Interview mit Ilse Aigner – Die rot-grüne Landesregierung ist für die Zustände in NRW verantwortlich

Bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, Foto: Stefan Groß
  1. Immer noch gibt es zu wenige Frauen in führenden Ämtern? Auch beim Gehalt gibt es nach wie vor große Unterschiede. Was läuft falsch, was muss sich hier ändern?

Ja, wir brauchen mehr Frauen in Führungspositionen. Frauen bringen im Job, gerade wenn sie Führungsverantwortung tragen, andere Qualitäten ein als ihre männlichen Kollegen. Ich bin überzeugt: eine gesunde Mischung von Frauen und Männern in Führungspositionen ist ein Gewinn für alle Beteiligten.

Selbstverständlich müssen Frauen auch für gleiche Arbeit gleich entlohnt werden. Deshalb haben wir als CSU das Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit im Bund mitgetragen.

Eines muss aber klar sein: Wir dürfen unsere Unternehmen nicht mit immer neuen bürokratischen Hürden überziehen. Wir stehen vor einem gesellschaftlichen Wandel, der seine Zeit braucht und der sich nicht nur durch staatliche Vorgaben verordnen lässt. Entscheidend wird sein, bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen. Ich bin mir sicher: Dann werden sich mehr Frauen für eine stärkere Beteiligung am Erwerbsleben entscheiden. Wir brauchen deshalb mehr Investitionen in die Infrastruktur zur Kinderbetreuung. Und wir brauchen mehr Flexibilität, was die Verteilung der vereinbarten Arbeitszeit über die Woche hinweg und den Arbeitsort betrifft.

  1. Vor einem Jahr haben die Briten für den Brexit gestimmt? Wie stark spürt man die Auswirkungen in der deutschen bzw. bayerischen Wirtschaft?

Großbritannien war 2016 der wichtigste Exportmarkt für Bayern innerhalb der EU und weltweit der drittwichtigste nach den USA und China – obgleich der bevorstehende Brexit bereits erste Spuren in der bayerisch-britischen Handelsbilanz hinterlassen hatte. Das Exportvolumen nach Großbritannien nahm im Vergleich zu 2015 um 3,1 Prozent ab, wohl vor allem aufgrund des schwachen britischen Pfundes infolge des Brexit-Votums. Vor allem im zweiten Halbjahr zeigte sich dieser Effekt.

Die Wirtschaftskraft Großbritanniens ist so groß wie die der siebzehn kleinsten Staaten der EU zusammen. Bayern als stark vom Export abhängigem Land muss deshalb an einem guten Ausgang der Brexit-Verhandlungen gelegen sein. Wir brauchen keine neuen Handelsschranken. Das würde am Ende beiden Seiten schaden. Wir brauchen ein ausgewogenes bilaterales Abkommen, das die Interessen unserer Exportwirtschaft wahrt. Rachegelüste sind hier falsch. Allerdings verbietet sich umgekehrt ein Rosinenpicken seitens der Briten. Wir dürfen den Binnenmarkt nicht gefährden.

Der Brexit hat aber auch noch eine ganz andere Seite: Wir beobachten, dass sich Unternehmen mit Niederlassungen in Großbritannien vermehrt Gedanken über eine eventuelle Verlagerung auf das europäische Festland machen. Selbstverständlich werden wir – mit unseren Standortvorteilen – dafür werben, dass Unternehmen, die im Binnenmarkt bleiben wollen, nach Bayern kommen.

Und wenn es den Unsicherheiten um den Brexit einen weiteren positiven Aspekt abzugewinnen gilt, dann ist es die Tatsache, dass Europa enger zusammenrückt. Und dass wir uns des Wertes des Freihandels noch stärker bewusst werden.

