Sozialdemokratie ist Protestantismus ohne Gott – Protestantismus ist Sozialdemokratie mit Gott

Deutscher Bundestag Foto: Stefan Groß

Sozialdemokratie ist Protestantismus ohne Gott – Protestantismus ist Sozialdemokratie mit Gott und Teil des Übels, weil er kein Kriterium liefert, wann es gilt, nicht friedlich, sondern wehrhaft zu sein.

Da ich ja über ein nahezu einzigartiges Talent verfüge, mich mit fast allen anzulegen und es mir mit jedem zu verscherzen, will ich versuchen, mir selber treu zu bleiben. Wahrscheinlich werden mir alsbald einige an die Gurgel gehen wollen und andere werden mir eilfertig zu erklären suchen, dass ich die christliche Lehre in der Tiefe überhaupt nicht verstanden hätte. Gleichwohl möchte ich meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, dass meines Erachtens gerade die Christen-Moral eine Wurzel des ganzen Übels darstellt.

Die christliche Lehre ist nicht rundherum schlecht

Ich bitte mich richtig zu verstehen, ich behaupte nicht, dass das Christentum rundherum schrecklich sei und gar nicht zur Kultivierung und Zivilisierung der Menschen beigetragen habe. Mir ist durchaus bewusst, dass dem Christentum ganz wesentliche Verdienste in der europäischen Geistes- und Kulturgeschichte zukommen. Jörg Lauster, Professor für systematische Theologie und Religionsphilosophie, hat dies in seinem seinem sehr empfehlenswerten Buch Die Verzauberung der Welt – Eine Kulturgeschichte des Christentums wunderbar herausgearbeitet. Ich sage auch nicht, dass die Christen-Moral vollkommen schlecht wäre.

Nein, im Gegenteil, darinnen findet sich sogar sehr viel Gutes und der Nazarener hat die Menschheit in einem gewissen Sinne durchaus deutlich voran gebracht. Er war auch sicherlich kein Dummer und vor allem wohl ein ganz wunderbarer Mensch, ein herzensguter solcher quasi. Die meisten von uns würden sich wahrscheinlich wünschen, einen solchen Menschen zum Freund haben zu dürfen. Gleichwohl war er nach meiner Einschätzung kein Denker von Rang und seine Lehre hatte doch auch etwas Dümmliches. Genau dieses Dümmliche haben sich nun die Sozis, die Linken und die Grünen herausgegriffen und propagieren dieses.

 

Neulich schreib mir ein Freund: „Sozialdemokratie ist Protestantismus ohne Gott. — Protestantismus ist Sozialdemokratie mit Gott.“ Das hat mir richtig gut gefallen und das ließe sich problemos natürlich auf die Grünen und die Linken übertragen, die quasi noch protestantischer sind.

Warum Sozis, Grüne und Linke so gut ankommen

Und das scheint mir der tiefere Grund zu sein, warum Sozis, Grüne und Linke bei Wahlen so erfolgreich sein können, warum sie wieder und wieder so sehr reüssieren, trotz aller Beweise ihrer völligen Unfähigkeit, eine Gesellschaft dauerhaft stabil, gerecht, sicher und im Wohlstand halten zu können. Eine solche aufbauen können sie ja ohnehin nicht und konnten das noch nie.

Der Grund ihres Erfolges an den Wahlurnen ist der, daß sie mit ihren Programmen und Parolen genau an das in uns andocken, was über zweitausend Jahre ganz tief in unsere Seelen verankert und von Generation zu Generation weitergetragen wurde. Wir haben es versäumt, das Positive aus der Christen-Moral herauszudestillieren und das Dümmliche daran zu verwerfen respektive zu überwinden.

Das Versäumnis der Moralphilosophen

Das wäre Aufgabe der Moralphilosophen gewesen, die das einerseits lange versäumt haben. Nietzsche hat Moralphilosphie verworfen, Heidegger, Wittgenstein und viele andere haben sich dafür über viele Jahrezehnte nicht interessiert, waren mit Ontologie, Epistemologie und Logik beschäftigt. Andererseits besteht seitens des Publikums kein wirkliches Interesse an Moralphilosophie (Ethik). Die meisten wissen gar nicht, was das sein soll und empfinden auch keinen Mangel an dem, was sie nicht kennen.

