Was bleibt vom C in der CDU?

Martin Lohmann, Das Kreuz mit dem C, Wie christlich ist die Union?, Butzon & Bercker GmbH, Kevelaer 2009, 202 Seiten, ISBN: 978-3-7666-1242-7, Preis: 14.90 Euro

Die Parteivorsitzende hat es mehrfach betont: Die Politik der Christlich-Demokratischen Union gründet auch in Zukunft auf dem christlichen Menschenbild. Doch worin das christliche Menschenbild besteht – für Angela Merkel oder ihre Partei –, das jedoch verrät die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland ihren Zuhörern nicht.
Diese Wortlosigkeit sorgt für Ratlosigkeit. Kann es sein, dass die Erklärung lediglich Verbalkosmetik, ein „verbaler Diener“ vor denjenigen ihrer Wähler ist, die auf das „Christliche“, sei es Menschenbild oder Soziallehre, noch wert legen. Wie etwa Martin Lohmann, der mit seinem neuen Buch „Das Kreuz mit dem C“ der Kanzlerin angeblich keine Freude bereitet haben soll.
Auf etwa 3 Prozent schätzt man in den Wahltaktischen Gremien die bewusst christlich wählenden Bürger, scheint dabei aber, wie die letzte Bundestagswahl gezeigt hat, eine Wahrheit zu verkennen, die jede gemeinnützige Organisation, also jede dem Gemeinwohl verpflichtete Organisation, mit Bangen fürchtet: dass nämlich drei Prozent verärgerte ehemalige Stabhalter und Nibelungentreue eine Katerstimmung erzeugen können, die die Zukunft kräftig eintrüben kann. 3 Prozent enttäuscht Liebende, die fremdgehen oder vom Fremdgehen träumen oder anderen von ihren Träumen erzählen und ihren Frust in Begründungen und Argumente gießen, können eine Wirkung erzielen, die sich nicht in Schablonen pressen und in Prozenten ausdrücken lässt.
Es kann den Wahlabend vermiesen. Die CDU hat bereits mit Edmund Stoiber von diesem bitteren Wasser der Erkenntnis trinken müssen, das letzte Mal ist sie nur knapp davon gekommen… Wie es das nächste Mal aussieht, wagt selbst die Kanzlerin nicht mit Zuversicht vorherzusagen. Man sucht die Schwachstellen an den falschen Enden, verkennt die Wirkung seiner Initialen und seiner Fahnenträger und bedarf dringlich der notwendenden, der heilsamen Analyse.
Vor diesem Hintergrund tut es gut, einen Blick in Lohmanns „Kreuzbuch“ zu werfen, sich von den Gedanken des versierten Politikbeobachters und bekennenden Christen animieren zu lassen, die CDU nicht gänzlich aufzugeben, sondern ihr eine Chance zu geben, die – wenn schon nicht deren gegenwärtige Ersträngler, so doch – die Partei verdienen soll. „Ich bin davon überzeugt, dass die C-Parteien einen wirklichen Mehrwert haben können. Die Union muss nichts aufgeben, aber manche Schätze können wiederentdeckt und neu erkannt werden. Die Union hat mit dem neuen C eine große Chance,“ so Lohmann über sein Buch.
Das C und der Mensch, das C und die Familie, das C und das Lebensrecht, das C und Gender… Lohmann legt den Finger in die Wunde, dahin, wo die Politik der CDU ganz und gar nicht mit dem christlichen Menschenbild, schon gar nicht mit dem christlichen Ideal überein kommt. Und der Bonner Publizist fordert dazu auf, sich nicht weiter das Feigenblatt abzureißen, um wie alle anderen verklemmt und wie von vorgestern dazustehen, sondern endlich wieder etwas aus dem Kapital zu schlagen, das der CDU aufgrund des „C“s im Namen geradezu angeborenermaßen zugehört und durch die jahrhundertelange Vertiefung in soziale und wirtschaftliche Zusammenhänge abgeklärt zur Verfügung steht. Man solle nicht den Ideen der anderen mit zwanzigjähriger Verspätung hinterherrennen, das sagen viele, sondern mit dem Eigenkapital die Avantgarde von morgen stellen, das stellt Lohmann vor.
Ausgeprägter hätte sich Lohmann noch zur Wirtschaft äußern können. Denn der bei in vielen Köpfen andächtig geglaubte Slogan „Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es auch den Menschen gut“ hört sich zwar gut an, stimmt aber nur, wenn „die Wirtschaft“ an ihre soziale Verantwortung gekettet wird. Hier ist die christliche Soziallehre ausgesprochen nüchtern und auch hier fehlen die Antworten der christlichen Parteien, die längst anderen Wirtschaftskonzepten nachjagen, die sich bereits als neoliberalistisch geoutet und als nicht tragfähig erwiesen haben.
Sicher hat nicht erst Angela Merkel mit dem unverwechselbaren Identitätsmerkmal „C“ ein Problem. Schließlich war es Helmut Kohl, der in den Siebziger Jahren damit begann, das C im Parteiprogramm zu diskutieren. Abgesehen von seinem bauernfängerischen Gehabe als christlicher Patriarch, der manchen Bischof einlullen konnte, hat er mehr zur Entchristlichung der Partei beigetragen als jeder andere. Und auch Wolfgang Schäuble, Parteivorsitzender nach Kohl und vor Merkel, mag man nicht recht zutrauen, das „C“ über das strategische Kalkül oder ideologische Interesse stellen zu wollen. Doch aus der Zerrissenheit, in die die Partei seit 1973 geraten ist, könnte die Pastorentochter die Partei herausholen. Wenn sie denn mit der gleichen Zielstrebigkeit daran arbeiten wollte, wie an ihrer Kanzlerschaft. Sonst könnte rasch beides enden.

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