Der Streit um die Unregelmäßigkeiten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nimmt kein Ende. Jetzt hat der ehemalige Chef des Bamf, Frank-Jürgen Weise, die Bundesregierung, insbesondere den früheren Innenminister, Thomas de Maizière, scharf kritisiert. Auch die Bundeskanzlerin steht im Fokus der Kritik.
Mit ihrem Pro-Einwanderungskurs irritiert die GroKo in aller Regelmäßigkeit die Bevölkerung. Die Willkommenskultur sorgt in Deutschland für Unbehagen und stärkt die AfD. Während Alexander Gauland auf der einen Seite mit total unangebrachten Nazisprüchen (der Nationalsozialismus sei nur ein „Vogelschiss“ in 1000 Jahren deutscher Geschichte) für berechtigte mediale Furore sorgt und mit derartigen Provokationen das „bürgerliche“ Korsett der AfD nach außen hin in aller Regelmäßigkeit beschädigt und seiner Partei damit wahrlich keinen Gefallen tut, hat die Bundesregierung ihrerseits mit den Unregelmäßigkeiten beim Bamf einen handfesten Skandal.
Nun macht der ehemalige Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise auf die Bundesregierung Druck. Nie, so Weise, hat er eine Behörde in einem schlechteren Zustand erlebt. Delikat an der Angelegenheit ist, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Missstände informiert war, denn Weise hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass das Bamf in einem miserablen Zustand ist. Die Datenverarbeitung als auch der Aufbau- und die Ablauforganisation seien katastrophal. Es ist daher völlig unerklärbar, „wie angesichts dieses Zustandes davon ausgegangen werden konnte, dass das Bamf den erheblichen Zuwachs an geflüchteten Menschen auch nur ansatzweise bewerkstelligen könnte“, kritisierte Weise in der „Bild am Sonntag.“
Für Deutschlands führendem Behördenmanager Frank-Jürgen Weise, der in der Flüchtlingskrise neben der Arbeitsagentur zeitweise auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) leitete, steht sein guter Ruf auf dem Spiel. Merkel hatte den Guru der Prozessoptimierung damals selbst für den pikanten Posten vorgeschlagen. Weise ist zwar krisenerprobt, aber kein Zauberer, um die Vorgaben des Kanzleramtes zu erfüllen. Die direkte Weisung aus Berlin, eine Million Asylentscheidungen pro Jahr durch das Bamf zu regulieren, entsprach einer zehnfachen Steigerung des Outputs, da es sich im Vorjahr lediglich um 97.415 abgeschlossene Verfahren handelte. Eine Überforderung der Bamf-Behörde war damit a priori programmiert.
Weise zieht die Reißleine
Nun hat Frank-Jürgen Weise die Reißleine gezogen und will nicht als Buhmann in der Kritik stehen. Berlin wirft er Handlungsstau vor. Die bürokratische Institution in Nürnberg mit ihren Beamten war seit 2015 schlichtweg überfordert und das hat zu unhaltbaren Zuständen, zu einem regelrechtem „Organisationsversagen“ geführt.
Bereits 2017 hatte Weise als „Beauftragter für Flüchtlingsmanagement“ in vertraulichen Berichten nach Berlin immer wieder auf die katastrophale Lage hingewiesen, Berlin hingegen die kalte Schulter gezeigt. Mitschuldig an den derzeitigen Zuständen sei auch der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), so Weise, der nicht erkannt hat wie überfordert das Flüchtlingsamt war. „Ein funktionierendes Controlling hätte bereits im Jahr 2014 eine Frühwarnung gegeben“, so informiert der „Spiegel“ Dagegen ist das Bamf auf einen faktischen Konkurs zugesteuert. Es fehlt nach wie vor an Personal und an einer qualitativen Strukturierung der Behörde. Im Flüchtlingsjahr 2015 mussten die Asylentscheider – quasi im Schnellverfahren – zweitausend Fälle bearbeiten. Die IT brach unter dem Ansturm der Flüchtlingswelle schier zusammen, der „Totalausfall aller System“ drohte. Über 30 Prozent aller Asylakten wiesen „kleinere bis gravierende Fehler“ auf. Und für die Prüfung aller syrischen Ausweisdokumente auf ihre Echtheit gab es lediglich drei Personalstellen.
Der Vorwurf gegen Thomas de Maizière betrifft in erster Linie die gravierenden Sicherheitslücken bei der Flüchtlingswelle. Erst 2016, viel zu spät, reagierte Berlin. Die quälende Frage bleibt, warum die „solche gravierenden Sicherheitslücken“ nicht erkannt und beseitigt wurden, warum es kein „funktionierendes internes Kontrollsystem“ und „eine arbeitsfähige interne Revision“ beim Bamf bei der Amtsübernahme Weises nicht gegeben habe.
Ein Untersuchungsausschuss wäre auch ein Tribunal über die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel
Wenn Weise nun in der nächsten Sitzung des Innenausschusses zur Asyl-Affäre aussagt und seine schonungslose Bilanz von Anfang 2017 wieder in den Raum wirft, könnte es auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel unangenehm werden. Das „Organversagen“ ist nicht nur an die Adresse des ehemaligen Innenministers adressiert, sondern auch an das Bundeskanzleramt. Laut „Bild am Sonntag“ hatte sich Weise mit Merkel 2017 zwei Mal getroffen, um über die Missstände zu informieren. Passiert ist nichts. Kanzlerin Merkel scheint weiterhin gegen Kritik immun. Doch wenn es zu einem Untersuchungsausschuss käme, wäre das gleichzeitig ein Tribunal über Merkels Flüchtlingspolitik, das man derzeit noch verhindern will. Auch für Peter Altmaier (CDU), den Ex-Kanzler-Chef, der in dieser Funktion der zentrale Kopf der Flüchtlingspolitik in der Regierung Merkel III war und im Oktober 2015 zum „Flüchtlingskoordinator“ bestellt wurde, droht Ungemach, denn Altmaier stand politisch für den Ansatz, den „Migrantenzuzug geordnet ablaufen zu lassen, statt den vielleicht vergeblichen Versuch zu unternehmen, ihn einzudämmen. Dazu gehörte auch, die Verfahren im BAMF möglichst schnell zu machen. Eine Prioritätensetzung, die damals die überwältigende Mehrheit der Beobachter richtig fand, die heute jedoch kritischer gesehen wird“, heißt es in der „Welt.“
Der Fall Josefa Schmid
Klar ist, dass nun Köpfe rollen müssen. Bisher wurde nur Josefa Schmid, die ehemalige Leiterin der Bremer Behörde entlassen, aber nicht weil sie die Missstände verschwieg, sondern offengelegt hatte. Die Disziplinarmaßnahme gegen Schmid hatte den Bamf-Skandal erst ins Rollen gebracht. Die Juristin, die im Januar 2018 von Deggendorf nach Bremen versetzt wurde, hatte im April 2018 dem Bundesinnenministerium offengelegt, dass mindestens 3332 Asylanträge unzulässiger weise in Bremen bearbeitet wurden. Das Schmidt die illegalen Machenschaften ihrer Vorgängerin Ulrike B. und weiterer Personen zur Sprache brachte und den verdacht äußerte, dass selbst die Zentrale in den Fall sei, führte schließlich zur Strafversetzung durch Bamf-Präsidentin Jutta Cordt.
Der Beitrag erschien zuerst auf The European