Peter H. Wilson: Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie

Kreuz, Foto: Stefan Groß

Peter H. Wilson, Fachmann für deutsche Geschichte und Militärgeschichte. ist Inhaber den Chichele-Lehrstuhl für Kriegsgeschichte am All Souls College der University of Oxford und legt ein monumentales Werk über den Dreißigjährigen Krieg zum angehenden 500ten Jahrestag des Prager Fenstersturzes 1618.

Das Buch geht von drei zentralen Thesen aus: Da in anderen Darstellungen einzelne Facetten des Dreißigjährigen Krieges herausgegriffen wurden, will Wilson die unterschiedlichen Aspekte wieder miteinander verknüpfen. Die zweite These lautet, dass der Dreißigjährige Krieg „nur insofern ein Religionskrieg“ war, „als der Glaube in der Frühen Neuzeit das leitende Prinzip in allen Bereichen öffentlichen oder privaten Handels lieferte.“ (S. 25) Weiterhin betont er als dritte These, dass der Krieg keineswegs unvermeidlich war.

Im ersten Teil liefert Wilson die Begründung für diese These. Er beschreibt die Hintergründe des Ausbruchs des Krieges und seinen Auslöser: den Prager Fenstersturz: In Böhmen eskalieren diese Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und den katholischen Machthabern im Frühjahr 1618. Böhmen ist zu 90 Prozent protestantisch und der Adel will die ungeliebte katholische Herrschaft sowieso loswerden. Als dann die habsburgische Landesherrschaft die Religionsfreiheit der Protestanten, die im sogenannten Majestätsbrief zugesichert ist, rückgängig macht, ist das der Funkenschlag, der den Krieg auslöst. Die Adligen demütigen den böhmischen König Ferdinand II., der gleichzeitig habsburgischer Kaiser ist, indem sie seine Statthalter samt Sekretär aus dem Fenster werfen.

Im zweiten Teil folgt eine Chronologie der Kriegsereignisse. Dabei geht er auf die zunehmende Europäisierung des Krieges und deren Verlauf ein, in dem sich auf europäischer Ebene der habsburgisch-französische Gegensatz und auf Reichsebene derjenige zwischen Kaiser und Katholischer Liga einerseits und Protestantischer Union andererseits entluden. Gemeinsam mit ihren jeweiligen Verbündeten im Reich trugen die habsburgischen Mächte Österreich und Spanien ihre dynastischen Interessenkonflikte mit Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden aus.

Die anderen Kapitel beleuchten die politischen Folgen des Krieges und das Leid in der ganz normalen Bevölkerung. Die Folgen für die Bevölkerung des Gebietes des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation waren verheerend. Die Kriegshandlungen selbst, aber auch die durch sie verursachten Hungersnöte und Seuchen verwüsteten und entvölkerten ganze Landstriche. In Teilen Süddeutschlands etwa überlebte nur ein Drittel der Bevölkerung. Nach den wirtschaftlichen und sozialen Verheerungen benötigten einige vom Krieg betroffene Territorien mehr als ein Jahrhundert, um sich von deren Folgen zu erholen.

Der 1648 geschlossene Westfälische Frieden war ein Kompromiss zwischen allen beteiligten Parteien, der möglich wurde, weil durch die totale Erschöpfung der Ressourcen und die allgemeine Kriegsmüdigkeit keine Seite durch die Fortführung des Krieges etwas gewinnen konnte. Das umfangreiche Regelwerk umfasst neben einem revidierten Religionsfrieden auch weitgehende Regelungen der Verfassungsverhältnisse des Reiches, die auf einen Ausgleich zwischen Kaiser und Reichsständen bedacht sind. Damit wurde der Friedensvertrag neben der Goldenen Bulle zum wichtigsten Dokument der Reichsverfassung.

Insgesamt gesehen lässt das Buch zur Vorgeschichte, der Chronologie und den Folgen keine Wünsche offen. Hervorzuheben sind die Angaben im Anhang über Karten und Schlachtenpläne, das Personenregister und das umfassende Literaturverzeichnis. Das Buch ist sicherlich neben dem Werk von Herfried Münkler[1] ein neues Standardwerk über den Dreißigjährigen Krieg und seine Folgen.

 

[1] Herfried Münkler: Der Dreissigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618-1648, Rowohlt, Berlin 2017, ISBN: 978-3-87134-813-6

Weiterer Lesetipp

Kersten Knipp: Im Taumel. 1918 – ein europäisches Schicksalsjahr

 

Peter H. Wilson: Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie, Theiss Verlag, Darmstadt 2017, ISBN: 978-3-8062-3628-6

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Über Michael Lausberg 572 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.