Elegant in der Bewegung, in sich ruhend und siegesgewiss beseitigt der Heilige Michael die sich unter ihm windende schwarze satanische Figur. Ähnlich elegant bewegt sich Mithras. Mit ausgebreiteten Armen und wehendem Mantel entledigt sich der seit der Spätantike als Beschützer des Römischen Reiches geltende indo-iranische Gott eines Stiers. Die filigrane Darstellung des Erzengels wurde um 1725 aus Nussbaum, Elfenbein, Ebenholz und Kupfer vermutlich vom Tiroler Meister Simon Troger geschaffen. Das marmorne Bildnis des Mithras stammt aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts. Die beiden Objekte mit den Darstellungen dieser kämpferischen Leitbilder begegnen sich und treten trotz – oder gerade? – wegen ihrer so unterschiedlichen Provenienz in einen spannenden Dialog.
Das gilt auch für die acht wunderbar bestückten mehrstöckigen Vitrinen einige Räume weiter: liturgisches Gerät, ein Reliquienkreuz, mittelalterliche Darstellungen von biblischen Szenen oder Heiligen, ein kleiner Hausaltar oder auch eine sogenannte Johannesschale korrespondieren mit Statuetten römischer Götter, über 1800 Jahren alten Schmuckstücken, Kult- und Alltagsgegenständen. Dazwischen befinden sich zudem Objekte der Gegenwart, die sich der religiösen Praxis ebenso widmen wie dem alltäglichen Gebrauch – beispielsweise ein Handkreuz von Joseph Beuys, Schmuckstücke der bedeutenden Goldschmiedin Elisabeth Treskow (1898 bis 1992).
Ein außergewöhnlich dünnwandiger aus einem Stück Bergkristall geschliffener zweihenkliger Becher aus dem ersten Jahrhundert reiht sich nahezu nahtlos in eine Auswahl aus feuerfestem Jenaer Glas ein: Teetassen, Untertassen, Teller und Milchkännchen sowie eine Teekanne (Entwurf 1931/32) des Bauhaus-Künstlers Wilhelm Wagenfeld (1900 bis 1990). Bergkristall galt in der Antike als besonders rein. Im Mittelalter wurde er verwendet, um Reliquiare zu gestalten, genauer, um die jeweilige Reliquie gut sichtbar zu machen.
Zeitlos schöne Objekte von der Antike über das Mittelalter bis in die Gegenwart haben die Kuratoren von „Kolumba“, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, sowie des Römisch-Germanischen Museums (RGM) Köln im Bestand des jeweiligen Hauses identifiziert, um sie als kulturelles Erbe aus heidnischer und christlicher Zeit zusammen auszustellen, mehr noch: fast spielerisch miteinander zu präsentieren und in Beziehung zu setzen. „Pas de Deux – Römisch-Germanisches Kolumba“ ist die neue Jahresausstellung von Kolumba denn auch passend überschrieben. Der Pas de Deux (Tanz zu zweit) ist dem Ballett entlehnt und bezeichnet hier den Höhepunkt eines Tanzes von Tänzerin und Tänzer. Bereits vor drei Jahren hatten die Museumsdirektoren Stefan Kraus (Kolumba) und Marcus Trier (RGM) damit angefangen, die Idee einer Ausstellungskooperation der beiden bedeutenden Kölner Museen zu realisieren und die Kuratoren ihrer Häuser in den Sammlungen des jeweils anderen stöbern zu lassen.
