15 Jahre Grundlagenvertrag Israel – Vatikan Anmerkungen zum Verhältnis zwischen dem Vatikan und dem Staat Israel

Respekt und Anerkennung wurden dem Kölner Dom und dem Mädchenchor am Kölner Dom entgegengebracht, als sie sich in den Tagen vor und nach dem Jahreswechsel 2004/2005 durch Israel sangen. Nicht nur als Botschafter Deutschlands durften sich die zumeist jungen Leute fühlen. Auch als Vertreter ihres katholischen Bekenntnisses sangen sie zur Ehre Gottes und der Menschen. Mit ihrem unbeschwerten Auftreten gewannen die Sängerinnen und Sänger, die auch einige Lieder auf Hebräisch einstudiert hatten, rasch viele Sympathien in Israel.

Sympathisch und unbeschwert war das Verhältnis zwischen Katholiken und Israelis indes nicht immer. Gerade weil es bis heute auf offizieller Ebene immer wieder Irritationen gibt, kommt den zwischenmenschlichen Beziehungen und dem Austausch sowie Dialog, zumal unter Jugendlichen, so eine herausragende Bedeutung zu. Irritationen, die gab es schon lange vor der Staatsgründung Israels. Papst Pius X. wies Anfang des 20. Jahrhunderts den Führer der zionistischen Bewegung, Theodor Herzl, zunächst einmal schroff ab, als dieser in einer Audienz um Unterstützung seiner Ziele durch die Katholische Kirche gebeten hatte. „Wir können die Juden nicht daran hindern, nach Jerusalem zu gehen, aber wir können dies niemals gutheißen“, soll der Papst gegenüber Herzl geäußert haben. Vatikandiplomaten beeilten sich später, bleibende Missverständnisse auszuräumen, und tatsächlich hat der Vatikan denn auch nie den Zionismus und das Bemühen um einen eigenen Staat Israel verurteilt.

Mehr noch: Auch der Kirchenstaat sowie die meisten katholisch geprägten Länder haben am 29. November 1947 für die historische Resolution 181 der Vereinten Nationen gestimmt, welche die Beendigung des britischen Mandats in Palästina besiegelte und die Teilung der Region in einen israelischen und einen arabischen Staat forderte. Trotz allem blieb auch gegenüber der Katholischen Kirche der unterschwellige Vorwurf des Antisemitismus bestehen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es so etwas wie eine judenfeindliche Traditionslinie in der katholischen Kirchengeschichte gibt: Die Juden hätten durch die Nicht-Anerkennung von Jesus als den Messias ihren Anspruch als Volk verwirkt. Durch die Eroberung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. und der folgenden fast 2000 Jahre währenden staatenlosen Existenz des jüdischen Volkes wurde dies in diesem Sinne deutlich.

So standen denn die Katholische Kirche und ihre Mitglieder vielfach zurückhaltend und spürbar distanziert der neuen Staatsgründung am 14. Mai 1948 durch David Ben Gurion gegenüber. Und der Besuch von Papst Paul VI. im Jahr 1964 in Jerusalem fand lange vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Kirchenstaat und Israel statt. Sicherlich hat die Reise aber dazu beigetragen, im Jahr darauf im Konzilsdokument „Nostra aetate“ (1965) das spürbar verbesserte Verhältnis zu formulieren. Eigentlich als Erklärung über das belastete Verhältnis zwischen Kirche und Judentum gedacht, weitete sich die Schrift dann doch zu einer Rundumschau auf alle Weltreligionen aus. Bezüglich des Judentums wird dazu aufgerufen, Missverständnisse zu überwinden und sich auf das „gemeinsame Erbe“ zu besinnen. Der Antisemitismus wird ebenso verurteilt wie die im Laufe der Jahrhunderte von katholischer Seite immer wieder kolportierte Ansicht der Allgemeinschuld des jüdischen Volkes am Kreuzestod Christi.