  1. Mit Donald Trump kam ein Präsident an die Macht, der andere Wege geht, dem EU und Europa wenig bedeuten, der mit Saudi-Arabien Milliardendeals schließt, sich aber um Klima und die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands kaum kümmert. Der Nonkonformist mit dem Slogan „Amerika first“ plädiert für einen neuen Protektionismus. Haben wir unter Trump bald einen unseren wichtigsten Wirtschaftspartner verloren?

Fest steht: Unter Präsident Trump sind die USA ein Stück unberechenbarer geworden. Ich bin mir aber sicher, dass die USA für uns ein wichtiger Partner bleiben werden.

Vor einigen Wochen beim Treffen der G-7-Finanzminister hatten sich die USA noch geweigert, ein Bekenntnis zum freien Handel zu unterschreiben. In ihrer Schlussdeklaration haben sich die Staats- und Regierungschefs der G-7-Staaten nun unerwartet klar gegen Protektionismus ausgesprochen. Das zeigt mir, dass wir bei Donald Trump am Ball bleiben müssen. Wir werden ihn und seine Administration immer wieder von den Vorteilen des freien Handels überzeugen müssen. Dass Donald Trump sich entschieden hat, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszusteigen, bedaure ich sehr. Die Konsequenz für uns Europäer muss sein, die Umsetzung des Abkommens gemeinsam mit unseren Partnern aus der ganzen Welt entschlossen voranzutreiben.

  1. Das Thema Digitalisierung haben Sie in einer Regierungserklärung zur Chef/in)-Sache gemacht. Was steht konkret auf der Agenda der zweiten Stufe der bayerischen Digitalisierungsoffensive?

Mit der zweiten Stufe der Digitalisierungsoffensive machen wir den Freistaat zur Leitregion für die Digitalisierung. Wir wollen, dass Bayern und seine Menschen zu Gewinnern der digitalen Revolution werden. Als Wirtschaftsministerin habe ich dabei insbesondere die Betriebe im Freistaat im Blick. Es sollen neue Verfahren, neue Prozesse und neue Geschäftsideen entstehen – in großen und in kleinen Unternehmen, in allen Branchen und in allen Landesteilen. Hierfür investieren wir in den nächsten Jahren kraftvoll. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen: Mit dem Digitalbonus unterstützen wir den bayerischen Mittelstand bei Investitionen im Bereich der Digitalisierung. Wir fördern die Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um sie fit zu machen für die digitalen Anforderungen. Wir treiben den Aufbau von digitalen Gründerzentren in allen Regierungsbezirken voran. Und wir erobern Schüsselfelder digitaler Technologien und Anwendungen, Stichworte Künstliche Intelligenz, Assistenzrobotik, 3D-Druck.

  1. Unter allen Bundesländern geht es den Bayern am Besten, die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordtief. Was ist das Erfolgsrezept des Freistaates?

Wie Ministerpräsident Seehofer formuliert hat: mit 3,0 Prozent Arbeitslosigkeit im Mai 2017 haben wir eine „Traummarke“ erreicht. Eine so gute Entwicklung hat noch vor wenigen Jahren kaum jemand für möglich gehalten. Und das hängt wesentlich mit unserer Wirtschaftspolitik zusammen. Wir schaffen Rahmenbedingungen, die Arbeitsplätze entstehen lassen und nicht Unternehmen davon abhalten, neue Stellen zu schaffen oder Stellen zu besetzen. Staatliche und private Investitionen sind dabei ein wichtiges Thema. Wir widmen uns den zentralen Zukunftsfeldern: Wir stärken die Kompetenzen im Bereich Digitalisierung bei den Unternehmen und wir schaffen ein Ökosystem für innovative Gründer. Im Bund setze ich mich entschieden für steuerliche Anreize ein, etwa für die energetische Gebäudesanierung, für Wagniskapital oder für Forschung und Entwicklung.

Zudem haben wir ganz Bayern im Blick: Mit gezielter Regionalförderung etwa schaffen wir Bedingungen für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen im Freistaat. Diese Anstrengung zahlt sich aus: Laut europäischen Statistikamt Eurostat verzeichnete Niederbayern im vergangenen Jahr mit 2,1 Prozent die niedrigste Erwerbslosenquote in ganz Europa.

