Forscher für China: Der Quantenphysiker Zeilinger erhält den Nobelpreis

Öesterreichische Akademie der Wissenschaften : Gäste und President Prof. Dr. A. Zeilinger.

Am 10. Dezember wird in Stockholm der Nobelpreis für Physik überreicht. Einen dunklen Schatten wirft dabei die enge Zusammenarbeit von Anton Zeilinger mit China. An der Quantenforschung ist die Militärindustrie der Volksrepublik besonders interessiert. Von Johannes Schütz.

Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua reagierte euphorisch. Als hätte die Volksrepublik China gerade den Nobelpreis für Physik gewonnen. Für herausragende Forschung in der Quantenphysik. Als Beweis wurde der Sprecher des Nobel-Komitees für Physik zitiert.

Demnach erzählte Thors Hans Hansson der Xinhua, dass China viel Arbeit auf diesem Gebiet leistete: „Thors Hans Hansson, member of the Nobel Committee for Physics, who presented this year’s laureates‘ achievements, told Xinhua (…) it also shows a lot of work in this field China has done“. („3 scientists share 2022 Nobel Prize for quantum physics„, Xinhua, 4. 10. 2022)

Bei diesem Überschwang für China könnte fast in Vergessenheit geraten, wer für den Transfer der nötigen Kenntnisse in die Volksrepublik sorgte.  Es war der Quantenphysiker Anton Zeilinger, ein gebürtiger Österreicher, der in diesem Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

Quantenkommunikation mit China

Zeilinger wurde bereits gefeiert für ein Quanten-Videotelefonat von Wien nach Peking. Zeilinger telefonierte am 29. September 2017 mit Chunli Bai, dem Präsidenten der chinesischen Akademie der Wissenschaften. Die Verbindung wurde über den chinesischen Satelliten „Micius“ hergestellt. Dieses Spektakel könnte entscheidend gewesen sein, dass Zeilinger den Nobelpreis erhielt.

Jedenfalls wurde bei der Bekanntgabe der Gewinner, vom Nobel-Komitee in Stockholm, in einer Power-Point-Präsentation ein Bild vom Quantenkommunikations-Satelliten Micius gezeigt, wie auch Xinhua stolz berichtete. Hansson betonte im Gespräch mit der chinesischen Nachrichtenagentur: „It’s the most spectacular thing„.

Wissenstransfer nach China

Zeilinger sieht sich in einer Selbstbeschreibung als Begründer der chinesischen Quantenforschung. Es begann mit Jian-Wei Pan, der seine Doktorarbeit bei Zeilinger an der  Universität Wien schrieb. Pan gilt seither als „Chinesischer Einstein“. Pan erklärte, dass es sein „Traum“ war, in China ein weltweit führendes Laboratorium einzurichten, nach dem Vorbild von Zeilinger:  „Pan said his dream was to build in China a world leading lab like Zeilinger’s.“ („The Chinese Einstein?“, Week in China, 6. 9. 2019)

Pan erhielt für die Realisierung dieses „Traums“ die volle Unterstützung der Volksrepublik China. Die ambitiösen Bestrebungen des Landes in der Forschung zur Quantentechnologie wurden einem einzigen Mann untergeordnet:  Jian-Wei Pan. Er leitet ein Team mit mehr als 130 Forschern.

Zeilinger betrachtet sie als seine Nachfolger. In einem Interview mit der FAZ erklärte Zeilinger bereits im Februar 2021 zur chinesischen Gruppe von Jian-Wei Pan: „Er hat mittlerweile Hunderte von begeisterten Forschern um sich versammelt. Es freut mich sehr, dass viele von ihnen meine akademischen Enkel oder Urenkel sind“.  (Manfred Lindinger: „Quantentechnologie im Aufwind“, Ein Gespräch mit Anton Zeilinger, FAZ, 11. 2. 2021)

Danach befragt, ob die Chinesen entscheidendes Know-how an seinem Institut an der Universität Wien sich aneigneten, befand Zeilinger:

„Die Frage, ob wissenschaftliches Know-how mit ausländischen Gastwissenschaftlern abwandert, wird immer wieder bei Chinesen gestellt. Bei Amerikanern habe ich das noch nie gehört. Das ist der übliche Know-how-Erwerb eines Wissenschaftlers als Doktorand und als Postdoc“.

