Im Alter von 97 Jahren verstarb in Berlin der einstige Armeegeneral der „Nationalen Volksarmee“ Heinz Keßler (1920-2017), der von 1985 bis zum Mauerfall 1989 auch DDR-Verteidigungsminister war. Drei Jahre nach seiner Geburt am 26. Januar 1920 in Lauban am Queis verzogen seine Eltern, die überzeugten Kommunisten waren, in die sächsische Industriestadt Chemnitz, wo er aufwuchs. Er besuchte die Volksschule, wurde vor 1933 Mitglied des „Jung-Spartakus-Bundes“ und erlernte 1934/37 den Beruf des Maschinenschlossers, den er bis 1940 ausübte. Dann wurde er zur „Wehrmacht“ einberufen und als MG-Schütze ausgebildet. Er war als Soldat am Russlandfeldzug beteiligt und lief am 15. Juli 1941, drei Wochen nach dem Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni, zur „Roten Armee“ über. Aus Rache wurde seine Mutter bis 1945 im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück bei Fürstenberg an der Havel eingesperrt.
Fünf Monate lang erhielt er als Kriegsgefangener eine Ausbildung in der Antifa-Schule in Gorki, dem früheren Nischni Nowgorod. Im Dezember 1942 kam es zum ersten Fronteinsatz, 1943 war er einer der Mitbegründer des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ und rief übers Megafon deutsche Soldaten zum Überlaufen auf. Im Mai 1945 kehrte er als Angehöriger der „Roten Armee“ nach Berlin zurück, wo er seine Mutter Hedwig Keßler wiedertraf.
Seine politische Karriere in der „Freien Deutschen Jugend“, die er 1946 mitbegründete, und in der SED war unaufhaltsam. Am 1. November 1950 trat er in die „Kasernierte Volkspolizei“ ein, dem Vorläufer der 1956 gegründeten „Nationalen Volksarmee“, wo er bis zum Generaloberst aufstieg, am 3. Dezember 1985 wurde er DDR-Verteidigungsminister. Am 17. November 1989 trat er zurück. Im Jahr darauf wurde er aus der SED ausgeschlossen. Wegen des Schießbefehls („Anstiftung zum Totschlag“) an der Berliner Mauer wurde er am 16. September 1993 zu einer Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt, das Urteil wurde am 26. Juli 1994 vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe bestätigt. Im Frühjahr 1998 wurde er, nach nicht einmal fünf Jahren Haft, aus der Berliner Justizvollzugsanstalt Hakenfelde aus gesundheitlichen Gründen entlassen.
Vom politischen System des Staates DDR und ihrem Unterdrückungsapparat hat sich Heinz Keßler nie distanziert. Noch 2009 im Alter von 89 Jahren trat er der von Wählerschwund befallenen „Deutschen Kommunistischen Partei“ bei, für die er 2011 kandidierte. Ein ominöser „Freundeskreis Heinz Keßler“ gab zum 90. Geburtstag 2010 unter dem Titel „Die Sache aufgeben, heißt sich selbst aufgeben“ eine Festschrift (222 Seiten) heraus. Zum 50. Jahrestag des Mauerbaus 2011 erschien ein anfechtbares und leicht zu widerlegendes Buch unter dem Titel „Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben“, worin man solche unsinnigen Sätze finden konnte: „Die Arbeiter und alle Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik atmeten nach dem 13. August 1961 erleichtert auf, weil dem Treiben der Bonner Menschenhändler und Revanchepolitiker ein schnelles Ende bereitet wurde.“
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