Meine Artikel des Jahres 2016 hatten ja etwas sehr Polemisches und bisweilen auch Aggressives. Ähnlich wie der Kollege Zitelmann möchte ich mich aber bessern. Neues Jahr, neues Glück oder so ähnlich.
Das ZDF hilft mir dabei, Vorurteile abzubauen, Ängste zu überwinden und das Positive in allem zu sehen. Offensichtlich hat sich der Mainzer Sender vorgenommen, wie RTL eine Beratungsstelle zu sein. Anders als der Privatsender hat man sich nicht auf das abgehängte Prekariat spezialisiert, sondern auf all jene anderen Menschen, die ungern Dschungel-TV sehen wollen.
Sehr empfehlen möchte ich bei der Gelegenheit das Freitag-Abend-Programm im Zweiten.
Heute Journal
Im heute journal gibt es immer ansprechende Bilder – Marietta Slomka für die Männer oder auch geneigten Frauen sowie Claus Kleber für die Damen oder homosexuellen Herren, wie auch immer. Das Auge isst mit oder so ähnlich.
Beide eint der Kampf fürs Gute. Nicht nur das gute Aussehen, sondern auch das Engagement für die Gebeutelten der Gesellschaft. Man braucht nicht die Lindenstraße im alt-linken Sponti-Sender WDR zu sehen, um zu wissen, was beziehungsweise wer relevant ist und wer bitte schön gefälligst seinen Mund zu halten hat, das kann das ZDF jetzt auch prima.
Echte Journalisten des Jahres 2017 haben eine Haltung. Diese muss immer gerade sein, wie wir aus Kinderzeiten wissen: „Junge, halt Dich gerade“. Wenn Haltung also nur in einer Position richtig ist, ob im wörtlichen oder allegorischen Sinn, hat man unendlich viele Möglichkeiten, etwas falsch zu machen. Slomka und Kleber bewahren uns davor. Sie sind Rollenmodelle und Mahner auch für jene Menschen, die nicht in die Kirche gehen und moralische Erbauung benötigen.
Hanns Joachim Friedrichs überstrapazierte Weisheit, wonach Journalismus sich nicht mit etwas gemein machen möge, ist so was von 80er Jahre, dass Sie es besser vergessen sollten. Friedrichs ist tot und Kleber hat recht. Basta. Das Wetter.
Weiter im Programm:
Heute Show
Ehrlich gesagt ist diese Sendung wenig hilfreich in diesem Jahr. Diese lästigen Forderungen, wonach der wunderbare nordrhein-westfälische Innenminister Jäger bitteschön zurücktreten möge, empfand ich als Tiefpunkt des Freitagabends. Aber hier weiß man wenigstens, dass es nicht ernst gemeint ist, was man hier sieht. Olli Welke kann gar kein richtiger Anchorman sein, weil er hierfür viel zu unattraktiv und dicklich ist. Er ist vielmehr eine Karikatur eines Moderators. Die Sendung muss also auch eine Karikatur eines echten Meinungsmagazins sein. Minus mal minus ist plus.
Wenn also dieser wunderbare Innenminister Jäger in einer Satire-Sendung hochgenommen wird, ist also das Gegenteil gemeint. Da bin ich ja beruhigt. Der gute Mann soll doch bitte weiter im Amt bleiben. Allein schon der Name Jäger zeigt doch, dass der Mann als Innenminister eigentlich eine Idealbesetzung ist. Er muss nur noch häufig genug Gelegenheit bekommen, zu zeigen, was er nicht kann. Früher Jäger schießt den Frosch oder so ähnlich.
Nächster Beitrag: Donald Trump
Wie abstoßend Amerika grundsätzlich ist, sieht man dann anhand der Bilder der heute show, die am Tage der Amtseinführung von Donald Trump gemacht wurden. Lauter schräg aussehende Menschen verteidigen den Gewählten, alle mindestens so dick wie Welke. Nuschelnde Personen sowie in bunter Kostümierung Fluchende sind absolut repräsentativ.