Der Unterschied zwischen Moral und Ethik

Meist wird der Ausdruck Ethik einfach synonym zu Moral verwendet. Selbst Habermas scheint bisweilen Probleme zu haben, beides sauber auseinanderzuhalten. Dabei ist es eigentlich recht einfach. Moral thematisiert menschliche Handlungen in Bezug auf das richtige oder gute Handeln, nimmt also Bewertungen des Handlungszieles vor. Was sollen wir anstreben, was nicht? Hieraus ergeben sich Wertvorstellungen und Normen.

Moralphilosophie (Ethik) thematisiert wiederum Moral, fragt z.B. ob gegebene moralische Regeln wirklich ethisch, das heißt vernünftig legitimiert werden können oder ob sie nur historisch tradiert, aber nicht haltbar sind, mithin verworfen werden müssen, weil sie sich nicht vernünftig rechtfertigen lassen. So z.B. dass in vielen Kulturen die Frau systematisch benachteiligt und unterdrückt wird, weniger Rechte hat als der Mann. Dies heißt in der Konsequenz, dass es inferiore (minderwertige) Moralen gibt, z.B. die Mafia- oder Nazi-Moral, und höherwertige, die moralphilosophisch (ethisch) legitimiert sind.

Warum die Kirchen Moralphilosophie zu verhindern suchen

Die christlichen Kirchen wiederum sind natürlich die großen Profiteure des Ganzen und auch die Verhinderer von Moralphilosphie (philosophische Ethik). Moralphilosophische Bildung wäre äußerst gefährlich für die Kirchen, denn dann würden sie ja ihre Monopolstellung verlieren und könnten ihr Produkt, die Christen-Moral, nicht mehr exklusiv anbieten, womit sie glänzende Geschäfte machen und sich dauerhaft ihren sozialen und gesellschaftlichen Rang sichern.

Expemplifizierung meiner These am Beispiel der Merkel-Rede auf dem CDU-Parteitag vom Dezember 2015

Eine weitere Bestätigung für meine These, dass die Christen-Moral eine wesentliche Wurzel des ganzen Übels darstellt, findet sich in dem Buch Die Getriebenen von Robin Alexander. Ende 2015 war Angela Merkel bereits in arger Bedrängnis innerhalb der CDU. Längst gab es Pläne, sie zu stürzen. Vor allem der ehemalige CSU-Vorsitzende und ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber arbeitete wohl darauf hin. Wolfgang Schäuble hätte bereitgestanden, die Kanzlerschaft zu übernehmen, war aber nicht bereit, aktiv Merkels Absetzung zu forcieren. Dafür ist er zu loyal.

Dann aber hielt Merkel auf dem CDU-Parteitag im Dezember 2015 ihre wahrscheinlich beste Rede ihrer gesamten politischen Laufbahn und schaffte es, ihre Partei nochmals auf ihren Kurs einzuschwören. Minutenlang bekam sie anschließend Standing Ovations. Wie hat sie das geschafft?

Merkel dockte in ihrer Rede genau dort an, an diese tiefen Verankerungen in unser aller Seelen, die wir abendländisch geprägt sind. Sie packte uns dort an der Christen-Moral, weil sie, die Pfarrerstochter, natürlich weiß: hier kriegt man Menschen unseren Kulturkreises am besten zu fassen und kann sie für sich einnehmen. Was genau sagte Merkel? Ich zitiere jetzt Robin Alexander (S. 178):

Der Kern ihrer Rede ist ein Appell an die Werte ihrer Zuhörer (Christen-Moral, JF): „Die Idee einer Partei, die im C ihre Grundlage findet. Und das heißt, in der von Gott gegeben Würde jedes einzelnen Menschen.“ – Merkel spricht von der christlichen Vorstellung der Gotteskindschaft jedes Menschen, aus der die unverletzliche Würde jedes Einzelnen resultiert. Ihre Schlussfolgerung: „Das heißt für heute, es kommen keine Menschenmassen, sondern es kommen einzelne Menschen zu uns.“ Soweit Robin Alexander.

