Gefängnis statt Gerechtigkeit – Über die Verfolgung des jüdischen Autors Stephan Templ

Menschenrechtsanwalt Robert Amsterdam (links im Bild) mit Stephan Templ (Foto: Stephan Templ)
Menschenrechtsanwalt Robert Amsterdam (links im Bild) mit Stephan Templ (Foto: Stephan Templ)

Die Schriften des Autors Stephan Templ können die Republik Österreich Milliarden kosten. Er forderte die ordnungsgemäße Restitution enteigneter Immobilien. Eine willkürliche Gefängnisstrafe sollte seine Reputation beschädigen. Jetzt soll eine einstweilige Verfügung den Autor zum Schweigen bringen. 

 

Der prominenteste Menschenrechtsanwalt der Welt trägt, wie ein Markenzeichen, den Namen Robert Amsterdam. Wenn Grundrechte torpediert werden, rollt er an wie ein Panzerfahrzeug. Seine Plädoyers hält Amsterdam in einem vorzüglichen Stil, wie ihn englische Literaten pflegen.

Amsterdam agierte in zahlreichen Ländern der Welt. In Russland setzte Amsterdam sich für Mikhail Borisovich Chodorkowski ein, der 2003 in Moskau verurteilt wurde und insgesamt rund 10 Jahre in einem Gefängnis in Sibirien verbrachte. Chodorkovski war zum Zeitpunkt seiner Verhaftung der reichste Mann Russlands. Sein Vermögen wurde vom Forbes Magazine auf 15 Milliarden USD geschätzt. Chodorkovski wurde enteignet, weil er eine politische Erneuerung Russlands vorbereitete. Mit seiner “Open Russia Foundation”, die für eine Demokratisierung des Landes eintrat.

In Thailand verteidigte Amsterdam die „United Front for Democracy against Dictatorship“ und Thaksin Shinawatra, den früheren Premierminister des Landes, der 2006 von einer Militärregierung abgelöst wurde.

In Uganda tritt Amsterdam ein für Robert Kyagulanyi Ssentamu, einen Abgeordneten des Parlaments, der inhaftiert und gefoltert wurde.  Ssentamu war zuvor als Musiker mit Afrobeat erfolgreich. Sein Künstlername lautet Bobi Wine. Dann kam er mit einer Basisbewegung in die Politik. Bobi Wine-Ssentamu wollte Politik in Uganda machen, weil er Augenzeuge von brutalen Übergriffen wurde.

 

Österreichische Justiz am Pranger

Nach Österreich kam Amsterdam für den Autor Stephan Templ. Amsterdam zeigte sich erzürnt über den Zustand der Justiz in Österreich, wie kaum über ein Land zuvor. Da die österreichischen Medien, die wie gleichgeschaltet wirken, die Stellungnahmen von Amsterdam, fast grundsätzlich, nicht veröffentlichen wollten, begann der amerikanische Menschenrechtsanwalt, Inserate in einer Wiener Tageszeitung zu schalten.

Amsterrdam ist es ansonsten gewohnt, für Interviews von CNN, CNBC, Bloomberg, BBC und Fox News angefragt zu werden. Neben solchen Auftritten im Fernsehen erschienen Beiträge von Amsterdam in der Washington Post, New York Times, The Guardian, International Herald Tribune, Financial Times und Wall Street Journal. In Österreich musste der international bekannte Menschenrechtsanwalt Amsterdam, mit Büros in Washington D.C. und London, den Weg der „Bezahlten Anzeige“ nehmen, da er von den Redaktionen der österreichischen Medien praktisch komplett ignoriert werden sollte.

Amsterdam wählte für seine Inserate ein Medium, das sich in der Werbung „die Zeitung für Leser“ nennt, um sich damit klar gegenüber den österreichischen Konkurrenzblättern zu definieren.

Robert Amsterdam klagte an, mit einem „J`accuse“, wie einst Emile Zola in der Affäre Dreyfus:

An die Repräsentanten der Justiz in Österreich: Ich prangere Sie dafür an, ein Gerichtsurteil hinzunehmen (…) und ein Verfahren, das von ausgedachten Argumenten nur so strotzt.

An den Leiter der Generalprokuratur: Ich prangere Sie dafür an, Ihrer in der Verfassung niedergelegten Pflicht nicht nachgekommen zu sein, bei Vorliegen neuer Beweise Verfahren zu überprüfen oder wieder aufzunehmen.

