125 Jahre Münchener Secession

Simon Dittrich - Von Re. auf Li: "Kleiner Eisbrecher" - "Dampf" - Acryl auf Pappe - "Hanf" - Oel auf Leinwand

Wie  vielschichtige Horizonte an der Grenzlinie zwischen  Erde und Himmel  in verschiedenen Farbabstufungen wirken die  aneinander gestapelten Streifen des großformatigen Ölgemäldes an der zentralen Wand im „Hans-Reiffenstuel-Haus“ in Pfarrkirchen, das der letzten Ausstellung des Jahres in der namhaften Galerie im Rottach-Tal  ihren Titel verleiht: „Meine Augen sehen mehr als ich mit ihnen“. Und verfangen bleibt der Blick schon beim ersten Ansehen in einer Fülle dahin schwirrender Schattierungen, die von unten nach oben eine Skala mit Variationen zwischen Ockergelb, Gelb-Orange, Orange-Grün, Rosa-Gelb bilden, die sich schließlich in ein immer helleres, beinah transparentes Schimmern sublimiert. Ein höchst kontemplatives Werk des Malers Alto Hien, der zu den älteren Mitgliedern der „Münchener Secession“ gehört, die bis zu vier Mal jährlich in Pfarrkirchen ausstellt. Alto Hien aus Perach bei Altötting  hat die Ausstellung selber gestaltet, wie bereits viele andere davor in enger Zusammenarbeit mit Helmut Kästl,  dem langjährigen Präsidenten und heutigen Ehrenpräsidenten der historischen Künstlervereinigung, die 2017 ihr 125. Jubiläum mit  mehreren Schauen feierte. Als „Schlussakkord“ ist sie am Ende eines besonders fruchtbaren Jahres zu sehen , das für sie reich an Ereignissen und Würdigungen war. Zwischen April und September war die Gruppe zweifach in Dachau präsent. Mit der Ausstellung „Zu Gast in Dachau. 125 Jahre Münchener Secession“, in der auch ein Teil  der bei der „Gemäldegalerie“ Dachau aufbewahrten Secession-Sammlung gezeigt wurde und mit dem von Frau Dr. Jutta Mannes kuratierten Projekt „Secession heute – acht künstlerische Positionen“ in der „Rathausgalerie Kunsthalle“. Acht weitere Positionen waren im Hochsommer unter dem Titel „Secession jetzt“ in einer von Johannes Muggenthaler betreuten Schau in der begehrten „Rathaus-Galerie“  in München vertreten.

Alto Hien – Meine Augen sehen Meer“ – Oel/Leinwand

Vor exakt zwanzig Jahren begann die geglückte Kooperation zwischen der „Münchener Secession“ und dem kunstinteressierten I. Bürgermeister der Stadt Pfarrkirchen Georg Riedl, der mit dieser Initiative Pionierarbeit leistete. Seitdem hat Kunst in Pfarrkirchen wie generell im ländlichem Raum eine zunehmende Bedeutung gewonnen und wird immer mehr sogar zur touristischen Attraktion. Kunstpräsenz auch außerhalb der Ballungszentren als Bereicherung für beide: Als Gelegenheit für die Kunstschaffenden, sich einer breiteren Öffentlichkeit jenseits der Großstädte zu präsentieren,  und  als  Revitalisierung für das ländliche Gebiet zugleich sowie als Ansporn, das bayerische Hinterland auch unter dem künstlerischen Aspekt wieder zu entdecken.

„Nicht allein die Kunst braucht den ländlichen Raum, auch der ländliche Raum braucht die Kunst“ – betonte Riedls Nachfolger Wolfgang Beißmann, I. Bürgermeister der Stadt, in seiner Ansprache vor einem lokalen und auch von weit her angereisten Publikum. Traditionell fällt die letzte und wichtigste Ausstellung des Jahres zeitgleich mit der Eröffnung des Pfarrkirchner Christkindlmarktes in den ersten Dezembertagen zusammen. Vierundzwanzig – wie die  Fenster des  Weihnachtskalenders – sind die Künstler, die mit einem oder mehreren Exponaten den architektonisch ansprechenden Raum beleben. Mit Themen der individuellen Sinneswahrnehmung beschäftigen sie sich  in Werken der Malerei, Bildhauerei, Zeichnung, Grafik und Fotografie sowie Installation. Die Gruppenschau bietet – wie von ihrem Präsidenten, dem Maler Thomas Bindl zu vernehmen war – die Möglichkeit, dem Hauptgrundsatz zu folgen, dem sich die „Münchener Secession“ bei ihrer Abspaltung von der  „Münchner Künstlergenossenschaft“ im Jahre 1892 vorgeschrieben hatte:

„Man soll auf unseren Ausstellungen Kunst sehen und jedes Talent, ob älterer oder neuerer Richtung, und dessen Werke München zu Ehren gereichen, soll seine Blüte reich entfalten können.“

Zum Jubiläum ist im Verlag „Münchener Secession“ ein umfangreicher Katalog mit Abbildungen und Texten erschienen.

ISBN 978-3-943106- 17-6.

www.muenchenersecession.de

www.pfarrkirchen.de

Über Anna Zanco-Prestel 178 Artikel
Dr. Anna Zanco-Prestel, hat Literaturwissenschaften (Deutsch, Französisch und Italienisch) und Kunstgeschichte in Venedig, Heidelberg und München studiert. Publizistin und Herausgeberin mit Schwerpunkt Exilforschung. U.d. Publikationen: Erika Mann, Briefe und Antworten 1922 – 69 (Ellermann/DTV/Mondadori). Seit 1990 auch als Kulturkoordinatorin tätig und ab 2000 Vorsitzende des von ihr in München gegründeten Kulturvereins Pro Arte e.V.

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