Schauprozesse für Belanglosigkeiten – Drohen Sebastian Kurz noch zehn Jahre Haft?

Sebastian Kurz mit Andreas Khol (rechts) beim Wahlsieg 2017 (Foto: ÖVP)

Sebastian Kurz wurde zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Wartet auf Kurz noch eine mehrjährige Gefängnisstrafe in weiteren Prozessen. Falter-Chefredakteur Klenk sorgt für die entsprechende Stimmung. Seine Medienjustiz reicht bis Deutschland. Von Johannes Schütz

Kurz wurde vergleichsweise für irrelevante Vorwürfe vor Gericht gestellt.  Im ersten Prozess ging es um seine Aussage im sogenannten Ibiza-Untersuchungsausschuss. Es wurde die Frage gestellt, ob Kurz die Besetzung des Vorstands in der  Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) entschied, die Unternehmensbeteiligungen der Republik Österreich verwaltet.

Diese Anklage ist grundsätzlich Nonsense. Tatsächlich sollte Kurz die Politik einer Gruppe repräsentieren und wurde dafür in der ersten Reihe an die Front gestellt. Ob diese Entscheidung für Kurz vernünftig war, von den dafür Verantwortlichen in Österreich, das bleibt ein anderes Thema.

Doch entschied Kurz die von ihm vorgetragene Politik nicht im Alleingang, auch wenn Medien diesen Eindruck vermitteln wollten, mit spektakulären Schlagzeilen. Entscheidungsträger aus dem Kreis hinter Kurz könnten bis zu Andreas Khol reichen, einst in der Ägide Schüssel der despotische Klubobmann, der im Nebenberuf als Universitätsprofessor für Verfassungsrecht am Juridicum der Universität Wien tätig war.

Es wurde um Kurz eine enorme Maschinerie eingerichtet, die diese Politik durchsetzen sollte.  Über Besetzungen von Vorstandsposten gab es fraglos vielfältige Interessen, die Kurz letztlich auch zur Kenntnis nehmen musste.  Ob Kurz tatsächlich Thomas Schmid schätzte, der jetzt als vorgeblicher Kronzeuge eingesetzt wird, das können wir vorerst nicht beurteilen. Eventuell musste Kurz auch Personen akzeptieren, die ihm vom Parteiapparat, respektive einflußreichen Parteigranden, oktroyiert wurden. An solchen Praktiken ist die österreichische Politik schon seit Jahren schwer erkrankt.

Faul im Staate Österreich

Bei politischen Projekten sind solche Unterwanderungen durch unerwünschte Personen durchaus üblich, die die Arbeit des Verantwortlichen deutlich belasten. Sogar bei Feasibility Studies, die eigentlich nur nach rein wissenschaftlichen Kriterien besetzt werden dürften, werden unqualifizierte Mitautoren in Stellung gebracht, auch für Networking, sie können nicht abgewehrt werden, samt ihren Postings, da sonst das Gesamtprojekt zum Scheitern gebracht wird.

Auch der österreichische Universitätsbetrieb ist voll mit fragwürdigen Berufungen, die auf politischen Interessen beruhen. Beispielsweise wurden Bestellungen an der Universität Innsbruck in die Kritik genommen, es wird die dortige Besetzung des Ordinariats für Völkerrecht bereits seit Jahren öffentlich angeprangert.  Die österreichischen Hochschulen befinden sich entsprechend, mit Ausnahme weniger Institute, in einem desaströsen Zustand, der kaum noch heilbar ist.

Wesentlich mehr relevante Fakten müssten also untersucht werden, im faulen Staate Österreich. Auch willkürliche Vermögenskonfiskation aus politischen und finanziellen Motiven, also schwer kriminelle Straftatbestände. Das Netzwerk hinter Kurz müsste genauer ergründet werden.  Statt dessen werden Kurz jetzt Schauprozesse gemacht, deren Anklagen nicht halten können.