An den Bundesminister für Justiz: Ich prangere Sie dafür an, Beweise, die Stephan Templs Verurteilung in Zweifel ziehen, bewusst zu ignorieren und jede Möglichkeit zurückzuweisen, ihm eine Überprüfung des Verfahrens zuzugestehen.

An den Bundespräsidenten der Republik Österreich: Ich prangere Sie dafür an, jedes an Sie gerichtete Gnadengesuch mit Gleichgültigkeit abgeschmettert  zu haben. Die Fehler in Ihren stets identischen Antwortschreiben zeigen, dass es für Sie schon zu viel der Mühe war, sich mit den Anträgen inhaltlich auseinanderzusetzen oder zumindest den Anschein zu erwecken.

(Robert Amsterdam: „J´accuse“, in: Der Standard, 26. 9. 2015, veröffentlicht als „Bezahlte Anzeige“)

So schrieb Robert Amsterdam als Stephan Templ in Österreich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Und der Menschenrechtsanwalt stellte den Befund: „Die Obengenannten haben (…) Stephan Templ verleumdet, Fakten und Gesetzesrahmen bewusst irreführend dargestellt, Informationen unterschlagen. Raubgut verwandelt sich nicht damit in rechtmäßigen Besitz, dass man den namhaftesten Kritiker der Arisierung einsperrt“.

Zum Schweigen verurteilt

Der jüdische Autor Stephan Templ wurde in Österreich zum Schweigen gebracht. Templ ist der Verfasser des Buches „Our Vienna – Aryanization Austrian Style“ („Unser Wien: Arisierung auf österreichisch“). Das Buch ist Grundlage für die Restituierung enteigneter Immobilien. Templ war als Publizist auch für die Neue Zürcher Zeitung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung tätig.

Die Pionierarbeit von Stephan Templ hätten legitimieren können, dass er als Restitutionsbeauftragter der Republik Österreich berufen wird. Doch Generalsekretärin des Allgemeinen Entschädigungsfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus wurde die Ökonomin Hannah Miriam Lessing.

Templ kritisierte die Praktiken des Allgemeinen Entschädigungsfonds der Republik Österreich, beispielsweise in seinem Beitrag „Die Privatisierung der Restitution“, den er in der Neuen Zürcher Zeitung veröffentlichte (NZZ, 23. 7. 2010).

Stephan Templ geriet bereits nach diesem Beitrag in Konfrontation mit Hannah Miriam Lessing, die die Kritik von Templ scharf zurückweisen wollte. Dann sollte die Aussage einer Historikerin der Schiedsinstanz des Allgemeinen Entschädigungsfonds Stephan Templ ins Gefängnis bringen. Stephan Templ brachte zum Ausdruck, dass dieses Vorgehen nicht korrekt war.

Zuletzt sollte eine einstweilige Verfügung bewirken, dass Stephan Templ kritische Aussagen unterlassen muss. Gottfried Korn, der Rechtsanwalt des Allgemeinen Entschädigungsfonds, gab auf Anfrage folgende Stellungnahme über das gegen Herrn Stephan Templ angestrengte Verfahren, das von unserer Kanzlei geführt wird”:

„Die Behauptung bzw. Verbreitung u. a. derartiger Äußerungen wurde Herrn Templ bereits mittels einstweiliger Verfügung (vorläufig) untersagt“.
(Gottfried Korn: Schreiben vom 31. 8. 2017)

Schon zuvor erschien auf The European am 17. 8. 2017 der ausführliche Bericht:
Eine österreichische Affäre Dreyfus.

Bankgeschäfte und Restitution

Hannah Lessing war am Beginn ihrer Laufbahn als Sachbearbeiterin für Devisengeschäfte tätig und arbeitete in der Folge bis August 1995 für die Erste Österreichische Spar-Casse als Managerin für internationale Bankgeschäfte. Von dort wechselte Lessing reibungslos in den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus. Dann wurde sie beauftragt, die Restitution enteigneter Immobilien in leitender Funktion zu administrieren.