So sind Amerikaner nun einmal. Das weiß ich aus dem Fernsehen. Dazu braucht niemand in dieses Land zu fahren, danke ZDF. Was im TV läuft, ist vollends repräsentativ, deckt sich zwar nicht mit meinen Besuchen im Land, aber auch die ARD berichtet so, dass ich zugestehen muss, eine falsche Wahrnehmung zu haben.
Ich als Einzelperson muss mich irren, wenn alle deutschen TV-Sender so genau wissen, dass die USA ein Land der Vollpfosten sind, schließlich haben sie viele Mitarbeiter mit insgesamt mehr Augen als ich. Da hätte ich auch glatt auf Niklas Luhmann hören können. Der Mann sagte ja auch schon, dass wir alles, was wir wissen, aus den Medien wissen – oder so ähnlich.
Weiter im Programm. Ich freu mich schon auf aspekte. Seit Tobias Schlegl das Format moderieren durfte, wurde es endlich eine wirklich anspruchsvolle Sendung.
Bitte achten Sie auf die Intonation der Moderatoren, er wird Ihnen helfen, Haltung zu erlernen.
Aspekte
Sehr freue ich mich darüber, dass die Sendung Aspekte ihrem Namen alle Ehre macht und viele verschiedene Blickwinkel einnimmt. Beide Moderatoren (Katty Salié und Jo Schück) der heutigen Sendung sind Intellektuelle der ersten Kategorie, also würdige Nachfolger von Tobi Schlegl und stellen all ihren Gästen kritische Fragen.
Wer nicht in die Sendung eingeladen wird, sollte sich Gedanken machen, warum. Es sind jedenfalls nur solche Gäste zugegen, die eine tadellose Einstellung zu den relevanten Themen unserer Zeit haben und diese auch ganz offen nach außen kehren. „Sei gut und sprich darüber“ heißt es ja oder so ähnlich.
Donald Trump ist natürlich Aufhänger dieser Sendung. Eingeladen wird so einer nicht, er hat kein gutes Karma. Es geht um Kultur, da darf Trump nicht fehlen, aber nur als Beispiel für eine Person ohne Haltung und Moral, typisch Ami eben.
Besonders erbaulich war der Vergleich, den das ZDF zwischen Trump und den Anschlägen vom 11.September zog. Aber vorbereitet durch die heute show wissen wir ja, dass diese Amerikaner genau das bekommen, was sie verdienen. Wunderbar. Es fügt sich wie in einer modernen Serie, heute journal, heute show und aspekte sind sozusagen 3 Seiten einer Medaille oder so ähnlich.
Wie gesagt gehört zu einer Kultursendung auch der darauffolgende Beitrag zu den Rechtspopulisten. Die beiden – siehe heute journal – schönen, aber nicht ganz so blonden Moderatoren Salié und Schück kommen ebenfalls mit tadelloser Gesinnung daher.
Starke Vokabeln wie Rassist, Angst und Rechtspopulist dürfen in keiner Sendung fehlen. Das zeichnet guten Kulturjournalismus aus.
„Was wir zu verlieren haben, wenn Populisten eine neue, strenge rückwärtsgewandte Werteordnung einführen sollten, finden wir in diesem Buch“ ist die eleganteste Überleitung des Abends.
Das WIR in Saliés „Moderation“ erinnert mich irgendwie an die Vokabel Volk der angeprangerten Populisten, aber sei es drum. Was Pegida nicht darf, darf Salié hingegen schon, nämlich Menschen vereinnahmen, ohne dass diese es mögen. Für Moderator und Moderierte gelten noch lange nicht dieselben Regeln.
Hanya Yanagiharas Buch ein wenig Leben findet großen Beifall, Liebe sei nicht auf bestimmte Geschlechterrollen festgelegt. New York eine Stadt der Flüchtlinge. Stimmt, Trump, siehe oben, kommt ja auch aus dem pfälzische Kallstadt und hat da viel Gutes bewirkt oder so ähnlich.
