Wohin steuert das Land? Ins Altenheim
Es tut mir leid, aber es juckt mir seit Monaten in den Fingern, einen Artikel zu schreiben, der die Überalterung unseres Landes thematisiert.
Im Grunde fing es vor 4 Jahren an. Damals annoncierte ein ortsansässiger Literatur-Verein: er benötige einen neuen Vorsitzenden. Es fand sich niemand. Vorsitzender, Stellvertreter, Kassenwart, Geschäftsführer und Schriftführer (braucht kein Mensch) waren jenseits der 60 und hatten keine Lust mehr. Für 3 Jahre übernahm ich den Job, aber seither fühlen sich Kulturvereine im Umkreis von 100 Kilometern um meinen Wohnort bemüßigt, mich zu kontaktieren, wenn sie Nachwuchsprobleme haben, und Nachwuchsprobleme haben sie alle.
Es ehrt mich einerseits, stellt eine Wertschätzung meiner durchaus erfolgreichen Arbeit dar, aber irgendwann fühlt man sich wie in the walking dead. Alter als ansteckende Krankheit der morbus Germanicus.
Nach 4 Jahren Kulturorganisation in der Provinz hörte ich oft von Arthrose, Gicht, Alzheimer und Altersheimer. Langsam reicht es mir, zumal auch viele ältere Herrschaften auch und vor allem unter ihrer eigenen Kinderlosigkeit leiden oder darunter, dass ihre Sprösslinge hunderte Kilometer entfernt leben. Tut mir leid, aber jedem kann und will ich nicht helfen, dafür gibt es zu viele Alte und zu wenige Junge. Das Land kippt in der Tat so, wie in der depressiven Dystopie the walking dead, auch wenn derlei Analogien zynisch anmuten.
Verbreitete Kinderlosigkeit ist das Stichwort und der Grund, warum auch 50jährige noch als „junge Leute“ bezeichnet werden. Einmalig auf der Welt und einmalig in allen Zeiten. Allein Japan hat eine noch ältere Bevölkerung, die aber privat vorsorgt.
Problem bekannt, aber nicht gebannt
Sorry, aber für die gnadenlose Überalterung unseres Landes kann ich nichts. Ein Ersatzsohn für so viele ältere Herrschaften kann und will ich nicht sein. Es ist auch so, dass meiner Generation wie selbstverständlich abverlangt wird, sich um die Füllung der Renten- und Sozialkassen zu kümmern, um Produktivitätszuwachs, die Gebrechen der älteren Herrschaften, die vielen Flüchtlinge im Land sowie dann noch bis zum 70.Lebensjahr zu arbeiten.
Die heutige Rentnergeneration hat in weiten Teilen den Anspruch, 20 und mehr Jahre fit und aktiv im Ruhestand zu verbringen, was schlicht unfinanzierbar ist. Darüber hinaus auch eine Zumutung für die relativ wenigen Jungen.
Keiner Rentnergeneration geht es so gut wie dieser und keiner wird es je wieder so gut gehen. In einem Gespräch mit einem nahen Verwandten, der selbst älter als 70 ist, sagte mir dieser, allein in Deutschland mache man einen Kult aus Rollatoren. In keinem Land, weder in Polen noch Spanien, den USA oder Italien oder Frankreich sieht man so häufig das scheinbar praktische Gerät, das hierzulande fast jedem jenseits der 70 nahegelegt wird.
Eigentlich ist es ein Entmündigungsvehikel, weil es ja gerade den aufrechten Gang und jede Sportlichkeit aufhebt. Symbolisch steht es für Gebrechen. Und Gebrechen qualifizieren für den Minderheitenstatus, der Vorteile bringt. Man kann mit einem Golf Plus mit 18 km/h durch die 50er-Zone fahren und ist davon befreit, als normaler Mensch behandelt zu werden.
„Wer eher stirbt, ist länger tot“ – wer eher zu arbeiten aufhört, hat mehr vom Leben
Bereits in den Nullerjahren hat Frank Schirrmacher sein Buch „Das Methusalem-Komplott“ geschrieben. Der damalige Vorsitzende der Jungen Union Mißfelder äußerte sich ebenso über die Überalterung. Beide haben, um es im Mißfelder´schen Duktus auszudrücken, – Ironie der Geschichte hin oder her – den Löffel eher abgegeben als so mancher 85jähriger, der seit 30 Jahren die Früchte seiner Frühverrentung erntet, ohne je ein Kind in die Welt gesetzt zu haben. Ist das gerecht oder Generationengerechtigkeit, um ein Modewort einzuführen?
Mit Heiner Geißler und Norbert Blüm fing es in den 1980er Jahren an: Frühverrentung und Lebensabend an der Costa Brava. An Schulen fiel einigen unmotivierten Lehrern ein, dass man vielleicht doch mit 48 Jahren beim Arzt vorstellig werden könnte, um Frührente zu erlangen. Ein Beispiel ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Jemand war besonders kreativ: er klagte, in seinem Arbeitsraum sei Asbest verbaut worden. Man wollte jeden Rechtsstreit vermeiden und somit ist dieser Mann seit 1991 verrentet, übrigens noch immer bei bester Gesundheit, das Baumaterial war doch nicht angebracht worden.
The land of the free
Vor einem Monat war ich in den USA, um einen Freund zu besuchen in den Südstaaten. Zuerst dachte ich, es wäre eine tolle Story, über Donald Trump zu schreiben. Das war jedoch nichts, fast alle fanden Trump eher ungut, keine Geschichte sozusagen.
Was ich aber mitnahm, war die Erkenntnis, dass die Vereinigten Staaten ein Land sind, das ganz ohne Zuwanderung aus den überbevölkerten Elendsgebieten der Welt oder Kindergeld auskommt.
Für die Daycare (Kindergarten) zahlt man sich dumm und dusselig, ganz zu schweigen von guten High Schools und Colleges. Dennoch wagen die Eltern es, mehr Kinder in die Welt zu setzen.
Somit läuft das Land nicht am Rollator wie unseres, benötigt nicht eine Blutauffrischung aus den Diktaturen des Maghreb, um die Geburtenrate bei konstant 2 Kindern pro Paar zu halten.
Daher sage ich ganz frei heraus, dass ich die unglaubliche Überalterung hier in Deutschland, die sich besonders abseits der großen Städte wie Frankfurt, Berlin und München bemerkbar macht, enervierend finde.
Allein meine Eltern haben das Recht, mir von ihren Gebrechen zu erzählen, andere eher nicht. Es ist auch nicht von meiner Generation zu erwarten, dass wir allesamt jesuanische selbstlose Menschen sind, die sich nur noch um andere ältere Herrschaften kümmern. In Maßen ja, aber es hat beinahe verbindlichen Charakter bei uns.
Die Quintessenz
Überalterung ist dann ein Problem, wenn das Vorhandensein von Kindern nur noch als Privatangelegenheit angesehen wird. Kinder sind aber auch ein öffentliches Gut. Im Moment gibt es viele Trittbrettfahrer, die das Kinderkriegen und Erziehen anderen überlassen. So geht es nicht.
Konsequenterweise sollte man die volle Rente/Pension Kinderlosen erst mit dem Erreichen des 70.Lebensjahr einräumen, Ein-Kind-Paaren bei Erreichen des 67.Lebensjahres und allen, die mehr als ein Kind haben, bereits mit 65 volle Rente gewähren, sofern sie zuvor 40 Beitragsjahre zusammenbekamen. Sonst wird es ein unfinanzierbares System.
Was kann man dagegen tun? Auswandern, solange man noch nicht selbst am Rollator hängt! Oder mal ein paar Kinder in die Welt setzen.
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