Warum die Bankmanagerin Lessing den Entschädigungsfonds leiten sollte, das wurde bisher nicht ausdrücklich argumentiert. Lessing stieg damit in die Beamtenstruktur der Republik Österreich ein, wo als Spitzengehalt für einen Sektionschef 10.690 Euro im Monat erreichbar sind, die 15 Mal im Jahr ausbezahlt werden, da auch Urlaubsgeld, Weihnachtsremuneration und die sogenannte Leistungsprämie berücksichtigt werden. Der Jahresbruttobezug beträgt damit rund 160.000 Euro. Nach dem aktuellen Gehaltsschema vom 1. Jänner 2018.

In einer ausgegliederten Einrichtung des Bundes ist ein etwas höherer Bezug möglich, der aber höchstens ein Jahresbruttogehalt von 200.000 Euro beträgt, was ungefähr dem Einkommen des Geschäftsführers der Rundfunk und Telekomregulierung (RTR) entspricht. Das Jahresgehalt des Geschäftsführers der amtlichen Wiener Zeitung, die von der Republik Österreich herausgegeben wird, liegt etwas unterhalb dieses Betrages.

Damit konnte Hannah Lessing für ihre Tätigkeit im Entschädigungsfonds oder möglichen weiteren Funktionen ein Jahresbruttogehalt von maximal 200.000 Euro erwarten. Als “Senior Area Manager” der ERSTE Bank für internationale Finanzgeschäfte sollte für Hannah Lessing ein höheres Einkommen vorstellbar sein. Insbesondere wenn Erfolgsprämien oder Gewinnbeteiligungen ausbezahlt werden, wie es auch für Arbitragen bei Devisengeschäften möglich war.

2010 verdoppelte die ERSTE Bank die jährliche Vergütung für Mitglieder des Aufsichtsrates, trotz Protest der Aktionäre, von 350.000 auf 700.000 Euro. Andreas Treichl, der CEO der ERSTE Group Bank, verdiente 2017 ein Jahresgehalt von 2, 6 Millionen Euro und kam 2015, mit höheren Erfolgsprämien, auf rund 3 Millionen Euro.

Es ging um Milliarden

Der Umgang der Banken mit den Opfern des Holocaust ist als Thema bekannt. Bereits 1996 wurde eine Sammelklage gegen Schweizer Großbanken in der Höhe von 20 Milliarden US-Dollar eingereicht. Ein solches Verfahren kündigte sich bereits 1987 an, als eine Tochterorganisation der Jewish Agency beschloss, nachrichtenlose Bankkonten zu recherchieren. Dann veröffentlichte im Juni 1995 das Wallstreet Journal über solch unterschlagene Vermögen einen Beitrag, der öffentliche Beachtung fand.

Drei Monate später, im September 1995, startete die ERSTE-Bankerin Hannah Lessing als Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus. Offenbar wollte man einer Sammelklage aus den USA noch rasch zuvorkommen und diese möglichst abfangen. Im Bewusstsein, dass Entschädigungszahlungen nicht mehr zu verhindern sind und nur noch die Höhe der Beträge verhandelbar ist, die im Bereich von Milliarden liegen konnte.

Der Wechsel der Bankerin Lessing in den Entschädigungsfonds der Republik Österreich muss in diesem Zusammenhang gesehen werden. Dort sollte sie verhandeln, welche Entschädigungen die Republik Österreich für Opfer des Holocaust zu leisten hat. Doch in einer Chronologie der Abteilung für Restitutionsangelegenheiten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (www.restitution.or.at über NS-Vermögensentzug) bevorzugt man es, den Namen Hannah Lessing nicht zu erwähnen oder darüber zu schweigen.

Der amerikanische Anwalt Ed Fagan kündigte Sammelklagen gegen österreichische Banken im August 1998 an. Darauf reagiert wurde, nachdem er eine Klage gegen die Creditanstalt – Bank Austria im Oktober 1998 in New York einbrachte. Danach setzte die ERSTE Bank ein Historikerteam ein, zur Aufarbeitung des Umgangs mit jüdischem Vermögen während der NS-Herrschaft sowie nach 1945.

Im April 2000 brachte der US-Anwalt Fagan eine Sammelklage gegen die Republik Österreich und österreichische Unternehmen in der Höhe von fast 19 Milliarden Euro ein (260 Milliarden Schilling). Hannah Miriam Lessing, die bereits 1995 von der ERSTE Bank in den Entschädigungsfonds wechselte, konnte die Klagen aus den USA nicht vermeiden.

