Österreichische Volksanwaltschaft legt Jahresbericht für 2017 vor: Erschreckende Fakten über die Verletzung von Grundrechten

Bild: Volksanwaeltin Brinek und Volksanwalt Fichtenbauer mit Jahresbericht 2017 (Foto: Volksanwaltschaft Pressematerial)

Österreich bleibt weiter in der Kritik. Aufgrund der Verletzung von Grundrechten. Hunderte Fälle von willkürlichen Enteignungen. Rechtssicherheit in Österreich nicht mehr gegeben. Auch der aktuelle Bericht der Volksanwaltschaft bietet keine Lösungen.

Der Bericht der österreichischen Volksanwaltschaft für 2017 bringt abermals erschreckende Fakten. Es wurden wieder 218 Beschwerden im Zusammenhang mit der Methode Sachwalterschaft genannt. Der Bericht wurde am 25. April vorgelegt.
Es handelt sich dabei insbesondere um eklatante Verletzungen des Eigentumsrechts durch willkürliche Enteignungen. Sachwalterschaften werden aus finanziellen Motiven eingeleitet und durch Beschlüsse der Gerichte gedeckt.
Das bedeutet: Es werden Grundrechte der Charta der Europäischen Union verletzt. Betroffen sind insbesondere das Eigentumsrecht (Artikel 17) und die Achtung des Privatlebens und Familienlebens, der Wohnung und Kommunikation (Artikel 7).

Willkürliche Sachwalterschaft
Jetzt zeigt der aktuelle Bericht der Volksanwaltschaft für 2017 offen, in welcher Weise Gerichte und Sachwalter agieren:
Überwiegend kritisiert wurden der Umstand der Besachwaltung an sich, die dafür eingeholten Sachverständigengutachten. (…). Es wurde auch vielfach bemängelt, dass trotz vorhandener hoher Einkünfte, Pensionen und Ersparnisse den Betroffenen keine ausreichenden Geldmittel überlassen würden.
(Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und an den Bundesrat 2017: Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, Wien 2018, S. 149).
Das bedeutet:
1. Der Umstand der Sachwalterschaft wird demnach als nicht gegeben und die Begründung als nicht gerechtfertigt betrachtet.

2. Die Gutachten, die als Grundlage für Enteignungen verwendet werden, gelten als nicht korrekt. Diese Gutachten sollen bewirken, dass der Besitz von Vermögen aus „gesundheitlichen Gründen“ untersagt wird.
3. Die Einkünfte, Pensionen und Ersparnisse werden vom Sachwalter übernommen. Es handelt sich dabei durchaus um hohe Beträge.
Diese Aussagen zeigen deutlich, dass die Sachwalterschaften aus finanziellen Motiven eingeleitet und durchgeführt wurden.

Dunkelziffer mit weiteren Fällen
Bereits 2016 wurden im Bericht der Volksanwaltschaft weitere 239 Fälle von Sachwalterschaft gezählt, bei denen im Berichtszeitraum “Beschwerden” vorgebracht wurden. Darüber wurde berichtet auf The European:
Grundrechte in der Europäischen Union werden verletzt: Der Fall Österreich
(The European, 6. 6. 2017)
Im Berichtsjahr 2015 wurden 219 und 2014 weitere 233 Fälle genannt.
Zusätzlich sind Fälle gegeben, die von der Volksanwaltschaft nicht dokumentiert wurden. Der Bericht der Volksanwaltschaft für 2016 musste eine Dunkelziffer von telefonischen Anfragen gestehen, die nicht in dieser Statistik aufscheinen:
„Viele telefonische Anfragen zu Sachwalterschaften, denen nach eingehender Information über Aufgaben und Zuständigkeiten der Volksanwaltschaft keine schriftlichen Eingaben folgten“. (Bericht der Volksanwaltschaft 2016, S. 139)
Demnach wurden Beschwerden bereits am Telefon abgeblockt, indem betont wurde, dass keine Zuständigkeit der Volksanwaltschaft gegeben sei.
Tatsächlich konnte eine solche Erfahrung auch bei einer persönlichen Vorsprache im Büro der Volksanwaltschaft gemacht werden. Es wurde dabei einer Mitarbeiterin der Volksanwaltschaft Material über einen solchen Fall von willkürlicher Enteignung vorgelegt. Die Mitarbeiterin wies sofort darauf hin, dass eine Bearbeitung durch die Volksanwaltschaft bei Verletzungen des Eigentumsrechts nicht möglich sei. Es wurde die Erklärung gegeben: Es könne nur die Dauer des Verfahrens überprüft werden, damit keine Verzögerungen im Ablauf eintreten. Hingegen sei gegen die willkürliche Enteignung kein Eingreifen der Volksanwaltschaft vorgesehen.