Warum werden eigentlich erst jetzt diese beiden Sammlungen auf ihr gemeinsames Potenzial hin befragt? Sicherlich hat der äußere Anlass, nämlich die bevorstehende mehrjährige sanierungsbedingte Schließung des RGM, das Vorhaben befördert. Doch eigentlich gibt es den Pas de Deux seit Jahren. Schon Mitte der 1970er Jahre begannen Mitarbeiter der Bodendenkmalpflege mit den Ausgrabungen auf dem Areal der im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten Kolumba-Kirche. Dort wurde vor zehn Jahren das heutige Kunstmuseum des Erzbistums Köln eröffnet. Ein zentraler Raum bildet dabei das begehbare Grabungsareal. Die Besucher gehen über einen Holzsteg und blicken auf die freigelegten steinernen Zeugnisse aus römischer Zeit, sehen die Reste der zerbombten Kirche sowie die in das Feld hineinragende neue Kapelle und hören den durch die Öffnungen hereinfallenden Ton der Großstadt. Das Gelände lässt so eine physische Verbindung von der Vergangenheit bis in die Gegenwart entstehen, ein Kosmos von 2000 Jahren Zeit und Raum, in die sich die einzelnen Besucher hineingestellt fühlen dürfen.
In diesem Sinne entfaltet sich denn auch die neue Jahresausstellung. Wie beim Pas de Deux des Balletts verdichten sich nach diesem Entrée langsam die immer dynamischer werdenden Variationen weltbekannter und weniger bekannte Objekte unterschiedlichster Provenienz. Es geht um die Entdeckung tatsächlicher, möglicher oder nur scheinbarer Parallelen oder den Dialog der verschiedenen Formen, formaler Bezüge und kulturhistorischer Prägungen. Da ist das reichhaltig ornamental und farbenfroh ausgestaltete neue Kapitel aus dem Hearst-Stundenbuch (15. Jahrhundert) aufgeschlagen neben drei ausgewählten römischen Gläsern aus dem dritten Jahrhundert, die den berühmten Kölner Schnörkel, einen virtuos aufgetragenen Glasfaden auf der Oberfläche tragen. Grandios inszeniert ist der Raum mit dem weltberühmten Diatretglas aus dem vierten Jahrhundert. Diese glockenförmigen doppelwandigen Gläser galten schon in der Antike als besonders kostbar, was auch daran ablesbar ist, dass der Besteller das Risiko des Zerbrechens vor der Fertigstellung zu tragen hatte. Dieses Glas, das mit dem Spruch „Trinke, lebe, schön immerdar“ verziert ist, steht in der Mitte des hoch aufragenden Raumes, während sich an den Wänden der riesige Bilderzyklus „In der Leere ist ist nichts“, ausgehend von einem Satz des Philosophen Jean Paul Sartre, von Dieter Krieg (1937 bis 2005), bedrohlich entlang windet. Wunderbar ist auch der Raum mit der dem Fragment eines schlafenden bärtigen Mannes aus Lindenholz. Die vermutlich den Apostel Petrus darstellende Plastik ragt aus der Wand in den Raum hinein, in dem sich unter anderem noch vier Grabsteine eines Familiengrabes aus dem ersten Jahrhundert befinden.
Die existenziellen Bedingungen des Menschseins werden in dieser Schau aus unterschiedlichen Perspektiven gestellt, aber auch die Fragen nach religiösen Praktiken und Glaubensüberzeugungen, nach dem Alltagsleben und nicht zuletzt nach dem Sinn des Lebens und dem Leben danach. Im größten Raum von Kolumba wird dies eindrucksvoll demonstriert. Zahlreiche Töpfereien aus dem römischen Köln sind hier in die Raummitte zusammen mit Kakaokannen aus dem 20. Jahrhundert und einigen im Jahr 2002 entstandenen Schalen für Liturgie zusammengestellt, während im Hintergrund ein elfenbeinernes Kruzifix aus der Mitte des zwölften Jahrhunderts mit einem scheinbar allem Leiden entrückten Corpus Christi gleichsam über Raum und Zeit schwebt. Dieses Kreuz gehört, wie auch einige andere Objekte, etwa die Madonna mit dem Veilchen von Stefan Lochner, zu den Exponaten, die seit Jahren ihren festen Platz haben. Während alles um sie herum Jahr für Jahr neu gestaltet wird, sind sie gleichsam ein Ruhepol.
bis 20. August 2018; täglich außer dienstags 12 bis 17 Uhr
Fotos: Constantin von Hoensbroech
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