Gemessen an den wahren Herausforderungen des globalen Klimawandels war Cancún eine verheerende Pleite. Angesichts des eigenen Verbrauchs ist die EU nun aber in der Pflicht, allein voranzuschreiten, sollte der Kompromiss von Cancún nicht umgesetzt werden können.
Der weltweite naturwissenschaftliche Konsens legt nahe: Will man drastische ökonomische Schäden, Klimakriege um schwindende Nahrungs- und Trinkwasservorräte und Millionen Tote vermeiden, müssten die globalen (!) Klimagasemissionen bis 2050 um etwa 80 Prozent sinken. Dabei haben wir Deutschen pro Kopf die zweieinhalbfachen Emissionen wie die Chinesen und die 30-fachen Emissionen wie die Afrikaner.
Insofern geht es für die EU, wie unsere Regierungen zu Recht sagen, eher um bis zu minus 95 Prozent bis 2050. Gemessen daran war Cancún eine verheerende Pleite. Auch die EU sieht sich zu Unrecht als Klimavorreiter. Das zeigte schon der Pro-Kopf-Vergleich. Und die angeblichen deutschen Emissionsreduktionen von 27 Prozent seit 1990 verdanken sich primär drei Faktoren: Zusammenbruch der DDR-Industrie, Finanzkrise, Produktionsverlagerung unserer Luxusgüter in die Schwellenländer. Ohne diese drei Faktoren ist die deutsche klimapolitische Bilanz seit 1990 nahe bei plus/minus null.
Doch was tun, wenn einschneidende weltweite Ziele plus einschneidende westliche Finanzierungshilfen nicht kommen? Dann sollte die EU allein vorangehen. Nicht allein moralisch wegen der globalen Ungleichheit und der künftigen Generationen. Auch aus mittel- und langfristigem Eigennutzen. Durch einen völlig neu konzipierten und verschärften Emissionshandel oder eine ebensolche Energieabgabe könnten fossile Brennstoffe einen – sukzessive steigenden, drastischen – Preis bekommen. Fossile Brennstoffe bei Strom, Wärme, Treibstoff und den vielen stofflichen Nutzungen, also letztlich in der gesamten Produktion, würden so durch erneuerbare Energien und mehr Effizienz ersetzt. Das lohnt sich wirtschaftlich schon kurz- und mittelfristig. Man fördert neue Wirtschaftszweige und macht sich von Energieimporten und steigenden Öl- und Gaspreisen unabhängig. Man sichert dauerhaft die Energieversorgung. Und vermeidet gewaltsame und – zynisch gesprochen – auch äußerst teure Auseinandersetzungen um schwindende Ressourcen.
Industrien laufen auch mit erneuerbaren Energien, insofern meint Klimapolitik keine Deindustrialisierung der EU. Nachhaltigkeit handelt allerdings auch davon, die Unmöglichkeit ewigen Wachstums in einer physikalisch endlichen Welt einzusehen. Auch für Solarmodule und Solarautos ist das Baumaterial endlich. Also muss etwa die EU-Autodichte auf ein weltweit durchhaltbares Maß schrumpfen. Vielleicht ist endloses Wachstum ohnehin gar nicht erstrebenswert: Psychologen sagen schon lange, dass wir reicher, aber nicht glücklicher werden.
Allerdings würde es niemandem helfen, wenn statt der EU die Chinesen das hier eingesparte Öl verbrennen und die hier eingemotteten, nicht nachhaltigen Industrien weiter betreiben. Für minus 95 Prozent Klimagase bräuchte man daher, anders als für die bisherige lasche EU-Klimapolitik, ergänzend Ökozölle. Würden dann Produkte aus Ländern mit einer weniger „kostenintensiven“ Klimapolitik in die EU eingeführt, würden die Produkte also an der Grenze in der Höhe der ersparten Klimapolitikkosten nachbesteuert werden. Exportieren umgekehrt EU-Unternehmen Produkte, so würden die heimischen Unternehmen bei der Ausfuhr die in Europa gezahlten höheren Klimapolitikkosten zurückerhalten. Ökozölle erlauben der EU, Ländern wie den USA oder China zu zeigen, dass Klimaschutz wirtschaftlich und technisch machbar ist und dass es Alternativen zum American way of life gibt. Und Ökozölle machen Druck für ein globales Abkommen, das für das globale Klima trotz allem die beste Lösung bliebe.
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