> Zum Blogbeitrag „Zum 125. Baugeburtstag des Goethe- und Schiller-Archivs“
Deutschlands ältestes Literaturarchiv feiert Geburtstag. Am 28. Juni 1896 weihte Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach das vom Architekten Otto Minckert entworfene, schlossähnliche Gebäude oberhalb des Parks an der Ilm ein. Die kulturpolitisch und sozial engagierte Allein-Erbin des schriftlichen Goethe-Nachlasses stiftete damit die Grundlage für den literarischen Sammlungs- und Wissenschaftsstandort Weimar.
Heute hütet, erschließt und erforscht das als Institution bereits 1885 gegründete Archiv unter der Leitung von Prof. Dr. Marcel Lepper mehr als 150 Nachlässe von Gelehrten, Philosoph*innen, Komponist*innen und bildenden Künstler*innen, 14 Archive von Verlagen, Vereinen und literarischen Gesellschaften sowie Einzelhandschriften von circa 3000 Persönlichkeiten vom Ende des 13. bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts.
Darunter befinden sich die Nachlässe von Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und, entscheidend für das 20. Jahrhundert, Friedrich Nietzsche. Die Sammlung umfasst über fünf Millionen Dokumente und ist der zentrale Wissensspeicher für deutschsprachige Literatur und Kultur des 18., 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Der Nachlass Goethes wurde 2001 von der UNESCO in das dokumentarische Erbe „Memory of the World“ aufgenommen.
„Meine Manuscripte, meine Briefschaften, meine Sammlungen jeder Art, sind der genauesten Fürsorge werth“, bemerkte Johann Wolfgang von Goethe 1830 gegenüber Kanzler Friedrich von Müller. Was er schrieb, galt nie nur dem Augenblick. Stets dachte der Dichter die Nachwelt mit und antizipierte ein Fortwirken seiner Ideen in die jeweilige Gegenwart.
In konsequenter Übersetzung dieser Absicht öffnet das Goethe- und Schiller-Archiv seine Türen und profiliert sich als Denk- und Diskursort. Hinterfragt und offen gelegt werden seine historische und politische Rolle, von der Gründungsgeschichte über die NS-Zeit bis hin zur DDR-Geschichte.
Mit dem Großprojekt „Propyläen“ verstärkt das Goethe- und Schiller-Archiv sein Profil als digitales Kompetenzzentrum. In vier großen Teilprojekten werden seit 2015 die Editionen von Goethes Briefen, Tagebüchern, Begegnungen und Gesprächen zusammengeführt und ab Herbst 2021 auf einer wachsenden Forschungsplattform für die Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Ziel ist es, gemeinsam mit nationalen und internationalen Partnern die Zeugnisse von Goethes Leben bis 2039 vollständig zu erfassen. Verantwortet wird die Edition von Prof. Dr. Marcel Lepper, Direktor Goethe- und Schiller-Archiv Weimar, Prof. Dr. Ernst Osterkamp, Mainzer Akademie und Prof. Dr. Klaus Manger, Sächsische Akademie.
Ein zweiter Meilenstein 2021 ist der Start der digitalen Neu-Edition von Goethes Gedichten, aufbauend auf der 1919 abgeschlossenen rund 150-bändigen Weimarer Gesamtausgabe der Werke, die in vielen Einzelheiten überholt, aber bislang in ihrer Reichweite nicht überboten ist.
„Die Neue Weimarer Ausgabe ist nicht Goethe 2.0, sondern eher Goethe 4.0“, erklärt Prof. Dr. Marcel Lepper. „Wir nähern uns den Gedichten Goethes auf zwei Achsen: in der Auseinandersetzung mit Gegenwartslyrik und auf der klassisch-philologischen Linie, die sich dahinter entfaltet. Experimentell, tiefenscharf und den technischen und intellektuellen Standards des UNESCO-Weltdokumentenerbes entsprechend.“
Zum Geburtstag des Goethe- und Schiller-Archivs erreichten die Klassik Stiftung Weimar zahlreiche Glückwünsche von Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Wissenschaft und der breiten Leserschaft:
Das Goethe- und Schiller-Archiv leistet etwas Einzigartiges: Der Unwiederholbarkeit der Geschichte zum Trotz ermöglicht es das Weiterleben von Vergangenem in Gegenwart und Zukunft. Sein spannungsvolles Aufgabenspektrum umfasst die Bewahrung wie auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem kostbaren Dokumentenerbe. Dass das Klassikerarchiv weiterhin zur Lebendigkeit wissenschaftlicher und künstlerischer Produktivität beitragen kann, bleibt fortwährende Aufgabe der Kulturpolitik.
Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff, Thüringer Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten, Vorsitzender des Stiftungsrats der Klassik Stiftung Weimar
„Quod non est in actis non est in mundo“ – in Abwandlung dieses juristischen Leitsatzes möchte ich behaupten: Was nicht im Archiv ist, ist nicht in der Welt. Es ist diese Welthaltigkeit, die das Archiv anschlussfähig für Gegenwartsfragen macht. Und wo würde damit produktiver umgegangen als in der diskursiv geradezu voranstürmenden Klassik Stiftung Weimar! Zählen Sie auf uns, wir halten Schritt. Ad multos annos, GSA!
Dr. Günter Winands, Amtschef bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Stellv. Vorsitzender des Stiftungsrats der Klassik Stiftung Weimar