Ein erfahrener Politiker aus den USA

 Stuart Eizenstat ist ein erfahrener Politiker. Der Anwalt Eizenstat war bereits Berater bei Präsident Jimmy Carter in der Funktion des Chief Domestic Policy Adviser. Er war Botschafter der USA bei der Europäischen Union von 1993 bis 1996 und stellvertretender Finanzminister in der Ägide Clinton von 1999 bis 2001. Bei Präsident Obama wirkte er als Berater für Fragen des Holocaust (Special Advisor for Holocaust Issues). Er ist auch aktuell in dieser Funktion bei Präsident Trump tätig.

Im Jahr 2001 wurde ein Abkommen zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika unterzeichnet, das die Entschädigung und Restitution für Opfer des Nationalsozialismus regeln sollte. Das Übereinkommen ist als Washingtoner Abkommen bekannt. Es wurde für die Vereinigten Staaten von Stuart Eizenstat mit der Republik Österreich verhandelt.

Die Delegation der österreichischen Regierung wurde angeführt von Sonderbotschafter Ernst Sucharipa, der damals der Leiter der Diplomatischen Akademie in Wien war und 1994 auch als Vizepräsident der UN-Generalversammlung bestellt wurde. Mitglied der österreichischen Delegation war auch die frühere Bankerin Hannah Lessing, die zu diesem Zeitpunkt bereits als Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus installiert war. Offenbar brachte man Hannah Lessing für solche Verhandlungsrunden in Stellung, damit sie dort die Interessen einer oder mehrerer österreichischer Banken vertreten konnte.

Der Allgemeine Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus ist eine zwischenstaatliche Einrichtung, die auf Grundlage des Washingtoner Abkommens eingerichtet wurde. Der Entschädigungsfonds ist im österreichischen Parlament angesiedelt und untersteht direkt einem Kuratorium, dessen Leitung der jeweilige Nationalratspräsident  versieht.

Der Entschädigungsfonds soll auch Empfehlungen bezüglich der Rückgabe enteigneter Immobilien abgeben, die im Besitz der Bundesimmobliliengesellschaft der Republik Österreich aufscheinen.  Mit diesem Entschädigungsfonds geriet Stephan Templ, der offene Worte zur Restitution in Österreich fand, in Konflikt.

Verurteilung Templs unerklärlich

Stephan Templ wurde in Österreich ins Gefängnis gebracht. Internationale Kritiker der österreichischen Justiz sagen: „Für ein Buch“: Aryanization Austrian Style. Stuart Eizenstat sprach sich deutlich gegen die Verurteilung Templs aus und bezeichnete diese als “unerklärlich” (“inexplicable”).

Denn die Familie von Stephan Templ verlor in der Zeit des Nationalsozialismus ein Haus in der Josefstadt in Wien. Das Palais Fürth. Das enteignete Palais wurde nach 1945 von der Republik Österreich übernommen. Als Besitz der Bundesimmobilien.

Stephan Templ wollte den Anteil seiner Familie am Palais Fürth zurückerstattet erhalten. Er stellte dafür einen Antrag auf Restitution und füllte Formulare aus. Dafür schaffte man den Autor Templ in die Justizanstalt Wien Simmering. Als Vorwand für das Urteil des Gerichts wurde eine Art von Formfehler genannt. Im Antrag auf Restituierung des Eigentums nannte Stephan Templ seine Mutter Helene Templ als Anspruchberechtigte. Das stimmt. Das Gericht monierte, dass Templ im Antrag nicht nur die Mutter, sondern auch deren Schwester nennen sollte.

Am Anspruch der Familie Templ auf Rückgabe der enteigneten Immobilie ändert sich inhaltlich dadurch nichts. Es handelte sich um eine tatsächlich enteignete Immobilie, die nach mehr als 50 Jahren restituiert werden sollte. Die Immobilie musste jedenfalls an die Familie Templ zurückgegeben werden. Eine korrekte Aufteilung innerhalb der Familie kann nach der Rückgabe entschieden oder, wenn es sein muss, auch ausjudiziert werden. Weitere Vermögenswerte, die als Erbteil eventuell schon zu einem früheren Zeitpunkt in der Familie Templ vergeben wurden, werden dabei berücksichtigt.