Natürlich hatte Merkels Rede noch andere starke Passagen und natürlich gab es vorher entsprechende Vorbereitungen und Absprachen mit ihren innerparteilichen Gegnern, denen sie Zugeständnisse machte, um diese zu besänftigen. Aber auch ihre Rede war wichtig. In dieser packt sie ihrer Zuhörer, alles „Christdemokraten“, genau dort, dem christlich geprägte Menschen sich kaum entziehen können – und das sind die meisten von uns, auch die Atheisten, die nicht Zeus, Aphrodite und Wotan negieren, sondern den Christengott. Und doch haben auch sie zugleich die Christen-Moral tief internalisiert und können sich oftmals nicht ohne schlechtes Gewissen von ihr lösen. Wie macht Merkel dies? Welche Botschaft gibt sie ihren Zuhörern?

Die armen Flüchtlinge, das sind doch auch Gottes Kinder, genau wie wir. Das sind unsere Brüder und Schwestern, denen wir unbedingt helfen müssen, die wir auf keinen Fall im Stich lassen dürfen. Das würde uns der liebe Gott niemals verzeihen.

Das sitzt. Und das wirkt. Dem können sich die meisten von uns kaum entziehen und ihre Partei noch viel weniger. Das geht direkt ins Herz oder Gemüt. Wie will man sich dem jetzt noch verweigern? Dies geht zumindest nicht ohne schlechtes Gewissen. Zweitausend Jahre Christen-Moral ist, um es metaphorisch auszudrücken, quasi in unsere DNA hineindiffundiert. Damit kann jeder gewiefte Politiker exzellent arbeiten.

Merkel ist kein Kind der Aufklärung

Interessant ist auch, daß Merkel die Würde des Menschen nicht kantianisch, sondern eben über die Gotteskindschaft begründet. Das heißt – und das merkt man sehr oft bei ihr -, sie fällt hinter die Aufklärung in frühneuzeitliches oder mittelalterliches Denken zurück. Man denke nur an ihre Aussprüche, die Leute sollen halt mehr in die Kirche gehen und Heiligenbilder angucken oder mehr Flöte spielen. Natürlich christliche Lieder. Das alles zeigt, Merkel ist kein Kind der Aufklärung.

Aber mit dem Appell an „christliche Werte“ (Christen-Moral) kann sie hervorragend reüssieren und punkten, da Kants geniale Herleitung der Würde des Menschen die meisten ohnehin nicht verstehen, ja, zumeist nicht einmal kennen.

Die christliche Lehre ist Teil des ganzen Übels

Meine These lautet also: Wenn wir ganz tief graben, um nach der Wurzel des Übels zu suchen, so stoßen wir auf die christliche Lehre selbst, so stoßen wir auf Jesus von Nazareth, auf Paulus und die Evangelisten, die uns einerseits auf eine neue moralische Stufe gehoben haben, die aber andererseits auch verhindert haben, daß wir diese für die damalige Zeit in diesen konkreten Umständen sehr gute Moral weiterentwickeln, was aber längst notwendig gewesen wäre.

Was ist das Dümmliche an der christlichen Lehre?

Das Dümmliche an der Christen-Moral – und vielleicht auch an dem Nazarener – ist, dass hier nicht gesehen wird, wie sich eine solche Moral selbst zerstört, wie sie sich selbst den Boden abgräbt oder den Ast absägt, auf dem sie sitzt, indem sie das Friedliche absolut setzt.

Genau deshalb haben die Christen im 4. Jahrhundert eine Kehre vollzogen, sich von dem Dümmlichen in der Lehre Jesu gelöst und sind den Pakt mit der weltlichen Macht eingegangen, haben damit aber Jesus, der an keiner Stelle von einem Pakt mit der weltlichen Macht gesprochen hat, ein Stück weit verraten.

Andererseits ist das Christentum aber just hierdurch überlebensfähig geworden – ob es ohne diesen Pakt mit dem römischen Kaiser die Zeiten überstanden hätte, ist sehr fraglich. Die Sekte wäre womöglich untergegangen oder wäre recht unbedeutend geblieben. Zugleich wurden die Christen aber durch diesen Pakt mit der weltlichen Macht auch hochgradig korrumpiert. Denn nun ging es immer mehr um Machtfragen, um persönlichen Profit und persönliche Vorteile. Und damit haben wir zwei Sorten von Christen.

