Marthe Cohn: Im Land des Feindes. Eine jüdische Spionin in Nazi-Deutschland

Judengasse in Salzburg, Foto: Stefan Groß

Marthe Cohn: Im Land des Feindes. Eine jüdische Spionin in Nazi-Deutschland, Aus dem Englischen übersetzt von Petra Post und Andrea von Struve, Schöffling & Co Verlag, Frankfurt/Main 2018, ISBN: 978-3-89561-667-9, 26 EURO (D)

Dieses Buch erzählt die Geschichte der französischen Jüdin Marthe Hoffnung Cohn, die als Spionin ihr Leben aufs Spiel setzte, um im NS-Staat kriegswichtige Erkenntnisse auszukundschaften. Sie stammte aus Metz, der französischen Grenzregion und nahm verfolgte jüdische Kinder bei sich auf und verhalf Menschen zur Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschland in die Freiheit. ist ihr dieses Engagement eine Selbstverständlichkeit.

Der wahre biographische Roman beginnt mit einem spannenden Einstieg in das Jahr 1945, wo ein kurzer Einblick in ihre Gefühlswelt als Spionin gegeben wird. Danach folgt ein Zeitsprung zurück und beginnt mit der Kindheit und Jugend von Marthe Cohn in Lothringen und ihre persönliche Entwicklung hin zur Spionin im antifaschistischen Kampf gegen den Nationalsozialismus. Der Spannungsaufbau steigert sich zunehmend, wenn die Leser dann ihre wagemutigen Erlebnisse als Agentin geschildert bekommen. Man erfährt auch viel vom Schicksal ihrer Familie in der NS-Zeit, im Epilog erzählt sie dann noch die Lebensgeschichte der Protagonisten des Romans nach Beendigung des 2. Weltkriegs.

Für ihren Einsatz erhielt sie vom französischen Staat hohe Ehrungen. Sie arbeitete nach dem 2. Weltkrieg als Krankenschwester im damaligen Indochina. Nach ihrer Pensionierung fand sie Zeit und Kraft, um ihre Geschichte als Spionin in der NS-Zeit aufzuschreiben. Im Epilog heißt es rückblickend: „Der Krieg hat mich eine Menge Dinge gelehrt, unter anderem, dass es von den Umständen abhängt, ob ein Mensch mutig oder feige ist. Es heißt, dass der Krieg das Beste und das Schlechteste in einem Menschen hervorbringt, und bei mir war mit Sicherheit beides der Fall. Wenn ich an die vielen Menschen denke, die ihr Leben für uns aufs Spiel gesetzt haben, hilft mir das, die bittereren Erinnerungen an jene, die so grausam waren, leichter zu ertragen. Der Krieg lehrte mich auch, das Unvermeidliche zu akzeptieren und das Schöne, was mir widerfahren ist, zu würdigen (…). Die tiefe Verbundenheit mit all denen, die ich verloren habe, aber auch mit jenen, die mir erhalten geblieben sind, hat mir selbst in dunklen Momenten Kraft gegeben.“ (S. 383)

Mit viel Gefühl zeichnet Marthe Cohn ihren selbstlosen und lebensgefährlichen Einsatz für andere Menschen und gegen ein menschenverachtendes Regime. Man fühlt sich in ihren Schilderungen leibhaftig in das damalige Geschehen hineinversetzt und bekommt einen Blickwinkel für die Opfer der NS-Schreckensherrschaft. Ein sehr gut geschriebener und eindrucksvoller Schicksalsbericht.

 

Über Michael Lausberg 572 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.