Stuart Eizenstat vertritt deutlich die Ansicht, dass ein solcher eventueller Konflikt um den Erbanspruch vor einem Zivilgericht ausgetragen werden muss (“a civil matter”).

Restituierung jahrelang verhindert

Die Republik Österreich hätte längst für eine ordnungsgemäße Rückgabe der Immobilie sorgen können. Die Frage der Rückgabe gibt es seit 1945. Man hätte erwartet, dass die Republik Österreich die Immobilie an alle Anspruchberechtigten korrekt übergibt.

Stephan Templ wurde verurteilt, weil die Behörde den Antrag nicht ergänzte und den Namen der Schwester seiner Mutter nicht in das Formular eintrug. Obwohl die Behörde davon Kenntnis haben konnte. Die Republik Österreich hatte mehr als 50 Jahre Zeit, die Namen der Anspruchberechtigten zu recherchieren, um eine Rückgabe der Vermögenswerte an die einst Enteigneten korrekt durchzuführen.

Stephan Templ wurde in erster Instanz vom Straflandesgericht Wien auf 3 Jahre unbedingte Haft verurteilt. Von Richterin Sonja Weis. Weitere fragwürdige Entscheidungen von Richterin Weis in anderen Fällen waren bereits vor diesem Urteil dokumentiert. Auch Strafanzeigen wegen Amtsmissbrauchs.

Das Gericht verurteilte Stephan Templ für “schweren Betrug”. Das Gericht versuchte mit dem Urteil den Eindruck zu erwecken, dass Dokumente gefälscht wurden, die einen ungerechtfertigten Anspruch auf die Immobilie begründen sollten. Eine solche Fälschung wäre: „Schwerer Betrug“.

Die Republik Österreich wäre damit laut Gericht geschädigt worden. Das Urteil entbehrt aber jeder Grundlage. Es wurden keine Dokumente gefälscht. Der Anspruch auf die Immobilie ist gerechtfertigt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten wurde vom Obersten Gerichtshof am 22. Januar 2014 zurückgewiesen. Vorsitzender war Senatspräsident Michael Danek. Der Beschluss des Obersten Gerichtshofs wurde nach Anhörung der Generalprokuratur gefasst. Die Entscheidung über die Berufung wurde dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Das Oberlandesgericht Wien bestätigte das Urteil in zweiter Instanz. Es wurde das Ausmaß der Freiheitsstrafe auf 1 Jahr unbedingte und 2 Jahre bedingte Haft verändert. Die zwei bedingten Jahre sind damit noch nicht endgültig beseitigt. Wo Urteile mit einem solchen Vorwand begründet werden, da können die beiden bedingten Jahre noch in einem Gefängnis verbracht werden. Mit einem auf vergleichbare Weise konstruierten Delikt.

Dadurch wird Stephan Templ auch in seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt. Denn der Autor Templ könnte in Österreich für kritische Stellungnahmen nochmals vor Gericht gestellt werden.  Der Antrag auf einstweilige Verfügung, den eine Mitarbeiterin der Entschädigungsfonds gegen Stephan Templ bewirkte, weist bereits in eine solche Richtung.

77 Historiker des Holocaust

Das David S. Wyman Institute for Holocaust Studies mit Sitz in Washington D. C. akzeptierte das Urteil gegen Stephan Templ nicht. 77 international anerkannte Historiker des Holocaust unterschrieben. Ein dringender Appell wurde dem Österreichischen Botschafter in Washington gesendet. Noch freundlich mit „Cordially“. Der Botschafter möge das Schreiben an den Bundespräsidenten weiterleiten. In der Hoffnung, dass die Freiheitsstrafe gegen den Historiker Stephan Templ beendet wird.

Die Historiker des Holocaust betrachten das Urteil als “extreme Überreaktion auf Stephan Templs bedeutendes Buch”:

“The Austrian government’s decision to intervene by prosecuting and jailing Mr. Templ will be seen as an extreme overreaction to Mr. Templ’s important book, Our Vienna: Aryanization Austrian-Style“.