Zwei Sorten von Christen

  1. Die Naivlinge, die immer die andere Wange hinhalten, egal bei wem. Ganz liebe Leute, die aber nur in einer friedlichen Umwelt überlebensfähig sind, wenn andere ihnen die Selbstverteidigung und den Schutz abnehmen. So wie Jesus, der in einer zivilisierten Gesellschaft leben durfte, so wie die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg, die sich von den bösen Amis beschützen ließen, sich also nicht mehr selbst die Hände schmutzig machen mussten, was zu einer völligen Infantilisierung und Deppenhaftigkeit der Deutschen führte.

Hierfür stehen ganz besonders die reinen Grünen oder die Piraten. Nicht die ihreseits korrumpierten, sondern die wirklich reinen. Die sympathischen Spinner, die zu kaum was zu gebrauchen, aber nicht unsympathisch sind. Sie sind quasi Jesu Nachfolger. Jesus wäre heute bestimmt ein Grüner oder ein Pirat. Ein reiner, nicht korrumpierter, nicht machtgeiler Grüner.

  1. Die korrupten Christen: Diese finden wir insbesondere im Funktions- und Führungspersonal des Klerus. Die Bischöfe, die sich sogar von Atheisten und Buddhisten aushalten lassen und sechsstellige Jahresgehälter kassieren plus Wohnung, Dienstwagen, Sekretärin, Büro etc. Die Kardinäle, der steinreiche Vatikan, der auch mit der Mafia Geschäfte macht, und viele andere, die sich mit der weltlichen Macht verbünden, die mit dieser Lehre Geschäfte machen, die nur am Sonntag richtig christlich sind, unter der Woche aber ganz anderes tun.

Und die Christenmoral war immer schon praktisch, um das einfache Volk klein zu halten, war immer schon eine „Sklaven- oder Knechte-Moral“, keine Moral freier, selbstbewusster, mündiger, emanzipierter Bürger. Insofern war diese Moral immer auch interessant für die weltlichen Herrscher. Weniger für sich selbst, sondern mehr für ihre Untertanen.

Was wäre die Lösung?

Die Lösung wäre eine moralphilosophisch (ethisch) legitimierte Moral, die es einem erlaubt, sich selbst zu schützen, ohne dabei über Leichen zu gehen, ohne dabei ungerecht zu werden. Die es einem erlaubt, ehrlich und wahrhaftig zu sein, nicht ständig zu heucheln. Die es einem erlaubt, Gewalt einzusetzen, aber nur da, wo absolut notwendig und nicht über das gebührende Maß hinaus. Da aber dann entschieden, a) um das das eigene Überleben zu sichern und b) um das moralisch Bessere, Höherwertigere nicht dem Schlechteren, Niederen preiszugeben, wodurch ja die Welt immer schlechter statt besser würde. Das Gute muss also manchmal mit Gewalt durchgesetzt und verteidigt werden. Das Gute, nicht das behauptete Gute! Den Satz können ethische Relativisten natürlich nicht verstehen, das ist mir bewusst.

Was wir brauchen: eine dritte Sorte von Christen

Was wir also brauchen, ist ein dritte Sorte von Christen, philosophische Christen, wie z.B. ein David Berger oder viele andere, die irgendwie über eigenes Nachdenken draufkommen, dass man von dieser uneingeschränkten Friedlichkeit manchmal ein Stück weit abrücken muss, um dem Bösen nicht komplett das Feld zu überlassen. Solche, die lernen, selbst zu denken, die wehrhaft sind, ohne das für sich selbst und ihren Profit auszunutzen.

Somit brauchen wir aber ein Kriterium, wann dürfen wir Gewalt einsetzen und wann nicht. Dieses Kriterium kann aber nur die Moralphilosophie liefern. Was wir also brauchen, ist a) mehr Wehrhaftigkeit und b) mehr Philosophie.

Dies alles ist aber nur eine Seite. Es gibt – und man kann dies nicht anders als dialektisch erörtern – noch eine andere und da ist dieser eine und einzige Gott wiederum wichtig a) als Metapher oder als Projektionsfläche für die objektive und absolute Idee des Guten, b) als Trostspender in dieser Welt, in welcher wir des Trostes so sehr bedürfen, sowie c) als innerer Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Aber das wäre Thema für einen eigenen Essay.

Quelle: Jürgen Fritz

 

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