Juden und Muslime im Kontext säkularer Wissensproduktion

Jüdisches Denkmal in München, Foto: Stefan Groß

Die folgende Rezension basiert auf o.g. Artikel aus dem Buch „Der inspizierte Muslim“, herausgegeben 2018 von Schirin Amir-Moazami vom transcript-Verlag. Das Buch stellt die neuesten Ergebnisse der Islamforschung vor.

Der Artikel lautet im Original:

Säkularismus als Praxis und Herrschaft:

Zur Kategorisierung von Juden und Muslimen im Kontext säkularer Wissensproduktion

und ist nicht für Leser geeignet, die die deutsche Sprache lieben. Ich habe ihn deshalb in verständlicheres Deutsch übersetzt.

Im Artikel wird die Frage angegangen, ob und wie Geschriebenes (gesammeltes Wissen, Narrative) über Juden und Muslime in Deutschland/Frankreich/Europa mit dem Holocaust zusammenhängt. Die Antworten sind denkbar einfach. Wenn man über Juden schreibt, ist der Holocaust immer dabei, bei Muslimen nie. Es hat Muslime/Araber gegeben, die Juden vor den Nazis gerettet haben. Doch Muslime/Araber werden nicht von den Nazis bedroht, sondern sind mit ihnen gewöhnlich verbündet.

Es werden zwei Ereignisse behandelt, die das Judentum und den Islam betreffen:

  1. A) Die Karikaturen von Charlie Hebdo, die nach dem islamischen Überfall in Paris um die Welt gehen und Deutschland erreichen.
  2. B) Die Beschneidungsdebatte, die durch ein grenzwertiges medizinisches Vorgehen eines muslimischen Urologen entsteht, sich von Köln aus in bundesweit ausbreitet und schließlich in Berlin geregelt wird.

 

Zu A)

Eine verbreitete Mohammed-Karikatur von Charlie Hebdo diffamiert den Gesandten Allahs und letzten Propheten (Siegel) als irren Terroristen. Laut Narrativ (Koran) ist Mohammed eindeutig ein Terrorist gewesen.

Die Karikatur mit dem Bildnis eines Rabbiners, die in Deutschland veröffentlicht wird, wird zurückgezogen, weil sie nicht von Charlie Hebdo, sondern aus der Feder eines französischen Nazi und Antisemiten stammt. Der Fehler entsteht, da die Deutschen Verlage übereifrig in ihrer Suche nach Schund sind. Im Übrigen findet man ausreichend judenfeindliche Karikaturen bei Charlie Hebdo, worüber sich Juden gewöhnlich nicht beschweren, da sie über Erfahrungen verfügen, die den Muslimen fehlen.

 

Zu B)

Bei der Beschneidungsdebatte, die schließlich im Deutschen Bundestag entschieden wird, handelt es sich nicht um eine islamische, sondern nur um eine jüdische Beschneidung. Muslimische Verbände springen mit gemischten Gefühlen auf den jüdisch-antisemitischen Zug auf, da sie zwar von der Debatte profitieren, andererseits nicht in allzu naher Verbindung zu Juden gebracht werden wollen. In einem Bundestagsgesetz wird geregelt, unter welchen medizinische Vorsichtsmaßregeln und juristischen Sicherheitsmaßnahmen (Kautelen) bei neugeborenen jüdischen Knaben eine religiöse Zirkumzision abläuft. Das ist deshalb notwendig, weil die Zirkumzision in den allermeisten Fällen – es gibt medizinische Ausnahmen – nach jüdischer Vorschrift am 8. Tag nach der Geburt stattfinden muss, um später als vollkommener Jude zu gelten. Männliche Muslime sind nicht verpflichtet, sich einer Beschneidung zu unterziehen. Es gibt demzufolge auch keine besonderes Alter, wann die Beschneidung erfolgen soll. Das Alter des Muslims bei der Beschneidung ist in den verschiedenen islamischen Ländern unterschiedlich geregelt. Als Islam-Konvertit ist die Beschneidung nicht vorgeschrieben. Die meisten europäischen Konvertiten, die sich dem IS angeschlossen haben, sind an der vorhandenen Penisvorhaut identifiziert worden.

 

Folgende interessante apodiktische Sätze erscheinen im Aufsatz:

Der politische Säkularismus ist ein Resultat der europäischen Kriege des 17. Jahrhunderts. Er hat eine globale Dimension und wird als universelles Gut betrachtet.

Damit wird ausgedrückt, dass der Säkularismus wegen seines Entstehungsortes (Europa im Krieg) bis heute existiert. Islamische Länder akzeptieren den Säkularismus bis heute nicht, was sich in den folgenden Jahrhunderten kaum ändern wird. Eher kommt der Klimawandel.

Warum reagieren Muslime anders auf Kritik als Juden oder Christen?

Nach Meinung der Autoren suggeriert die Frage eine politische und universale Gleichheit zwischen den unterschiedlichen religiösen und ethnischen Gruppen. Ungleichheiten werden somit ausgeblendet. Gleichzeitig darf es nur eine wahre Reaktion geben. Zur der Beantwortung der Frage wird Muslimen vorgeworfen, sich nur unwillig selbst zu reflektieren, so wie es säkulare Bürger tun. Dieser Vorwurf ist in der Realität nachvollziehbar.

Die Diffamierung eines einzigen Juden wird in Deutschland und in der EU noch heute als eine Diffamierung aller Juden verstanden.

Diese Behauptung beruht auf blanken Judenhass. Der rational denkende und handelnde Mensch kann wohl zwischen einen Angriff auf einen einzelnen Juden als Einzelperson und einem Angriff auf alle Juden als Kollektiv unterscheiden. Dass es dumme und bösartige Menschen gibt, die einen Juden angreifen und damit allen Juden schaden möchten, spricht nicht gegen die These. Auf islamisch dominierten Demonstrationen, die in Deutschland immer noch nicht gänzlich verboten sind, wird zur Vernichtung einzelner Juden aufgerufen (Jude, Jude, feiges Schwein …). Gemeint ist selbstredend das jüdische Kollektiv.

Das Wort „Antisemitismus“ zieht Araber mit ein.

Quatsch. Unter vielen Muslimen grassiert der Holocaustneid und die Holocaustrelativierung. Damit wird die Achtung vor dem deutschen Nationalsozialismus erklärt. Die muslimischen Autoren meinen, dass es heute wieder ein deutsches Schutzjudentum gäbe.

Der Antisemitismus sei wissenschaftlich überwindbar, glauben die Wissenschaftler.

Dieser Behauptung schließe ich mich an.

Säkulare, also atheistische Juden- und Moslemhasser sind der Ansicht, dass die Traditionen der jüdischen und der muslimischen Minderheit gebrochen werden müssen, um eine allgemeine Säkularität zu entwickeln.

Die Wunschvorstellung ist für Juden gefährlich. Muslime werden in der EU bald keine Minderheit mehr sein.

Karikaturen von Charlie Hebdo sind gegenüber dem Judentum nicht religionskritisch, wohl aber gegenüber dem Islam.

Dies ist ein gutes Beispiel für den Holocaustneid.

 

 

 

Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.