Inseratenaffäre ist eine Inseratenschimäre

Das gilt auch für die sogenannte Inseratenaffäre, die Gegenstand eines zweiten Prozesses werden soll. Der Vorwurf sind Inseratenschaltungen des Bundesministeriums für Finanzen in Boulevardmedien, insbesondere im Gratisblatt Heute der Herausgeberin Eva Dichand und in der Kronen Zeitung.

Doch werden Inserate nicht nur vom Bundesministerium für Finanzen geordert, sondern auch von der Stadt Wien verteilt. Obwohl die Kronen Zeitung eine wesentlich höhere Auflage vorweisen kann, wurde der Standard noch besser von der Stadt Wien dotiert. Das belegt die Medientransparenzdatenbank:

Die Stadt Wien zahlte für Heute 278.411,15, www.heute.at  70.606,76, der Standard 257.491,36, www.derstandard.at 122.490,01, Kronen Zeitung 257.351,19, www.krone.at 95.506,94.

Das Bundesministerium für Finanzen gab für die Kronen Zeitung Euro 93.626,00, für www.krone.at  23.722,00, Kronehit Radio 44.141,00, Heute 42.433,00. Doch erhielt auch Der Standard 41.034,00, www.derstandard.at 38.463,00.
(Medientransparenzdatenbank für das 1. Quartal 2023)

Eine solche Vergabe von Inseraten durch öffentliche Institutionen dürfte in Österreich den Usancen entsprechen. Sollte dies nicht erwünscht sein, so sind deutliche gesetzliche Bestimmungen erforderlich, die dies verbieten oder exakt regulieren, unter welchen Umständen ein Inserat von staatlichen Stellen geschaltet werden darf.

Klenk sorgt für Stimmung

Dennoch beurteilte Florian Klenk, der Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung Falter, nur die Vergabe der Inserate durch das Finanzministerium. Scharf  hyperventilierte er die Vergabe der Inserate mit dem Begriff „Regierungskriminalität“ und brachte dafür bis zu zehn Jahre Gefängnis in die Debatte:

„Der Managerin [Eva Dichand] droht jahrelange Haft (…) Sebastian Kurz und das Ehepaar Dichand (…) was für ein Kriminalfall.( …) Verbrechen, die die Beteiligten bis zu zehn Jahre ins Gefängnis bringen könnten“.
(Florian Klenk und Barbara Toth, „Sie macht jetzt Terror“, Falter, 4. 4. 2023)

Die Bekanntschaft von Kurz mit der Familie Dichand ist wohl noch kein „Kriminalfall“, sondern mehr ein schräger Versuch von Klenk, aus der lichtscheuen PR-Disziplin false narrative. Hingegen bleiben ernste Schandtaten im Staate Österreich weiter unerwähnt, es müsste vielmehr überprüft werden, weshalb willkürliche Vermögenskonfiskation nicht als Thema gesetzt werden darf.

Auch beim aktuellen Prozess von Kurz war Klenk ein emsiger Kommentator, der die Linien für die Journalisten anderer Medien vorgeben wollte. Er betonte abermals, dass Kurz in einem weiteren Prozess noch bis zu zehn Jahre Haft drohen:

„Was wird Kurz nun erwarten? Vermutlich ein langer und mühsamer Prozess in der Inseratenaffäre. Dort drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.“
(Florian Klenk: „Die bittere Wahrheit im Fall Kurz“, Falter, 24. 2. 2024)

Muss dieser journalistische Aktionismus von Stimmungskanone Klenk als gefährlich für Kurz eingestuft werden?  Für eine solche Bewertung sollte man vergleichend die Vorgangsweise beim Fall des ehemaligen österreichischen Innenministers Ernst Strasser betrachten.

In die Gefängnisbibliothek gebracht

Es ging um eine Reaktion von Strasser auf Agents provocateurs, die auf ihn angesetzt wurden.  Strasser sollte demnach bei einer Abstimmung als Mandatar im Europaparlament die Sache der vorgeblichen Lobbyisten betreiben, eventuell weil ihre Anliegen auch seiner Überzeugung entsprachen. In erster Instanz wurde Strasser dafür zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Doch das Urteil des Strafgerichts wurde vom OGH aufgehoben. Klenk kritisierte diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofes als „übertriebene Pingeligkeit„.