Was fehlte, trotz zahlreicher Mahnungen verschiedener Persönlichkeiten und Gremien, war die völkerrechtliche Anerkennung Israels und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Dazu brauchte es dann doch noch einmal über 30 Jahre: Am 30. Dezember 1993 wurde der Grundlagenvertrag zwischen dem Staat Israel und dem Apostolischen Stuhl unterzeichnet. Neben der Aufnahme diplomatischer Beziehungen werden in dem Dokument der Charakter und die universale Bedeutung des Heiligen Landes hervorgehoben „im Bewusstsein der einzigartigen Natur der Beziehungen zwischen der Katholischen Kirche und dem jüdischen Volk und des historischen Prozesses der Versöhnung“. Ohne den Grundlagenvertrag wäre der historische Besuch Papst Johannes Paul II. in Israel im Jahr 2000 wohl kaum möglich gewesen. Mit seinen klaren Worten zum Verhältnis von Christen und Juden an der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wusste der Pontifex in der israelischen Öffentlichkeit zu beeindrucken. Es muss jedoch angemerkt werden: Der damalige Papst kam als Pilger.

Auch die Deutsche Bischofskonferenz hatte sich immer wieder im Kielwasser der weltkirchlich-politischen Prozesse um eine Verbesserung der Beziehungen ins Heilige Land bemüht. Bereits 1988 hatte die DBK aus Anlass des 50. Jahrestags der Novemberpogrome von 1938 die Schrift „Die Last der Geschichte“ publiziert und darin die „Notwendigkeit, aufeinander zuzugehen“ hervorgehoben. Ausdrücklich beriefen sich die deutschen Oberhirten auf Papst Johannes Paul II., der bei seinem Besuch in der römischen Synagoge 1986 sagte: „Ihr seid unsere bevorzugten Brüder!“ Auch in der Erklärung „Gerechter Friede (2000) wird nochmals daran erinnert: „Unsere Bindung an das Judentum ist unaufhebbar bis zum Ende der Zeit.“

Umso bedauerlicher, dass die ein oder andere vorschnelle Bemerkung bei der Reise der deutschen Bischöfe im vergangenen Jahr durch das Heilige Land zu neuerlichen Irritationen Anlass gab. Andererseits ist das auch wieder symptomatisch für den nach wie vor so sensiblen Umgang miteinander. Das zeigte auch die Kritik an der von Papst Benedikt XVI. neu zugelassenen Karfreitagsbitte: „Lasst uns auch beten für die Juden, auf das Gott unser Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen.“ Auch die immer noch umstrittene und nicht eindeutig geklärte Haltung von Papst Pius XII. während des Holocaust ist und wird wohl auch zukünftig Anlass für Differenzen sein. Hinzu kommen zahlreiche ungeklärte Fragen bezüglich Steuern und Eigentumsansprüche der Katholischen Kirche gegenüber Israel.

Umso wichtiger sind daher weithin sichtbare Zeichen wie der Synagogenbesuch des amtierenden Papstes anlässlich des Weltjugendtages 2005 in Köln oder bei seiner kürzlich beendeten Reise durch die USA. Und um viele Gesten und Zeichen wird es auch gehen, wenn nun, wie zu erwarten steht, Papst Benedikt XVI. in diesem Jahr ins Heilige Land – das ist die nach wie vor gängige Bezeichnung des Vatikan – reist. Historisch ist das allein schon deshalb, weil der deutsche Pontifex das erste katholische Kirchenoberhaupt wäre, dass als offizieller gast des Staates Israel käme. Dass er dabei auch palästinensischen Boden, etwa durch einen Besuch in Bethlehem, betritt, gilt als ausgemacht.

Constantin Graf von Hoensbroech: 15 Jahre Grundlagenvertrag Israel – Vatikan

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Über Constantin Graf von Hoensbroech 74 Artikel
Constantin Graf von Hoensbroech absolvierte nach dem Studium ein Zeitungsvolontariat über das "Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses - ifp". Nach Stationen in kirchlichen Medien war er u. a. Chefredakteur von "20 Minuten Köln", Redaktionsleiter Rhein-Kreis-Neuss bei der "Westdeutschen Zeitung", Ressortleiter Online bei "Cicero" sowie stellvertretender Pressesprecher der Industrie- und Handelskammer zu Köln. Seit März 2011 ist er Mitarbeiter der Unternehmenskommunikation der Rheinland Raffinerie der Shell Deutschland Oil GmbH.

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