „Heilige“ mit dem Geschmeide einer Selbstbewussten, die das Dekorative wohl ebenso liebte wie ihr Porträtist