Deshalb führte Klenk ein Gespräch mit Eckart Ratz, zum damaligen Zeitpunkt der Präsident des Obersten Gerichtshofes. Kokett erzählte Klenk darüber:

„Vor einiger Zeit hatte der Präsident des Obersten Gerichtshofes (OGH) den Falter zu einem Gespräch geladen. Eckart Ratz wirkte ein wenig sauer auf den Falter. Er servierte im Justizpalast flauschige Kipferln und harte Kritik“.
(Florian Klenk, „Wenn Strafrichter schlampig werden“, Falter, 2014, H. 48, 26. 11. 2014)

Ratz wollte argumentieren: „Der OGH dürfe Schlampereien der Strafgerichte nicht dulden“, so berichtete Klenk.  Doch Klenk wünschte deutlich eine „vierjährige Haftstrafe“ für den ehemaligen Innenminister.
Nach dem Gespräch mit Ratz triumphierte Klenk:

„Strasser arbeitet jetzt in der Gefängnisbibliothek. Das Urteil gegen ihn ist nun präziser und fairer (drei Jahre)“.
(Florian Klenk, „Wenn Strafrichter schlampig werden“, Falter, 26. 11. 2014)

Der OGH stimmte der Entscheidung zu, Strasser wurde ins Gefängnis gebracht. Klenk wählte auch in seinem Kommentar zum aktuellen Urteil gegen Kurz eine ähnliche Formulierung:
„Sein Urteil fiel gerecht aus: 8 Monate bedingt für Kurz (…) Der Richter sprach ein differenziertes und mildes Urteil, blieb unter den Strafforderungen der WKStA („12 Monate bis 1,5 Jahre“)“
(Florian Klenk: „Die bittere Wahrheit im Fall Kurz“, Falter, 24. 2. 2024)

Offensichtlich begehrt Klenk jetzt eine zehnjährige Haftstrafe für Kurz, auch Gefängnis für die Herausgeberin Eva Dichand, wie er einst für Innenminister Strasser vier Jahre forderte. Da muss Sebastian Kurz wohl fürchten, dass Klenk dafür wieder bis in die Räume des OGH-Präsidenten vordringt, ist ihm doch die Örtlichkeit seit der Erstellung seiner Dissertation vertraut.

Gute Beziehungen zur Justiz

Klenk rühmte sich gerne seiner guten Beziehungen zur Justiz.  „Ich habe im Jahr 2000 beim Präsidenten des OGH meine Diss dazu geschrieben“, verkündete Florian Klenk auf seiner Homepage.
(Florian Klenk, „Unschuldsvermutung und Pressefreiheit“, florianklenk.com, 7. 12. 2012)

Erwin Felzmann war zum Zeitpunkt, den Klenk angab, der Präsident des Obersten Gerichtshofes in Wien. Weshalb Klenk seine Dissertation über „Pressefreiheit und Unschuldsvermutung“ beim Präsidenten des Obersten Gerichtshofes schrieb, in welcher Funktion und mit welchem Auftrag, das wurde von Klenk nicht enthüllt.

Die Justizbehörde kann auf Klenk bauen und Klenk eng mit dem Justizapparat arbeiten.  Klenk wurde dafür ein Image als „Aufdecker“ gebastelt, indem er Dokumente von den Justizbehörden erhält, die er veröffentlichen soll. Seine vertrauten Kontakte zur österreichischen Justiz blieben bestehen. Das bewies Klenk bereits unverhüllt beim Fall Strasser.

Medienjustiz erreicht Deutschland

Klenk ist damit der Anführer einer Medienjustiz, für die ein Netzwerk aufgebaut wurde, das bis Hamburg und Berlin reicht. In Deutschland wollte Klenk die Meinung über den österreichischen  Innenminister schon vor mehr als zwanzig Jahren formen. Er durfte dafür einen Artikel in einem deutschen Leitmeidum veröffentlichen, Die Zeit brachte den Text mit dem herabwürdigenden Titel „Ernstl“:

Der „Ernstl“, wie sie ihn in Österreich nennen, war ein Hoffnungsträger. Als moderner Manager hatte sich der christdemokratische Innenminister Ernst Strasser im Kabinett Schüssel/Haider inszeniert“.
(Florian Klenk, „Ernstl“, Die Zeit, 27. 11. 2003)

Tatsächlich wurde zum damaligen Zeitpunkt noch angenommen, dass Strasser der nächste Bundeskanzler der Republik Österreich werden könnte.

