Die USA wollten der arabischen Welt unbedingt die Illusion verkaufen, dass sie die Politik im Nahen Osten weiterhin gestalten

Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika, Foto: Stefan Groß

Von der europäischen Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet ist in den vergangenen Monaten unter Militärpolitikern des Weißen Hauses eine explosive Idee vorangetrieben worden. Sie könnte die militärische Balance im Nahen Osten ins Wanken bringen. Und zwar kräftig.

 

Es geht um den Plan zur Gründung einer sogenannten „Arab NATO“, auch „Middle East Strategic Alliance“ (MESA) genannt, als Abwehrfront gegen den Iran. Gemeint ist ein Bund der US-Armee mit mehreren arabischen Streitkräften und – wie einige behaupten – auch mit Israel. Im Kern dazugehören sollen Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuweit, Katar, Oman und Bahrein. Eventuell könnten noch Marokko und Jordanien dazustoßen. Manche Quellen berichten, angestrebt sei zudem die Einbeziehung von Söldnern des größten US-amerikanischen privaten Sicherheits- und Militärunternehmen Academi (ehemals Blackwater).

 

Doch es hagelt Kritik an der Arab NATO. „Das ist eine Idee, deren Zeit nicht gekommen ist und die auch nie kommen wird,“ kommentiert das renommierte weltweite Netzwerk für Politikforschung Carnegie Endowment, Washington, DC. Dennoch sollte man sich mit dem Projekt beschäftigen. Überlegungen für eine Arab NATO werden nicht erst seit Donald Trump angestellt. Schon unter Barack Obama haben die USA nach Möglichkeiten gesucht, die militärische Kooperation mit arabischen Staaten gegen Iran zu vertiefen.

 

Washington wünscht mehr Kampfkraft und Entlastung zugleich

 

Hintergrund für die Wiederbelebung des ungewöhnlichen Paktplanes ist der Wunsch von US-Politikern, dem in Washington verhassten Mullah-Regime im Iran geballte Macht entgegenzusetzen, analysiert Carnegie. Gleichzeitig solle das Engagement laut Weißem Haus auf keinen Fall dazu führen, dass die USA noch mehr Blutzoll und Finanzbelastungen in der Region tragen müssen, denn das ist in den Vereinigten Staaten unpopulär. Man kann auch sagen: Washington möchte sich durch die Einbindung von Stellvertreterkriegführenden einen schlanken Fuß machen – es bildet aus und rüstet auf, das Kämpfen übernehmen die anderen.

 

Was beim Wiederaufwärmen der Idee unter Trump problematischer ist, als bei Obama, ist der Vorschlag des Weißen Hauses, die Anti-Iran-Kräfte in der arabischen Welt tatsächlich in Aktion treten zu lassen. Unter Obama wollte man sie durch einen Pakt eher zügeln. Nun heißt es: „MESA wird ein Bollwerk gegen Aggression, Terror und Extremismus aus Iran sein und damit Stabilität in den Nahen Osten bringen,“ zitiert die britische Nachrichtenagentur Reuter einen ungenannt bleibenden Sprecher des US-Sicherheitsrates. Gedacht sei an koordinierte Marineaktionen, Raketenabwehr und Antworten auf militärische Aggression sowie Anti-Extremismus-Maßnahmen.

 

Doch die zu überwindenden Hürden sind erheblich. Die Arab NATO wäre mit den genannten Akteuren eine geradezu abenteuerlich zusammengesetzte Allianz. So betreibt das kleine, aber einflussreiche Katar eine iranfreundliche Politik. Dafür steht es bei allen Nachbarn in Misskredit, insbesondere in Saudi-Arabien, das im vergangenen Jahr eine Blockade über das Scheichtum verhängt hat. Auch das neutral agierende Sultanat Oman ist Iran gegenüber nicht abgeneigt und hat sich bereits geweigert, der momentan kämpfenden arabischen Jemen-Allianz beizutreten, ebenso wie Kuweit.

 

„Die Wahrheit ist, dass alle arabischen Staaten zugleich Verbündete wie regionale Wettbewerber sind – und dass jeder als Hauptakteur anerkannt und im Zentrum des Geschehens stehen will,“ gibt das internationale verteidigungspolitische Portal Defense News aus Virginia zu bedenken. Außerdem hätten die arabischen Militärs höchst unterschiedliche Fähigkeiten und Kapazitäten. Ihre Waffensysteme seien zum Teil inkompatibel.

 

Alles eine Fata Morgana?

 

Wie soll das alles zusammenpassen? Die Verschmelzung bedürfte jedenfalls jahrelanger Ausbildung und einer komplizierten technischen Angleichung. Ein kurzfristiger Effekt ist damit ebenso ausgeschlossen, wie die Garantie, dass die USA nicht doch zum Hauptzahler würden – was Trump schon bei der „echten“ NATO nicht schmeckt.

 

Kann man also davon ausgehen, dass die „Arab NATO“-Träume im Weißen Haus bald vom Tisch sind? Wohl eher nicht. Denn erst dieser Tage hat US-Präsident Trump die MESA-Pläne öffentlich wieder ausdrücklich gelobt.

 

Sicher werden die Vereinigten Staaten das Thema dieser Tage bei der gerade eröffneten 86. UN-Generalversammlung (UNGA) in New York hinter den Kulissen erörtern. Trump und sein Außenminister Mike Pompeo seien geradezu „besessen“ von dem Wunsch, eine Militärallianz gegen Iran aufzustellen, heißt es unter Diplomaten. Doch noch scheint’s zu hapern: Ein Gipfeltreffen der möglichen Militärkoalitionäre schon Mitte Oktober 2018 in Washington ist soeben auf das nächste Jahr verschoben worden.

 

In trockenen Tüchern sei jedenfalls nichts, merkt der konservative Nahost-Analytiker Geoffrey Aronson an: „Absichtserklärungen sind im Nahen Osten leicht zu haben, doch die politische Landschaft der Region ist übersät mit den Leichen großartiger Ideen für eine gemeinsame Sicherheit.“ Die US-Nachrichtenagentur Bloomberg rät Trump in einem Online-Leitartikel, sich eher auf eine informelle Zusammenarbeit irankritischer Kräfte im Nahen Osten und auf die Konfliktlösung in Katar und im Jemen zu konzentrieren.  „Das würde den Interessen aller nutzen.“

 

Doch die USA wollten der arabischen Welt unbedingt „die Illusion verkaufen, dass sie die Politik im Nahen Osten weiterhin gestalten – bei möglichst geringen Opportunitätskosten,“ merkt zenith an, das unabhängige deutsche Fachmagazin, das sich mit der arabisch-islamischen Welt beschäftigt. Fazit: Bislang sind die Washingtoner Ideen nichts als eine Fata Morgana im glühenden Wüstenwind, die Wasser nur vorgaukelt – wie bei so manchem Beitrag aus dem heutigen Weißen Haus.