Brutale Enteignungen
Die Problematik der Enteignungen durch die Methode Sachwalterschaft ist in Österreich seit mehr als 10 Jahren zunehmend gegeben. Schon im Bericht der Volksanwaltschaft 2010 wurde konstatiert:
„15 Prozent aller Beschwerden über die Justiz und Justizverwaltung betreffen den Bereich der Sachwalterschaft. Im Brennpunkt der Kritik steht dabei die Vermögensverwaltung“.
Schon 2010 konnte man im Bericht der Volksanwaltschaft genauere Kenntnis erlangen, was unter dem Begriff „Vermögensverwaltung“ verstanden wird. Demnach gehen die Sachwalter bei solchen Enteignungen brutal vor:
„In zahlreichen anderen Fällen kritisieren Betroffene oder deren Angehörige, dass ihnen Sachwalter nicht ausreichend Geld für Essen, Kleidung, Heizung, Medikamente und Pflegeprodukte zur Verfügung stellen.“ (Bericht der Volksanwaltschaft 2010, S. 127)
Auch der Jahresbericht 2016 gab Auskunft über diese Art der sogenannten „Vermögensverwaltung“:
„Viele Personen beschwerten sich auch darüber, dass nicht genügend Geld zur Verfügung gestellt werde, selbst wenn hohe Einkünfte, Pensionen und Ersparnisse vorhanden sind, oder dass über das Eigentum der betroffenen Personen von Sachwalterinnen und Sachwaltern eigenmächtig verfügt werde. (Bericht der Volksanwaltschaft 2016, S. 139f.)

Volksanwaltschaft versagt
Dennoch bietet der Bericht der Volksanwaltschaft auch in diesem Jahr keine Lösungen für das seit Jahren virulente Problem. Ansätze für Lösungen werden von der Volksanwaltschaft weiterhin nicht vorgelegt. Eine Beendigung des skandalösen Zustands ist damit vorerst nicht in Sicht.
Gertrude Brinek ist seit Juli 2008 österreichische Volksanwältin. Die promovierte Pädagogin ist für das Ressort Justiz zuständig. Der Jurist Peter Fichtenbauer wurde als Volksanwalt beauftragt, den Bereich Kindergärten und Schulen zu überwachen.
Volksanwältin Brinek behauptet, dass sie bei Enteignungen durch kriminelle Methoden von Sachwalterschaft über keine Befugnisse verfüge. Im Bericht der Volksanwaltschaft wird dazu ausgeführt:
„Die Volksanwaltschaft kann als nachprüfendes Organ zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung die erhoffte Hilfestellung nicht bieten, da Sachwalterinnen und Sachwalter durch Gerichtsbeschluss bestellt, umbestellt oder abberufen werden“. (Volksanwaltschaft, Bericht 2017, S. 148)