Yanagihara analysiert in ihrem Buch, wie sollte es bei einem Shootingstar der amerikanischen Literaturszene anders sein, dass Männer, halt, heterosexuelle Männer, unfähig seien, Liebe auszudrücken, es sei denn durch Härte beim Sex, so wie sich ein Boxer auch durch Härte ausdrücke. Wunderbar, diese Penetrationswut ist eine ganz neue Erkenntnis.
Frech nur, dass Alice Schwarzer schon vor Jahrzehnten solche Begriffe kaperte und Yanagihara durch die Gnade ihrer frühen Geburt die Möglichkeit nahm, diesen zu prägen. Yanagihara hat aber noch mehr drauf. In dem Roman werden ganz neue Themen behandelt, mal ganz abgesehen von Penetrationswut. Geistliche, die in Internaten Jugendliche missbrauchen, sind absolut neuartig. Das Leitmotiv des Ritzens ist ebenso bahnbrechend. Reich-Ranicki wäre wahrscheinlich begeistert. Drei literarische Wünsche auf einmal oder so ähnlich. Versatzstücke der Trivialliteratur auf höchster Ebene.
Angst, Frauen
Aspekte-Moderator Schück lädt den sympathischen Klaus Lederer ein, der sich – wie sollte es anders sein – als ehemaliger linkspolitischer Sprecher der Rechtspartei, oder nein, es war wohl umgekehrt, zu Kultur in Berlin auslässt.
Sein Freund Falk Richter hat ein ganz tolles Stück über die Angst der dummen Menschen gemacht. Damit die es gar nicht verstehen oder gar besuchen, hat er es auch in kluger Voraussicht Fear genannt. Fremdsprech kann der Pöbel nun einmal nicht, also bleibt er draußen, so dass man sich schön unter sich über ihn lustig machen kann.
Aber genau da hakt Lederer ein. Kultur sei für alle da, nicht nur für die üblichen Verdächtigen, also „Menschen, die schon länger hier leben“, wie sie die Bundeskanzlerin nennt. Bunt solle Kultur sein. Also so bunt, wie die Argumentationsmuster des ZDF originell sind. Es lebe schwarz-weiß-Fernsehen.
Auch am Wiener Burgtheater, wie der nächste Aspekte-Bericht aufzeigt, geht es um Angst, nein, nicht die des Torwarts vorm Elfer, sondern der einfachen Dummen vor den Flüchtlingen.
Zum Glück ist das ZDF ein Breitband-Bündel. Alles hängt mit allem zusammen. Hierarchien und Kategorien sind böse. „Schluss mit dem Schubladendenken“, „auf Konventionen pfeifen“ sind Idiome, die zeigen, warum das Wort so ähnlich wie Idioten klingt. Was denkt Laura Pergolizzi über Donald Trump? Ein einzigartiger Fernsehabend endet mit Sätzen, wie ich sie noch nie gehört hatte….
Fazit:
Kultur ist Politik, Sauerkraut ist Himbeersauce und Fernsehmoderation ist eine Frage der Haltung. Nach 3 Stunden ZDF-Freitagabend könnte ich kotzen, es war eine intellektuelle Zumutung, aber nötig für diesen Artikel. Vorausschaubare Versatzstücke ersetzen Journalismus, „Haltung“ und Anbiederung treten an die Stelle von Talent.
Dass 2012 Sloterdijk das philosophische Quartett im ZDF verlassen musste und durch Richard Precht ersetzt wurde, liegt wohl am Mangel der zur Schau gestellten richtigen Haltung des Karlsruhers.
Wenn ich Luzia Braun und Wolfgang Herles, bis 2011 Moderatoren von Aspekte, sehe, wie sie intellektueller und weniger schmierenkomödiantisch durch die Sendung führten, wird klar, dass es vor 5 Jahren mit einem neuen Intendanten des Senders auch einen Paradigmenwechsel gab, als er die Veteranen gegen die meiner Ansicht nach eindeutig minderbegabten Nachfolger austauschte.
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