Seit mehreren Monaten beschäftigt ein in jeder Hinsicht unfassbarer Strafprozess in Avignon die französische Öffentlichkeit, über den auch in unseren Medien ausführlich berichtet wird. Angeklagt sind insgesamt 51 Männer, denen schwere Vergewaltigung vorgeworfen wird. Hauptangeklagter ist der frühere Ehemann des Opfers, der seine Frau erst mit Medikamenten betäubt und dann über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren den übrigen Angeklagten zur Vergewaltigung überlassen hatte. Die Taten wurden in Hunderten von Bildern und Videos festgehalten, erst darüber konnte der Hauptangeklagte überführt und festgenommen sowie die Identität der übrigen Täter festgestellt werden. Die Ehefrau, Gisèle Pélicot, hat in dem Prozess nicht nur ihren Namen und ihre Geschichte öffentlich gemacht. Sie hat gerichtlich durchgesetzt, dass auch die Beweisaufnahme mit allen Aussagen der Angeklagten und der Zeugen öffentlich stattgefunden hat, das Bildmaterial wurde im Gerichtssaal gezeigt. Gisèle Pélicot wollte nicht zuletzt mit ihrer Anwesenheit im Gerichtssaal die Öffentlichkeit aufrütteln, und sie will „die in der männlichen Vorstellungswelt verankerte Idee ändern, dass der Körper der Frau ein Objekt der Eroberung sei.“ Sie findet zu recht in einer großen Öffentlichkeit hohe Anerkennung und Respekt für ihren Mut und ihre Entschlossenheit.
Ihr Mut und ihre Entschlossenheit dürfen nach dem Ende des Prozesses nicht ohne Konsequenzen bleiben. Auch in Deutschland gibt es immer häufiger Gewalt gegen Frauen. Fast 800 Gruppenvergewaltigungen sind der Polizei in Deutschland im letzten Jahr bekannt geworden. Jeden zweiten Tag im Jahresverlauf tötet ein Mann seine gegenwärtige oder ehemalige Partnerin. Die Zahlen sind alarmierend – und sie sind beschämend für unser Land. Das können wir nicht akzeptieren. Das kann so nicht weitergehen.
Wir brauchen entschlossenes Handeln. Die Ampel hat drei Jahre Zeit gehabt und nichts getan. Wir als Union fordern einen nationalen Aktionsplan, der Frauen besser schützt und Täter konsequenter zur Verantwortung zieht. Dazu gehören mehr Schutzräume, eine klare Finanzierung von Frauenhäusern – und der Einsatz moderner Mittel wie der elektronischen Fußfessel. Mit dieser Technologie können wir sicherstellen, dass gewalttätige Männer sich den Opfern nicht mehr nähern können. Das funktioniert in Spanien. Das brauchen wir in Deutschland jetzt auch – zum Schutz von Mädchen und Frauen vor Gewalt.
Gewalt gegen Frauen darf in Deutschland keinen Platz haben. Mit härteren Strafen, verpflichtenden Anti-Aggressionstrainings und konsequenter Prävention müssen wir dafür sorgen, dass Frauen in unserem Land in Sicherheit leben können. Dem bestehenden Gewaltschutzgesetz sollte eigentlich ein Gewalthilfegesetz in dieser Wahlperiode folgen. Die Ampel hat dazu bisher nur einen Regierungsentwurf angekündigt, beschlossen ist nichts. Aber Gewalthilfe für Frauen und Mädchen darf nicht am Geld für die Opfer und auch nicht am Datenschutz für die Täter scheitern.
Am morgigen Montag beginnen die sog. „Orange Days“. Die im Jahr 1991 ins Leben gerufene Kampagne der Vereinten Nationen richtet sich gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, sie dauert bis zum 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte. Die „Orange Days“ sind eine Aufforderung an uns alle, der Gewalt gegen Frauen und Mädchen in unserer Gesellschaft mit Mut und Aufrichtigkeit zu begegnen – so wie Gisèle Pélicot in Avignon.
Quelle: MerzMail