Gnadenloser Bundespräsident

Die Anti-Defamation League mit Sitz in New York intervenierte ebenfalls gegen das Urteil beim damaligen österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer. Als Antwort an die Anti-Defamation League schrieb Mag. Barbara Reininger, die in der Präsidentschaftskanzlei für Justiz und Verwaltungsrecht zuständig ist:

„Dass der Herr Bundespräsident nicht mit den Kompetenzen ausgestattet ist, Strafverfahren zu beeinflussen oder Gerichtsentscheidungen zu überprüfen“.

Sie sei sicher, dass dafür Verständnis gegeben ist und verbleibt mit den
besten Wünschen des Herrn Bundespräsidenten“.

Der österreichische Bundespräsident präsentierte sich als gnadenlos. Tatsächlich ist aber vorgesehen, dass der Bundespräsident  der Republik Österreich „auf Vorschlag der Bundesregierung oder des Bundesministers für Justiz Strafverfahren einstellen kann oder von Gerichten ausgesprochene Strafen mildern kann“. Ein entsprechender Antrag kann durchaus an die Präsidentschaftskanzlei gerichtet werden. Es sollen Fälle korrigiert werden, bei denen erkannt wird, dass diese

„als besondere Härte anzusehen und gleichzeitig vom Gesetzgeber weder willentlich herbeigeführt noch in Kauf genommen worden sind. Als Härte sind nur Beeinträchtigungen zu bezeichnen, die zu einer entscheidenden Verschlechterung der Situation des Betroffenen führen“.
(Bundesministerium für Justiz: Erklärung zum Gnadenwesen)

 Abteilung für Gnadensachen

Beurteilt wird ein solcher Fall derzeit offenbar von der Abteilung IV/7 des Bundesministeriums für Justiz. Diese nennt sich: „Abteilung für Gnadensachen“.

Es bleibt unklar, warum die Bezeichnung dieser Abteilung im Bundesministerium für Justiz bisher nicht geändert wurde und von „Gnadengesuchen“ gesprochen wird. Da es doch fraglos um die „Annullierung von Fehlurteilen“ geht.

Es wäre weiters unbedingt erforderlich, dass vom Bundespräsidenten eine unabhängige Stelle eingerichtet wird, die solche Fälle überprüft. Da die Verantwortung für die Fehlurteile im Bereich des Justizapparats liegt. Das Bundesministerium für Justiz zeigte Befangenheit bei solchen Fällen.

Die Funktion des Bundespräsidenten muss als eine Kontrollinstanz definiert sein, die bei möglichen Justizverbrechen eine Korrektur vornimmt. Ansonsten ist die Gefahr gegeben, dass durch Amtsmissbrauch, Korruption oder durch Intervention motivierte Urteile weiterhin vom Justizapparat gedeckt bleiben.

Aktuelle Enteignungen in Wien

Was Stephan Templ in „Aryanization“  beschrieb,die Plünderung von Wohnungen und die Vertreibung oder Enderledigung der Eigentümer, das ist in Wien keine abgeschlossene Geschichte. Sie ist noch immer eine aktuelle Realität.

Es sind tausende Fälle von Enteignungen durch eine entwickelte Methode von Sachwalterschaft in Österreich bekannt. Die parlamentarischen Berichte der österreichischen Volksanwaltschaft bestätigen dies. Der aktuelle Jahresbericht der österreichischen Volksanwaltschaft für 2017 nennt 218 Fälle von willkürlichen Enteignungen, die durch Amtsmissbrauch in der Justiz gedeckt werden..
(Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und an den Bundesrat 2017: Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, Wien 2018, S. 148ff)

2016 wurden bereits 239 Fälle dokumentiert. Im Berichtsjahr 2015 wurden weitere 219 Fälle und 2014 weitere 233 Fälle gezählt. Es musste weiters eine Dunkelziffer mit telefonischen Anfragen gestanden werden, die nicht in dieser Statistik aufscheinen.

Sachwalterschaften werden aus finanziellen Motiven eingeleitet und durch Beschlüsse der österreichischen Gerichte gedeckt. Der Besitz von Vermögen wird durch das Gericht aus „gesundheitlichen Gründen“ untersagt. Das Vermögen wird vom Sachwalter übernommen.

In Wien ist es zur selbstgefälligen Routine geworden, Türen aufzubrechen, in Wohnungen einzudringen, Schlösser auszutauschen. Sollte Protest eingelegt werden, so folgt die rasche Antwort: „Passen Sie auf, dass wir Ihnen keine Probleme machen“. Das ist eine ernstzunehmende Drohung, denn der Einsatz von Polizeikräften und die Einweisung in die Psychiatrie können die Folge sein.