Maßnahmen erforderlich
Schon im vergangenen Jahr wurden 3 Möglichkeiten auf The European genannt, die für ein wirkungsvolles Eingreifen von der Volksanwaltschaft jedenfalls eingesetzt werden können:
1. Es hätten längst Strafanzeigen “von Amts wegen” erfolgen müssen.
Die Volksanwaltschaft nennt es „Beschwerden“. Tatsächlich handelt es sich um Hinweise auf strafrechtlich relevante Tatbestände, die bei der Volksanwaltschaft zur weiteren Bearbeitung angezeigt werden.
Die Volksanwaltschaft muss im Bericht 2017 zugeben:
„Auch dieses Jahr hat die Kritik Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte betroffen, die der VA (Anm.: Volksanwaltschaft) bereits hinlänglich bekannt sind.“
Die Sachwalter agieren ungehindert, obwohl sie längst als berüchtigt und amtsbekannt gelten. Dennoch wurden auch im vergangenen Jahr keine Verhaftungen durchgeführt. Solche Verhaftungen wurden bereits in Veröffentlichungen deutlich gefordert:
Der österreichische Justizskandal braucht Krisen-PR: Neustart der Justiz in Österreich dringend erforderlich (Tabula Rasa, 3. 4. 2018)
Die Volksanwaltschaft ist als staatliche Organisation verpflichtet, Strafanzeigen über strafrechtlich relevante Tatbestände „von Amts wegen“ einzubringen, wenn sie davon Kenntnis erlangt. Wenn die Strafanzeigen „von Amts wegen“ erfolgen, so dürfen diese nicht ignoriert werden. Die Volksanwaltschaft muss dafür sorgen, dass die Staatsanwaltschaft solche Strafanzeigen auch verfolgt. Denn es ist nachweisbar, dass die Staatsanwaltschaft die Strafanzeigen, die die Betroffenen gegen diese Formen von Amtsmissbrauch und Korruption selbst einbringen, nicht bearbeitet.
2. Einzelne Fälle von Enteignung sind beharrlich mit einer effektiven Öffentlichkeitsarbeit zu begleiten. Bis Lösungen gegeben sind. Es müssen Medien durch Veranstaltungen, Konferenzen und Presseaussendungen ernsthaft und regelmäßig über die Vorfälle und erforderliche Maßnahmen informiert werden.
3. Auch in diesem Jahr legte die Volksanwaltschaft keine Dokumentation vor, in der alle Beschwerden über Sachwalterschaften verzeichnet sind. Durch eine solche ausführliche Dokumentation lässt sich das System und Zusammenhänge erkennen.

Mit einer solchen Dokumentation können Statistiken angelegt werden, in der Form einer Rasterfahndung. Man sieht dann, wie oft ein bestimmter Sachwalter genannt wird und welche Bezirksrichter und Gutachter mit einem solchen Sachwalter in Verbindung stehen. So wird das kriminelle Netzwerk aufgedeckt.
Dafür sind jedenfalls Befugnisse gegeben. Es ist sogar ausdrücklich vorgesehen, dass die Volksanwaltschaft an das Parlament:
„Jederzeit themenbezogene Sonderberichte übermitteln kann“.
Es ist völlig unverständlich, weshalb ein solcher Bericht zur Sachwalterschaft nicht sofort erstellt wurde. Seit mehr als zehn Jahren werden die skandalösen Vorfälle nicht von der österreichischen Volksanwaltschaft in einer solchen Weise klar aufgedeckt. Dadurch entsteht der unvermeidliche Eindruck, dass das fraglos kriminelle Netzwerk aus betrügerischen Sachwaltern, korrupten Richtern und gekauften Gutachtern gedeckt werden soll.
Eine Diskussion um das Sachwalterschaftsgesetz genügt nicht. Solche Debatten, die gerne eingesetzt werden, dienen nur als Alibifunktion. Es handelt sich deutlich um kriminelle Vorfälle, die durch kein bestehendes Gesetz ernsthaft begründet werden können. Es geschehen massenweise Enteignungen durch eine entwickelte Methode von Sachwalterschaft.

Volksanwaltschaft soll Grundrechte schützen
Die Institution der Volksanwaltschaft wurde in Österreich 1977 eingerichtet. Sie soll “dem Schutz und der Förderung der Menschenrechte dienen”, wie sie selbst in ihrem Leitbild angibt. Sie soll allen Bürgern bei Problemen mit Behörden zur Verfügung stehen.
Als erster Volksanwalt wurde Gustav Zeillinger sehr populär. Zeillinger wurde in Österreich zu einem Archetyp des Volksanwalts. Er war dafür bekannt, entschieden für Bürger sich einzusetzen, wenn es zu Willkür durch Behörden kam. Man kannte Zeillinger mit einer Pfeife in der Hand und deutlichen Worten für Bürgerrechte, auch in Fernsehsendungen des ORF. Zeillinger war bis 1983 als Volksanwalt tätig.
40 Jahre später setzte die österreichische Volksanwaltschaft keine Maßnahmen zum Schutz des Eigentums in der Republik Österreich. Ein Schutz des Eigentums, wie er von Staaten erwartet wird, die den Grundwerten der Europäischen Union und westlicher Demokratien entsprechen wollen.