  1. In Nordrhein-Westfalen wächst die Verschuldung des Landes auf ein Rekordhoch, No-Go-Areas gehören dort mittlerweile zum Alltag, die Infrastruktur liegt am Boden und viele Städte sind sanierungsbedürftig. Was läuft in vielen Bundesländern schief? Was wäre Ihr Rat?

Es liegt mir fern, den anderen Bundesländern gute Ratschläge zu erteilen. Klar ist aber die Verantwortung der rot-grünen Landesregierung für die Zustände in NRW. Deshalb wurde diese jetzt ja auch abgestraft.

  1. Warum geht es SPD-regierten Ländern im Vergleich zu Landesregierungen unter Führung der Union oder der CSU wirtschaftlich immer schlechter?

Ich denke, es ist schon erkennbar, dass unionsregierte Landesregierungen bessere Rahmenbedingungen setzen – und die richtigen Anreize geben. Denken Sie etwa an die Digitalisierung: Wir in Bayern unterstützen unsere Unternehmen, gerade auch die kleineren und mittleren dabei, in digitale Anwendungen, Produktionsstätten und Geschäftsmodelle zu investieren. Damit bleiben sie wettbewerbsfähig oder haben gegenüber anderen Unternehmen in Zukunft sogar die Nase vorn.

  1. Nach dem Schulz-Hype ist es ruhig um die SPD geworden. Bleibt uns Angela Merkel auch noch in der 5. Wahlperiode erhalten? Was macht das Geheimnis ihres Erfolges Ihrer Meinung nach aus. Merkel hat viele Krisen überstanden, die schwierigste sicherlich die Flüchtlingskrise, jetzt erstrahlt sie im neuen Glanz. Ist sie ein politischer Überflieger?

Bis zur Bundestagswahl im September ist noch viel Zeit. Und eine Prognose über den Ausgang der Wahl werde ich sicherlich nicht treffen. Klar ist, dass der SPD-Kanzlerkandidat den Menschen viele Antworten schuldig bleibt.  

Wir als CSU werden in den nächsten Monaten bei den Bürgerinnen und Bürgern dafür werben, Angela Merkel auch eine vierte Amtszeit als Bundeskanzlerin zu ermöglichen. Andere bilden sich ein zu wissen, was für die Bevölkerung gut ist – aber sie handeln nach Theorien und Thesen und nicht nach der Lebenswirklichkeit. Ohnehin wären sie in der aktuellen Weltlage ebenso überfordert wie mit den ökonomischen und gesellschaftlichen Herausforderungen in unserem Land. Anders als Angela Merkel – mit ihrer Erfahrung und Gelassenheit.

  1. Was sind die großen Wahlkampfthemen der CSU bis zur Bundestagswahl am 24. September. Worauf legen Sie den Fokus?

Wirtschaftspolitisch steht für uns im Fokus, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Arbeitsplätze schaffen. Wir wollen unsere Unternehmen entlasten und so Anreize für Zukunftsinvestitionen setzen: Wir wollen das Steuersystem international wettbewerbsfähig gestalten, Stichworte steuerliche FuE-Förderung, steuerwirksame Sofortabschreibungsmöglichkeit beim Erwerb von Anteilen an begünstigten Start-ups oder degressive Abschreibung für digitalisierungsrelevante Investitionen. Wir wollen die Lohnzusatzkosten bezahlbar halten. Wir wollen ein modernes Arbeitsrecht als Antwort auf die Digitalisierung. Wir wollen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir wollen die Energiewende planungssicher und bezahlbar gestalten. Wir wollen die Außenhandelsbeziehungen ausbauen. Freier Handel ist elementar für uns als Exportnation.

Fragen: Dr. Dr. Stefan Groß

Chefredakteur The European

Finanzen

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