Es werden Wohnungen geplündert, Wertpapierkonten übernommen, Schmuck, Gemälde und Antiquitäten entwendet. Die Immobilien werden verkauft. Die Erlöse aus den Verkäufen werden in einer unvergleichlich schamlosen Weise auf die Konten der Enteigner verschoben. Der eigentliche Besitzer erhält gar nichts. Diese Fakten sind überprüfbar. Es können Fälle vorgelegt werden.

Es geht wieder um Milliarden

Während Stephan Templ in Haft war, wurden bei solch aktuellen Enteignungen in Wien keine Strafanzeigen verfolgt. Es werden in Österreich von Sachwaltern Wohnungen und Häuser übernommen, bis jetzt in einer vergleichbaren Weise wie sie von Stephan Templ in „Unser Wien“ beschrieben wurde. Strafanzeigen liegen bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien und werden nicht bearbeitet. Staatlliche Institutionen greifen nicht ein.

In den vergangenen Jahren wurden mit Enteignungen durch die Methode Sachwalterschaft aus finanziellen Motiven Millionenwerte unterschlagen. Der Gesamtbetrag beläuft sich nach vorsichtigen Schätzungen auf mindestens 1 Milliarde Euro. Eine Gruppe aus betrügerischen Sachwaltern, korrupten Bezirksrichtern und eingekauften Gutachtern agiert. Diese Gruppe baute Strukturen seit Jahrzehnten auf, um diese Enteignungen durchzuführen.  Auch Banken sind wieder beteiligt.

Diese Vorfälle sind den österreichischen Behörden bekannt. Dennoch werden keine Schritte unternommen. Das Urteil gegen Stephan Templ muss auch unter dem Gesichtspunkt dieser aktuellen Situation betrachtet werden. Offenbar soll das Urteil gegen Templ als Warnung an alle gelten, eine Rückgabe ihres enteigneten Besitzes in Österreich einzufordern.

Die aktuellen Enteigner in Österreich stellen stolz zur Schau, dass sie sehr sicher sich fühlen. Offenbar haben sie aus der Geschichte gelernt. Denn die einstige Aryanization hatte mehr als 50 Jahre keine Konsequenzen. Danach erfolgte die Restitution zögerlich. Jetzt setzen die Enteigner nochmals darauf, dass sie jahrzehntelang ein vergnügtes und angenehmes Leben führen können. Offenbar leben sie in der Hoffnung, dass die Fälle wiederum erst aufgearbeitet werden, nachdem die Grabesruhe der Friedhöfe über die Täter sich ausbreitet.

Gnade für Amtsmissbrauch eines Bezirksrichters

Stephan Templ wurde verurteilt. Seine Haftstrafe sollte am 28. September 2015 in der Justizanstalt Simmering beginnen . Am selben Tag wurde im Oberlandesgericht Innsbruck ein Verfahren geführt. Zwei Tage nachdem der Menschenrechtsanwalt Robert Amsterdam sein „J´accuse“ veröffentlichte, in dem er die österreichische Justiz anklagte, wurde das Urteil über einen solch korrupten Richter in Innsbruck  gesprochen:

„Hat er dem Ansehen der Justiz, insbesondere der Richterschaft in der Öffentlichkeit starken Schaden zugefügt, weil an Gesetzestreue und Objektivität der Richterschaft dadurch in der Öffentlichkeit erhebliche Zweifel entstanden. Dies führte zu einer gravierenden Beschädigung des Richterbilds in der Öffentlichkeit“.
(OLG Innsbruck, Geschäftszahl Ds14/14, 28. 9. 2015:
www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20150928_OLG0819_0000DS00014_1400000_000)

Mit diesem Spruch zeigten die Richter am Oberlandesgericht Innsbruck, dass sie wie aufgerüttelt wirkten, durch die Anklage  von Amsterdam. Denn das Richterbild könnte in Österreich nachhaltig beschädigt sein, durch Amtsmissbrauch und Korruption. Dennoch beweist ein genauer Vergleich, dass der korrupte Bezirksrichter auch hier ein mildes Urteil fand, während  Stephan Templ ins Gefängnis gebracht wurde.