Recherchen in österreichischen Ministerien
Schon im Oktober 2017 wurden die Ergebnisse einer ersten Recherche vorgelegt, die dazu in österreichischen Ministerien durchgeführt wurde:
Struktur der massenweisen Enteignung: Das österreichische Justizministerium
Die Anfragen an das Bundesministerium für Justiz und weitere öffentliche Stellen wurden dabei nicht zufriedenstellend beantwortet. Es waren keine Schritte erkennbar, die gegen die beschriebenen Verletzungen des Eigentumsrechts in Österreich gesetzt werden.
Am 18. Dezember 2017 wurde eine neue Bundesregierung in Österreich angelobt. In der Folge sollten Recherchen in vier österreichischen Ministerien klären, welche Maßnahmen die neue österreichische Regierung gegen die Verletzungen des Eigentumsrechts einleiten wird.
Diese Recherche wurde bereits im Januar 2018 angekündigt auf The European:

„Man wird den neuen Justizminister Moser jedenfalls auf die Verletzungen von Grundrechten durch Amtsmissbrauch im Justizbereich aufmerksam machen. Justizminister Moser wird deutliche Hinweise auf Amtsmissbrauch im Bundesministerium für Justiz erhalten. Sollte er auf das vorgelegte Material nicht reagieren, so bleiben drei Möglichkeiten, um Maßnahmen durch Mitglieder der neuen Regierung einzuleiten: Vizekanzler Strache ist die erste Möglichkeit. Die zweite Möglichkeit bietet Herbert Kickl, der Bundesminister für Inneres. Die dritte Möglichkeit findet man im Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz“.
Die neue Regierung in Wien steht vor einer schwierigen Aufgabe
(The European, 18. 1. 2018)
Die Recherche wurde mit einer Anfrage am Aschermittwoch im Februar 2018 gestartet und nach 40 Tagen vorerst am Karfreitag abgeschlossen. Ein erster Zwischenbericht wurde veröffentlicht:
Der österreichische Justizskandal braucht Krisen-PR: Neustart der Justiz in Wien dringend erforderlich (Tabula Rasa, 3. April 2018)

Demnach setzt die österreichische Bundesregierung weiterhin keine Maßnahmen gegen diese willkürlichen Verletzungen des Eigentumsrechts, die auch in den Berichten der Volksanwaltschaft genannt werden.
Der ausführliche Karfreitagsbericht „Willkürliche Enteignungen in Österreich“ wird noch veröffentlicht. Rechtzeitig vor der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft.

EU-Ratspräsidentschaft mit verletzten Grundrechten
Österreich soll ab Juli 2018 den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Es hätten noch vor der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft Maßnahmen gesetzt werden müssen, um die beschriebenen Verletzungen der Grundrechte aufzuklären und zu beenden.
Ansonsten kann die österreichische EU-Ratspräsidentschaft durch einen Skandal überschattet werden, der durch die beschriebenen Verletzungen des Eigentumsrechts jederzeit ausgelöst werden kann. Ein solcher Skandal eines Mitgliedslandes führt zu einer unnötigen Destabilisierung der Europäischen Union.
Verstößt ein Mitgliedstaat dauerhaft gegen die Grundrechte der Charta der Europäischen Union, dann ermöglicht Art. 7 des EU-Vertrags von Lissabon strenge Konsequenzen. Diese führen auch zum Entzug des Stimmrechts im Rat der Europäischen Union.
Da das Stimmrecht im Rat der Europäischen Union bei Verletzungen von Grundrechten entzogen wird, kann dem betroffenen Land die EU-Ratspräsidentschaft in einem solchen Fall eigentlich nicht übertragen werden. Eine Untersuchung der Vorfälle wäre vor der Durchführung der Ratspräsidentschaft dringend erforderlich.
Deshalb wurde auch bereits die Frage gestellt, ob Österreich in einer solchen Verfassung die EU-Ratspräsidentschaft überhaupt übernehmen darf:
Kritik an der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft ist berechtigt (The European, 26. 2. 2018).

Finanzen

Über Johannes Schütz 108 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel