Man könnte sie auch „Inquisitoren“ nennen. Männer wie etwa Prälat Charles Scicluna, den „Anwalt der Gerechtigkeit“ in der vatikanischen Glaubenskongregation, der jetzt nach Malta gereist ist, um Missbrauchsopfer aufzusuchen und der bischöflichen Kommission auf der Insel zur Aufarbeitung dieser Skandale Beine zu machen. Oder wie Erzbischof Velasio De Paolis, den gelehrten wie auch zutiefst spirituellen Präsidenten der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls, den Papst Benedikt dem Priesterorden der Legionäre Christi als Apostolischen Delegaten vor die Nase gesetzt hat. Dort soll er studieren, wie man den Orden aus der Krise führen kann, in die ihn die Untaten des Gründers mit seinem Doppelleben hineingetrieben haben. Man könnte auch an Prälat Guido Pozzo denken, einen Mitarbeiter der Glaubenskongregation, der im vergangenen Jahr Sekretär der für die Traditionalisten zuständigen Kommission „Ecclesia Dei“ geworden ist und als solcher die Gespräche Roms mit den schismatischen Pius-Brüdern organisiert. Anfang Juli hat Pozzo die romtreue Petrus-Bruderschaft in Wigratzbad besucht und in einem ausführlichen Referat dargestellt, wie die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils zu interpretieren sind. Man kann sich vorstellen, dass dieser Mann, der im Vatikan an entscheidender Stelle für den Dialog mit den konzilskritischen Pius-Brüdern arbeitet, bei diesem Vortrag nicht seine Privatmeinung vorgetragen hat, sondern das, was die Linie der Glaubenskongregation und des Papstes darstellt, wenn es um die richtige Rezeption der Konzilstexte geht.
Lassen wir das Wort „Inquisitoren“. Sprechen wir lieber von Gesandten des Papstes, die ausschwärmen und nachschauen, befragen, untersuchen, darlegen, prüfen, richtig stellen und gegebenenfalls fällige Personalentscheidungen anregen können. Wer genau hinschaut, der stellt fest, dass sich der römische Wind derzeit dreht. Über Jahrzehnte war der Vatikan eher dafür bekannt, dass man den Ortskirchen Bischöfe gab, die diese wollten, dass der Papst hin und wieder eine Enzyklika schrieb, die die internationalen Medien dann blitzschnell wegloben durften, und die Päpstlichen Räte regelmäßig Botschaften zu den verschiedensten Jahrestagen (für die Sozialen Kommunikationsmittel, für die Migranten, die Kranken oder zu Gerechtigkeit und Frieden) herausgaben oder für den Papst verfassten, die niemanden interessierten. Während Rom also eine Unmenge Papier produzierte, loderten überall in der
Welt kleine Feuerchen auf.
So ist es heute fast unvorstellbar, dass im katholischen Religionsunterricht in Belgien ein pädophiler Katechismus in Gebrauch war und die zuständigen Hirten der Kirche auf die entsprechenden Proteste von Eltern hin das taten, was nach dem Konzil zu ihrer Lieblingsbeschäftigung geworden war: nämlich nichts.
Aber man muss nicht nach Belgien gehen. Überall an den Theologischen Fakultäten wurde munter irrgelehrt, an den Katholischen Akademie wurde eifrig gegen Rom gestänkert, im Religionsunterricht trieb man den Kindern die Frömmigkeit aus und zahllose Messfeiern wurden dazu missbraucht, pseudoliturgische Privatideen in die Tat umzusetzen. Der Glaube wurde somit zu einem recht dünnen Eis, auf dem manche Seele eingebrochen ist. Und es bürgerte sich ein, was heute dem Vatikan wie ein Krebsgeschwür am Halse hängt: Dass auch Kleriker ein bisschen Sex haben dürfen – mit Frauen oder untereinander und manchmal mit Kindern. In der Kirche begann es zum Himmel zu stinken.
Lassen wir das Wort „Inquisition“ – aber genau so etwas muss wieder her. Und es scheint, dass Benedikt XVI. das gute, alte „Heilige Offizium“, das heißt die Glaubenskongregation, dazu auserkoren hat, für den nötigen Kurswechsel, für die Reinigung von den Sünden und Schwächen im Inneren zu sorgen. Und dafür, dass das Glaubensgut auf den theologischen
Jahrmärkten nicht mehr zu Billigpreisen verhökert wird – egal, ob diese Jahrmärkte aus den Modeströmungen des Zeitgeistes oder dem uneinsichtigen Stolz einer schismatischen Bruderschaft bestehen. Es ist ein Dienst der Liebe, hatte Papst Benedikt zum Abschluss des
Priesterjahrs gesagt, wenn die Hirten ihren Stab auch als Stock verwenden, um diejenigen zu verjagen, die den Glauben, die guten Sitten und die Moral untergraben. Und dem Papst scheint bewusst zu sein, dass er der Erste ist, der diesen Liebesdienst zu erweisen hat.
Guido Horst ist Chefredakteur des Vatikan-Magazins (www.vatikan-magazin.de)
Kommentar hinterlassen
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.