„Showcase“ nennt die mit der Karl-Preusker-Medaille ausgezeichnete Fachbibliothekarin Claudia Fabian die von ihr initiierte Ausstellung von 72 Künstlerbüchern. In drei Räumen im 1. Obergeschoß – jeder steht unter einem besonderen Motto – präsentiert Fabian erlesene Exemplare einer international hochrangigen Sammlung. Die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) baut sie seit 1915 bedachtsam, zielsicher und in jener thematischen Vielfältigkeit aus, die das Künstlerbuch nun einmal verlangt und hergibt. Dass die einzigartigen Original-Exponate nicht zum Anfassen und Blättern sind, versteht sich von selbst. Sie liegen in „Schaukästen“ aus – daher der englischsprachige Titel der Ausstellung: „Showcase“ – und können „nur“ vorgelegt, nicht aber auch bewegt werden.
Was die Ausstellung will: die „Dynamik und vielfältige Aussagekraft“ so genannter Künstlerbücher variationsbreit belegen und, nicht zuletzt, „wirkungsvoll zur Darstellung bringen“. Künstler wie Pablo Picasso, Anselm Kiefer oder Joan Mirò, um nur drei von gut 70 Künstlernamen zu nennen, verstreut über ganz Europa (mit wenigen „Ausreißern“ auf ferne Kontinente), setzten schon immer das von ihnen geliebte Medium Buch unterschiedlich ein. Das zeigt sich in vielfacher Hinsicht, etwa an Aufmachung, verwendetem Material, Bibliophilie, an Stilen und Ausdrucksformen, an der Ästhetik, nicht zuletzt auch in politischer oder manchmal lediglich rein spielerischer Zielsetzung.
Gleich beim Betreten von Raum I mit seinen 36 Werken, 15 von ihnen der europäischen Avantgarde zuzuschreiben, einige von italienischen und russischen Futuristen wie El Lissitzky oder Natalija Gontscharowa geschaffen, drängt sich das älteste in der Sonderschau der BSB vorhandene und der Öffentlichkeit erstmals präsentierte Sammlungs-Exemplar eines Künstlerbuches auf, das einzige in Deutschland vorhandene Exemplar des „Song of Los“. Geschrieben und gemalt hat es William Blake (1757 bis 1827). Der englische Dichter, Maler und Grafiker gilt als „Urvater“ des Künstlerbuchs. Mit entschiedener Sprachgewalt und in kühnen Bildern fasste Blake seine Visionen.
Raum II steht unter dem Motto, das Anselm Kiefer bei Stéphane Mallarmé fand: „Alles auf der Welt ist da, um in ein Buch zu münden“. Die unterschiedlichsten „Macharten“ von Künstlerbüchern sind zu sehen. Neben Photographien und Collagen verwenden sie vorgefundene Materialien. „Flachware“ beherbergt Raum III. Hier sieht man da und dort auch im Kinderbuch auftauchende, nicht unbedingt als „Bücher“ zu bezeichnende Druckmedien wie Mappen, Plakate, Covers, Rollen und Leporellos. Picassos 1937 herausgebrachtes Werk, das ihn in den Rollen des Autors, Illustrators, Gestalters, sogar des Verlegers zeigt, dürfte im letzten Raum den Anziehungspunkt Nummer 1 bilden. Jüngere Besuchende dürfte es freilich eher zu den Comics und Zines ziehen.
Den Abschluss und in gewisser Weise den Höhepunkt bildet ein Künstlerbuch, das der 1954 im Burgenland geborene Emil Siemeister auf Bestellung der BSB für ihre extravagante Ausstellung schuf. Darin verwendet der Künstler Zeichnungen in Nachleuchtfarben auf transparenten Kunststoff-Folien.
Die Ausstellung „Showcase. Künstlerbücher aus der Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek“ ist bis 7. Januar Montag bis Freitag von 10 bis 18, Sonntag von 13 bis 17 Uhr geöffnet, jedoch an Feiertagen geschlossen. Es gibt einen Katalog, dessen Veröffentlichung mit Unterstützung der Siemens Kunststiftung ermöglicht wurde. Ein Künstlerbuch-Symposium findet am 23. Und 24. Oktober, ein Vortrag von zwei Künstlerbuch-Sammlern am 7. November um 19 Uhr statt. Kontakt: veranstaltungen@bsb-muenchen.de. Hans Gärtner
FOTO (Hans Gärtner)
Vom „Urvater“ des „Künstlerbuchs“, dem englischen Dichter und Maler William Blake, getextet und illustriert: „Song of Los“
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