Judenfreundliche Diktatur oder antisemitische Demokratie?

Siebenarmiger Kerzenleuchter, Foto: Stefan Groß

Diese Frage stellt sich den Juden heute, die in der EU und insbesondere in Deutschland ausharren. Theoretiker werden einwenden, dass eine Demokratie nicht antisemitisch sein kann, weil Antisemitismus sich mit Demokratie nicht verträgt, was nachweislich falsch ist. Hier ein unbedeutendes Beispiel:

fisch+fleisch ist eine österreichische Internetseite, die sich für liberal und demokratisch hält und die hochgeladenen Texte aus monetären Gründen kaum durchliest und selten zensiert. Es versteht sich von selbst, dass neben allgemeinen lesenswerten Themen über Gesundheit, Tierliebe und Paramedizin fisch+fleisch sich zu einem beleibten Treffpunkt des Schreibens halbwegs mächtigen Links- und Rechtsextremisten entwickelt, die sich gemeinsam am Judenhass erfreuen.

Die Benutzung des Juden kränkenden Schlagwortes der Nationalsozialisten „Verjudung“ (s.o.) wird laut fisch+fleisch im deutschsprachigen Raum als Meinungsfreiheit akzeptiert. Bald wird wohl „Saujude“ zulässig sein. „Judensau“ wird bevorzugt im Osten der deutschen Republik und ist bereits seit Luther ein allgemein akzeptiertes Wort.

Der kirchliche Judenhass ist die Basis des staatlichen Antisemitismus:

 

So schreibt die viel gelesene Gottesdienst-Arbeitshilfe der Evangelischen Kirche im Rheinland unter den billigen christlichen Wünschen zum 70. Geburtstag Israels auch manche antisemitischen Lügen, die zwischen 1933 und 1945 die nationalsozialistische Zensur passiert hätten:

Was für Juden ein Grund zum Feiern ist, das ist für andere ein Grund zur Trauer. Den einen hat die Staatsgründung Schutz, Sicherheit, Gerechtigkeit und Freiheit gebracht, den anderen Vertreibung, Zerstörung, Zwang und Unrecht

Am Ende des Krieges hatten die Juden ihren Staat und die Palästinenser nichts.

Seit mehr als fünfzig Jahren leben die Palästinenser unter einer Menschen verachtenden Besatzung.

In den letzten Jahren hat die militärische Überlegenheit Israel dazu verführt, brutal seine Interessen gegenüber Palästina durchzusetzen. Und die Welt schaut dem Unrecht tatenlos zu.

Die Vertreibung der palästinensischen Christen und die Zerstörung ihrer Dörfer stehen repräsentativ für die aller Palästinenser. Sie ist die Kehrseite der Staatswerdung Israels.

Verständlich, dass die geplante gemeinsame Geburtstagsreise nach Israel der Juden und Protestanten von den Juden abgesagt wird. Die Juden wollen weiterhin mit den Christen zusammenarbeiten. Wir wünschen ihnen viel Ärger!

An der philosemitischen Demonstration Kippa Colonia – Köln trägt Kippa nimmt der christliche Verfasser der juden- und israelfeindlichen Sätze mit eigener Kippa teil. Kann ein Antisemit noch tiefer sinken?

Kommen wir zum Schluss zur Alltagsdemokratie. Ein praktisches Beispiel der deutschen Demokratie findet in Thüringen statt, wo gerade Oberbürgermeister gewählt worden sind. In Jena findet eine Stichwahl statt. Dort steht der bisherige SPD-Bürgermeister zur Wiederwahl an, der als überzeugter protestantischer Geistlicher und geschiedener Vater von fünf Kindern es nicht schafft, sich vom protestantischen Antisemitismus zu distanzieren. Verdient verliert er haushoch die Wahl.

Zusammenfassung:

Weltweit und auch in Deutschland gibt es einen demokratischen Antisemitismus: Meinungsfreiheit, welche ein Wesensmerkmal der Demokratie ist, artet schnell in offenem Judenhass aus, teilweise kaschiert als Israelhass. Ein anständiger, nicht Juden hassender Mensch sollte zum Vorteil der Juden die judenfreundliche Diktatur der antisemitischen Demokratie vorziehen. Das Problem ist die Ungewissheit. Denn die wenigsten Diktaturen sind judenfreundlich.

 

 

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Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.