Der oberösterreichische Bezirksrichter beauftragte seine Frau in 13 Fällen als Sachwalterin tätig zu sein. Er sprach dabei in der Funktion des Bezirksrichters seiner Frau Aufwandsentschädigungen zu.  Er wurde vom Oberlandesgericht Innsbruck am 28. 9. 2015  zu einer bedingten Haftstrafe von drei Monaten und einer Geldstrafe von 6.120 Euro verurteilt. Es wurde erkannt, dass Amtsmissbrauch vorliegt.

Es handelt sich jedenfalls um Mißbrauch der Amtsgewalt (§ 302 Strafgesetzbuch) und um Strafbare Handlungen unter Ausnützung einer Amtsstellung (§ 313 StGB). Das sind strafrechtlich relevante Tatbestände, für die eine bedingte Haftstafe nicht genügen kann.

Doch die 13 Fälle, die dieser Bezirksrichter seiner Frau übertrug, müssten für ein genaues Urteil noch im Detail überprüft werden. Es gilt festzustellen, ob Vermögenswerte entwendet wurden, mit dem strafbaren Tatbestand der “Dauernden Sachentziehung” (§ 135 StGB). Dies würde in Österreich der üblichen Vorgangsweise entsprechen, wenn mittels eines richterlichen Auftrags eine entwickelte Methode von Sachwalterschaft durchgeführt wird.  Die Zielsetzung ist bekannt: Willkürliche Enteignung aller Vermögenswerte.

In der Regel werden dabei auch die Renten nicht korrekt ausbezahlt. Davon ist auch das Urlaubsgeld und die Weihnachtsremuneration betroffen, die in Österreich als voller Monatsbezug ausbezahlt werden und als 13. und 14. Monatsgehalt gelten. Sollte die Frau des korrupten Bezirksrichters auch nur diese beiden Monatsgehälter auf eigene Konten verschoben haben, wie es von solchen Sachwaltern gemacht wird, so würde der Betrag jedenfalls bereits ein Vielfaches der 6.120 Euro betragen, die als Geldstrafe vom Oberlandesgericht bestimmt wurden. Insgesamt ist in Österreich aus solchen Malversationen bei den Renten, durch die entwickelte Methode von Sachwalterschaft, ein Milliardenschaden erzeugt worden.

Stephan Templ im Exil

Nach acht Monaten Haft wurde Templ im Juni 2016 entlassen. Stephan Templ zog sich nach Prag zurück.  Stephan Templ wurde 1960 in Wien geboren. Jetzt kann er nicht länger in einem Land leben, in dem die Rechtsstaatlichkeit nicht mehr gegeben ist:
“I don’t want to live in a place that stole my freedom for no legitimate reason“ (Ich möchte nicht an einem Ort leben, der meine Freiheit ohne rechtliche Grundlage stahl), sagte Stephan Templ der israelischen Tageszeitung Haaretz.

Templ wollte, dass sein Fall noch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg behandelt wird.
Annullierung des Fehlurteils erforderlich

Eine ordentlich vorgenommene Restitution kann die Republik Österreich und ihre Expropriateure weitere Milliarden kosten. Stephan Templ wurde als Kritiker der bisher durchgeführten Restitution in Österreich auffällig. Die weitere Tätigkeit von Templ wird deshalb in Österreich als gefährlich betrachtet. Templ hätte in Publikationen und Vorträgen weiterhin über die Restitution von Immobilien informiert, ob diese Rückgabe ordnungsgemäß durchgeführt wird und wie diese zu geschehen hat. Deshalb wollte man Stephan Templ im Gefängnis haben.

Die Inhaftierung von Stephan Templ war auch ein Angriff auf seine Reputation. Damit er als Autor und Kritiker nicht mehr die entsprechende Wirkung erzielen kann. Das Urteil muss revidiert werden.


Links:

Österreich als Modell der Gegenaufklärung
www.tabularasamagazin.de/oesterreich-als-modell-der-gegenaufklaerung-die-volksanwaltschaft-ist-teil-des-systems/

Struktur der massenweisen Enteignung: Das österreichische Justizministerium
www.tabularasamagazin.de/struktur-der-massenweisen-enteignung-das-oesterreichische-justizministerium/

 

 

 

 

 

 

 

Über Johannes Schütz 107 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel