Der diskrete Antiziganismus der Bourgeoisie

Armut in Deutschland, Bettlerin, Foto: Stefan Groß

Die Aachener Zeitung AZ ist ausnahmsweise zu Recht empört! Das „Café Zuflucht“, welches in Aachen seit Jahrzehnten Flüchtlinge aller Herren und Damen Länder betreut und berät, muss schließen, weil das Land NRW und die Stadt Aachen ihren 70%-gen Anteil an Fördergeldern verweigern, die insgesamt  400.000 € im Jahr betragen. Dabei verbürgen sich die Mitarbeiter des „Café Zuflucht“, dass Flüchtlinge, die Aachen von überall her erreichen, fair behandelt und bestmöglich integriert werden. Diese ureigene politische und kommunale Aufgabe können Land und Stadt nicht zusichern, schon gar nicht zu den o.g. Preisen.

Land und Stadt fühlen sich verpflichtet, die geldwerte Förderung einzustellen, da sich ein Gericht in die Angelegenheiten von „Café Zuflucht“ einmischt. Vor einem Jahr fällt dem Ausländeramt der Städteregion Aachen auf, dass aus Kumanovo in Mazedonien ständig Roma-Familien in Aachen stranden, um einen Asylantrag zu stellen. Innerhalb eines Jahres werden in Aachen Hunderte Roma aus Kumanovo registriert. Das bemerken die fleißigen unkündbaren Beamten des Ausländeramts der Städteregion Aachen! Staats-, selbst- und pflichtbewusst informiert das Amt nach einer Denkpause unbekannter Länge die Staatsanwaltschaft. Ermittlungen ergeben, dass die  meisten Roma aus Kumanovo voneinander kaum abweichende Anträge beim Ausländeramt abgeben und dass sie von einem Roma des „Café Zuflucht“ beraten und betreut werden, der selbst aus Kumanovo stammt. Unter den Roma in Kumanovo soll das Aachener „Café Zuflucht“ bekannt sein.

Unabhängig vom noch zu beweisenden Tatbestand wird die Geschichte nur die einfachen Gemüter erregen, die Ressentiments gegen Roma und Sinti, gegen Ausländer und Flüchtlinge und somit auch gegen Juden hegen. Der Leser, der keine Ressentiments gegen Roma, Sinti, Ausländer und Flüchtlinge verspürt – Ressentiments gegen Juden und vor allem Israel mögen zugelassen sein, weil sie nicht kurierbar sind – wird sich fragen, worin die Straftat des Roma vom „Café Zuflucht“ besteht. Ist es etwa verboten, als Roma aus Kumanovo in Aachen um Asyl zu bitten? Gibt es in Aachen eine Obergrenze für Asylantragsteller aus Kumanovo, wenn sie Roma sind, wo selbst in CSU-Land Bayern eine solche rassistische Roma-Obergrenze unbekannt ist? Wären die Beamten des Ausländeramt der Städteregion Aachen zufrieden, wenn die Zahl der Roma aus Kumanovo in Aachen sinken und stattdessen die Zahl der Bürger aus dem (ehemaligen?) Islamischen Staat steigen würde? Wir kennen die Antworten auf diese Fragen nicht.

Zum besseren Verständnis: Juden und Roma hegen untereinander (üblicherweise) keine Ressentiments. Die Ressentiments der Deutschen basiert auf die Geschehnisse des 3. Reiches, unter denen Juden und Roma gleichermaßen gelitten haben. Der überzeugte deutsche Antihitlerist kennt deshalb keine Ressentiments gegen Roma oder unterdrückt sie. Die Wurzeln des Judenhasses liegen theologisch und historisch weitaus tiefer und können deshalb nicht so einfach wie der Antiziganismus wegdrückt werden. Deshalb ist es nicht selten, dass ein Roma-Freund gleichzeitig ein Juden- und Israelkritiker ist, was sich in Leserbriefen der AZ niederschlägt.

Der Grund für die Einmischung des Gerichts liegt wohl im politischen Paradigmenwechsel: Die Parteien, die bisher die unregulierte (früher: illegale) Zuwanderung warum auch immer bejaht haben, fürchten um ihre Macht. Subjektiv und zuweilen objektivierbar missfallen dem Wahlvolk die  Konsequenzen der unregulierten Zuwanderung. In unserer freiheitlichen Demokratie ist das Volk der Souverän, der einen gewissen Einfluss auf die Zusammensetzung des höchsten Parlaments (in Deutschland) ausübt. Zudem muss sich die Demokratie an vereinbarte Gesetze halten, die sie nicht je nach Gemütslage brechen darf. Nicht nur der Islamismus, auch die christliche Ethik hat sich dem staatlichen Gesetz unterzuordnen!

 

Wir können deshalb davon ausgehen, dass das Aachener Gericht einer viel größeren Schweinerei auf der Spur ist, als es die AZ zu verbreiten wagt. Falls sie überhaupt weiß, worum es geht.

 

Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.