Kurz betonte jetzt, er empfinde das Urteil „ungerecht“, das seine Richter gegen ihn sprachen. Diese Erkenntnis kommt bedauerlicherweise spät, er hätte als Kanzler sorgen müssen, dass die österreichische Justiz endlich in Ordnung gebracht wird, gegen alle groben Widerstände. Kurz wäre nun gut beraten, um einer längeren Gefängnisstrafe zu entgehen, rechtzeitig Asyl im Ausland zu suchen.

In der Süddeutschen Zeitung erklärte Cathrin Kahlweit zur Bestrafung von Kurz: „Ein Sieg für den österreichischen Rechtsstaat“.
(Cathrin Kahlweit, „Ein Sieg für den österreichischen Rechtsstaat“, SZ, 25. 2. 2024).  Diese Interpretation ist falsch.

Der Schauprozess gegen Kurz wird gezielt eingesetzt, als Ablenkung. Die österreichischen Richter könnten Kurz zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilen, gerade damit erschreckende Tatbestände im Land, die dokumentiert sind, nicht entschieden aufgedeckt werden.

Doch die SZ brachte genüsslich: „Zwölf Tage hat Österreichs Ex-Kanzler Kurz auf der Anklagebank zubringen müssen„. Kahlweit sprach von der „Symbolkraft des Urteils„, das höher hätte ausfallen sollen.

Vielmehr gibt es in Österreich schon seit längerer Zeit keinen Rechtsstaat. Es wurde über viele Jahre eine Justiz-Junta aufgebaut, die in der Überzeugung agiert, dass ihre Willkür keine Grenzen kennen darf.  Das wird auch die SZ in ihren Kommentaren noch zur Kenntnis nehmen  nüssen, um die  deutschen Leser mit der wesentlichen und korrekten Information zu versorgen,  über den Zustand im Nachbarland, auch für Entscheidungen über Ansiedelungen und Investment, um katastrophale Folgen noch rechtzeitig zu vermeiden.

Links:

Wie Klenk in Deutschland manipulierte
Tabula Rasa, 7. 9. 2023
Ein Beispiel für Auftragsjournalismus und Desinformation. Florian Klenk veröffentlichte PR für die Organisation des führenden Sachwalters von Wien. Das beweist ein konstruiertes Interview. Die Zeit brachte den Text in Deutschland.
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-wie-klenk-in-deutschland-manipulierte


Was mit einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft für Korruption in Wien geschah
Tabula Rasa, 12. 10. 2023
Es wurde viel berichtet über die Staatsanwaltschaft in Wien. Mit Ermittlungen gegen den ehemaligen Kanzler Kurz. Aber wie wird eine Anzeige gegen einen führenden Sachwalter behandelt. Bei willkürlichen Vermögensübernahmen.
www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-was-mit-einer-strafanzeige-bei-der-staatsanwaltschaft-fuer-korruption-in-wien-geschah


Königsdrama droht in Österreich:
Tabula Rasa, 11. 10. 2021
Schallenberg ist der neue Bundeskanzler. Die Krise in Österreich ist damit nicht beendet. Kurz droht ein tiefer Fall.
www.tabularasamagazin.de/oesterreich-schallenberg-ist-der-neue-bundeskanzler-koenigsdrama-droht-in-oesterreich

Regierung wie im Alten Rom
Tabula Rasa, 6. 7. 2019
Die österreichische Justiz könne bald lichterloch brennen. Das befand der ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol in einem offenen Schreiben an Justizminister Jabloner.
www.tabularasamagazin.de/regierung-wie-im-alten-rom

Finanzen

Über Johannes Schütz 107 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel