Das Münchner Gärtnerplatztheater, seit November letzten Jahres von Kopf bis Fuß auf Hochglanz renoviert, ist auch in puncto Programm ehrgeizig. Mit der Neuproduktion der Donizetti-Oper „Maria Stuarda“ in der italienischen Originalsprache hat es sich, nach Bellinis „Sonnambula“ vor gut zwei Jahren – noch während der Umbau-Pause des Hauses notwendigerweise im Prinzregententheater – nun erneut an ein eher selten gespieltes Belcanto-Stück gewagt. 1835 an der Mailänder Scala uraufgeführt, erreichte es nicht die Popularität der „Sonnambula“, geschweige denn Donizettis „Lucia di Lammermoor“.
Anthony Bramall, der neue Chefdirigent, warf sich mit respektablem Elan in die Orchester- und Chor-Arbeit mit den hauseigenen Künstlern. Michael Sturminger, der für die gerade laufenden Salzburger Osterfestspiele eine phänomenale „Tosca“ aufbereitete, knüpfte in München an seinen Erfolg mit der „Sonnambula“ an. Er brachte eine Inszenierung zustande, die man – schon der feinen Chorszenen und der sich perfekt einpassenden Chargen wegen (Levente Pall als Talbot, Matija Meic als Cecil, Elaine Ortiz Arandes als Anna) – gut anschauen kann, auch wenn der von Donhauser und Martin geschaffene Drehbühnen-Eispalast mit seinen kantigen, Eisblumen-gezierten starren Glaswänden und den sieben auf und ab geschickten Muranoglas-Lüstern nicht jedermanns Sache war. Auf eine ergreifende Kerker-Szene wartete man umsonst, dafür musste man einen scheußlichen schwarzen Kasten als Beicht-Zimmer Marias in Kauf nehmen.
Zweifellos passte das Bühnenambiente grundsätzlich zur Kühle, Grausamkeit und Tyrannei der physiognomisch und kostümiert der historischen Figur Elisabeth I. von England aufs Haar gleichenden Figur der Titelheldin-Gegnerin. In Rolle und Habitus faszinierte, auch stimmlich, die geborene Chemnitzerin Nadja Stefanoff als Elisabetta I. Schon Friedrich Schiller zweifelte in seinem Sprechstück „Maria Stuart“ an der historischen Belegbarkeit des Zusammentreffens der beiden königlichen Rivalinnen, und so geriet auch dieser Top-Moment nicht unbedingt zur ergreifendsten Szene des Abends. Den ließen Sturminger und Bramall den Soli ihrer (wie schon als Nachtwandlerin) großartigen Hochdramatischen, die sie für die Titelpartie gewinnen konnten: die Amerikanerin Jennifer O`Loughlin. Ihr Gebet, ihre Abdankung, ihr Schuld-Eingeständnis, ihre kurze Ohnmacht vor dem Opfergang zum Schafott, ihr Verzicht auf die Liebe des auch von Elisabetta begehrten Grafen Leicester (gut aussehend, aber zu scharf intonierend und kaum berührend: der Rumäne Lucian Krasznec) – die O`Loughlin wusste darstellerisch und mit einem beispielhaft leuchtenden Sopran ihre Chancen zu nutzen und konnte als Maria voll überzeugen.
Foto: Hans Gärtner