Vor ein paar Wochen outete sich Angela Merkel wieder mal als patriotische Fußball-Fanin (gendergerechtes und natürlich-geschlechtliches Suffix). Ungeachtet ihrer immensen Arbeitsbelastung als Bundeskanzlerin, fand sie in ihrem Terminkalender genügend Zeit und Muße, „unsere Mannschaft“ im Traningscamp zu besuchen. Sie weiß, in schwierigen Zeiten – wie in der sich unendlich hinziehenden „Flüchtlingskrise“ – müssen wir, die schon länger hier leben, und diejenigen, die noch nicht so lange hier leben, zusammenhalten. Das von Herzen kommende, patriotische „Wir-Gefühl“ bedarf – anders als der Habermas-Rothsche Verfassungspatriotismus – von Zeit zu Zeit der emotionalen Stärkung, vor allem wenn das Volk, der alte Lümmel, anfängt zu grummeln. Im Fußballkrieg geht kein Deutscher von der Fahne.
Das weiß auch Merkel. Frage: Rührt ihre Begeisterung für den deutschen Fußball, für „unsere“ Nationalelf, allein daher? Vor Augen treten TV-Bilder, wo wir unsere Kanzlerin in liebesrotem Blazer die Arme hochreißend über ein Tor unserer Truppe jubeln sehen. Die Frau ist also zu Emotionen fähig. Ihre Fußballbegeisterung schweißt – im Rhythmus von EM und WM – das Volk als Post-Nation zusammen.
Für ein paar Wochen dürfen, ja sollen auch Fahnen geschwenkt werden. Selbst Tante Antifa muss im Kampf gegen den Nationalismus eine Pause einlegen. Und die – erkennbar naivere – Seelenverwandte Karin Göring-Eckardt springt ihrer Kanzlerin bei, indem sie auch türkische Fahnen geschwenkt sehen möchte, da oder obgleich Erdogans Truppe in Russland nicht mitmachen darf. Außerdem kämpfen mit Özil und Gündogan zwei bekennende Herzenstürken und Erdogan-Anhänger in Russlands Stadien für den deutschen Endsieg. Den beiden Millionenverdienern sowie der ganzen deutschen Löw- Mannschaft galt Merkels Besuch im Trainingslager zu Eppan, Südtirol. Merkel, protestantische Pfarrerstochter, trat dort als Seelsorgerin auf. Sie sorgte sich darum, dass die deutsche Volksseele angesichts von Jogi Löws – Grünen-Deputierter bei der Wahl des Bundespräsidenten – Nationalelf beim „public viewing“ – oder gar in russischen Stadien – sich nicht in Pfeifkonzerten ergießen möge.
Derlei „hässliche“ Bilder könnten Merkels Image als krisenfeste Kanzlerin beschädigen. Denn Politiker und Sportsoziologen wissen: Fußball war noch nie die wichtigste Nebensache der Welt. Er ist auf allen Ebenen seiner Inszenierung – von der Vergabe der WM an Länder wie Qatar oder jüngst an die von Trump gefährdete nordamerikanische Staatengemeinschaft über die vermeintlich völkerverbindenden Schlachten bei der WM oder EM („Respekt“) bis hin zu dem Gejohle und den Prügeleien in der „Fankurve“ der Stadien – ein Politikum. Wer bei Fußballspielen „seiner“ Mannschaft sich nicht in der Ehrenloge sehen lässt, hat als Politiker beim (lokal-)patriotischen Wahlvolk schlechte Chancen.
Für ein paar Tage oder Wochen – je nach Laune des Fußballkriegsgottes – darf sich Merkel über die möglichen Erfolge von Löws Truppe – ihrer Truppe – in Russland freuen. Sie weiß um die angeschlagene Moral ihrer Mannschaft und ihres Volkes nach den politischen Verfehlungen der Migrantensöhne Mesut und Ilkay. Und auch wir wissen, dass Merkel auf einen deutschen Endsieg hofft. Denn das Fußballspektakel, glaubt Merkel, lenkt das Volk für ein paar Wochen von seinem Unmut über die ewige „Flüchtlingskrise“ ab.
Darüberhinaus ist das heute eröffnete schwarz-rot-goldene Fahnenspektakel – von noch ungewisser Dauer – auf den Straßen und in den Kneipen geeignet, das Volk von seiner „kollektiv“ erlittenen – und unter veränderten Umständen erleidenden – Geschichte abzulenken. Zwei Geschichtsdaten zur Erinnerung: 1) Am 16. Juni 1953 legten die Bauarbeiter auf der Stalinallee ihre Arbeit nieder – die Ouvertüre zum Volksaufstand am 17. Juni (ehedem „Tag der deutschen Einheit“). 2) Am 22. Juni 1941 eröffnete Hitler seinen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Anders als in Merkels Multikulti-Deutschland ist das Datum in Russland unvergessen.
Was Merkels termingerecht erwachten Fußballpatriotismus betrifft, so finden wir die Erklärung in Roland Tichys jüngstem Kommentar (unter der Überschrift „Merkel oder die Morde, die Deutschland verändern“https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/merkel-oder-morde-die-deutschland-veraendern/ ): „Ihr Scheitern ist offensichtlich: Ein früher vorzüglich verwaltetes Land versinkt in einem Strudel des Staatsversagens. Seine Institutionen sind der Lächerlichkeit preisgegeben – das Parlament ebenso wie Polizei und Gerichtsbarkeit; der so schmerzhaft sanierte Sozialstaat wird geplündert; die Bundeswehr kümmert sich um Babyausstattung und, man glaubt es nicht, um Luftregulierung in den Schützenpanzern, die auch Schwangeren den Einsatz erlauben sollen.
Aber Merkel bleibt. Eisern. Wie festgeklebt. Die Pattex-Kanzlerin hätte längst zurücktreten müssen, schreibt der britische Historiker Niall Ferguson. Mehr Regierung gegen das eigene, ungeliebte Volk war nie.“
Quelle Herbert Ammon
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