Tatsächlich lernte der junge Zeilinger selbst als Postdoc am führenden Massachusetts Institute of Technology (MIT), bei Clifford Shull, der 1994 mit dem Nobelpreis für seine Arbeiten über „neutron scattering“ ausgezeichnet wurde.  Zeilinger war von 1977 bis 1978 als Fulbright Fellow und von 1981-1983 als Associate Professor am MIT.

Da erstaunt es nicht, dass Zeilinger den Wissenstransfer als „üblich“ betrachtet. Doch erwartete das MIT wohl nicht, dass Zeilinger, statt nach Westeuropa,  diese Kenntnisse gleich in die Volksrepublik China bringen will.

Militärische Forschung

Die chinesische Militärindustrie finanziert wesentlich die Forschungen für die Quantentechnologie, laut dem Magazin „Week in China“.  Etwa arbeitet die China Shipbuilding Industry Corporation, die auch Atom-U-Boote baut,  mit Jian-Wei Pan zusammen, um Quantensensoren zu entwickeln, die Stealth-Flugzeuge und Kriegsschiffe erkennen können.

Ein Quantenradar wurde 2018 von der China Electronics Technology Group Corporation (CETC) präsentiert. Laut Xia Linhao, einem Projektleiter, sollte damit für die Technologie des Quantenradars die Phase der Realisierung beginnen.  Demnach würde der Quantenradar US-Flugzeuge entdecken können.
(Dazu auch die Analyse des indischen Centre for Joint Warfare Studies: www.cenjows.in/wp-content/uploads/2022/05/Radars_Advancements-in-China-dt-03-Jan-2020.pdf)

China kündigte auch an, dass 2022 weitere Quantum-Satelliten stationiert werden.  Ein Satellit wird dabei in einer Höhe von 20.000 Kilometer platziert, um eine größere Erdoberfläche erreichen zu können. Dieses Vorhaben der Volksrepublik China muss mit Besorgnis betrachtet werden, denn es könnten damit auch bedenkliche, sogar negativ definierte, Strahlungen über einen ganzen Kontinent durchgeführt werden, die Schäden bewirken sollen.

Zeilinger ist der militärischen Bedeutung seiner Forschungen durchaus bewusst. In einem Interview mit der österreichischen Wochenzeitung Die Furche erklärte er dazu:
„Jeder muss selbst entscheiden, wenn es etwa zu militärischen Anwendungen kommt: Will ich mitarbeiten oder nicht“.
(„Anton Zeilinger: Die Technik ist schon sehr weit fortgeschritten“
, Die Furche, 9. 10. 2008)

Der chinesische Präsident Xi Jinping zeigte deutlich Interesse an der Entwicklung der Quantentechnologie. Jian-Wei Pan, der Schüler von Zeilinger, führte den Präsidenten, wie auch weitere chinesische Führer, durch das Laboratorium der Quantenforschung.

Ehrungen in China

Zeilinger wurde von der Volksrepublik China vielfach geehrt.  Er wurde Honorarprofessor an drei chinesischen Universitäten:   Xi’an Jiaotong University, Nanjing University, University of Science and Technology of China (USTC).

Die chinesische Akademie der Wissenschaften erklärte, dass eine enge Verbindung mit Zeilinger gegeben ist.  Demnach förderte Zeilinger die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und Österreich und stärkte den Austausch junger Forscher aus beiden Ländern.

Tatsächlich kann dies belegt werden, durch chinesische Dissertanten und Postdocs, am Institut von Zeilinger an der Universität Wien.  Aktuell zählen zu den Mitglieder der „Zeilinger Group“ an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften:  Xinhe Jiang (Post Doc), Huan-Yu Ku,     Yuqing Wang. Am Institut für Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation der Universität Wien findet man Jun Zhang, Zhenghao Yin, Mingru Yang, Xinhe Jiang, Huan Cao, Zhenghao Yin, Stella Stella, Mingru Yang, Haocun Yu.

Zeilinger bemühte sich um die Entwicklung chinesischer Wissenschafter. Er half den jungen Chinesen bei der Publikation wissenschaftlicher Beiträge in renommierten internationalen Fachzeitschriften. Seine Unterstützung erfolgte dabei auch durch eine gemeinsame Veröffentlichung von Beiträgen mit chinesischen Autoren:

„Zeilinger (…) devotes great efforts to the development and future (…) of outstanding young Chinese scientists. Dr. Zeilinger has helped them make prominent contributions to the related scientific fields and co-published more than 60 papers in prestigious international peer-reviewed journals.“
(„Anton Zeilinger: Building a Teleportation Bridge between China and Austria“,
Ed. Chen Na, Chinese Academy of Sciences, 16. 11. 2021)

Für diese Bemühungen wurde Zeilinger von der chinesischen Regierung ausgezeichnet. Der chinesische Premierminister Li Keqiqang überreicht Zeilinger 2020 den „Chinese Government Friendship Award“. Laut der chinesischen Akademie der Wissenschaften ist es der höchste Preis, den die chinesische Regierung dafür einem ausländischen Wissenschafter geben kann.

Dokumentation: Anfrage um Stellungnahme

Anton Zeiinger ist emeritierter Universitätsprofessor am Institut für Experimentalphysik der Universität Wien. An der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wurde 2004 für Zeilinger das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation eingerichtet. Zeilinger war von 2013 bis 2022 auch Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Zeilinger wurde um eine Stellungnahme über seine Beziehungen mit China angefragt.  Es antwortete Hansfrieder Vogel von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Demnach konnte aus Zeitgründen keine Erklärung gegeben werden:

From: „Vogel, Hansfrieder“ <hansfrieder.vogel@oeaw …>
To: Johannes Schuetz <johannes.schuetz@journalist …>
Subject: FW: Presseanfrage für Beitrag: Verleihung des Nobelpreises
Date: Nov 9, 2022 23:42 PST
Cc: „Office, Zeilinger“ <office.zeilinger@oeaw …>


Sehr geehrter Herr Mag. Schütz,

haben Sie besten Dank für Ihre untenstehende Nachricht. Aufgrund der Fülle von Medienanfragen wird Professor Zeilinger Ihrem Wunsch nicht entsprechen können. Wir bitten Sie vielmals um Verständnis.

Mit freundlichen Grüßen
Hansfrieder Vogel

Anmerkung

Allerdings könnte noch interessant sein, wer in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften für „Pressearbeit“ zuständig ist. Genannt wird Dr. Phuong Duong. Sie wurde 1976 in Vietnam geboren. Jetzt ist sie als „Science Communicator“ an der ÖAW tätig.

Links:

Nobelpreis des Schmerzes – Am 10. Dezember erhält der Schriftsteller Peter Handke den Literaturnobelpreis
Tabula Rasa, 7. 12. 2019
Am 10. Dezember wird in Stockholm der Nobelpreis für Literatur überreicht. Peter Handke ist würdig der bedeutenden Ehrung.  Schon früh kritisierte der Autor die Willkür der Justiz. Nie ließ er Zweifel an seiner sensiblen Haltung für Gerechtigkeit.
www.tabularasamagazin.de/nobelpreis-des-schmerzes-am-10-dezember-erhaelt-der-schriftsteller-peter-handke-den-literaturnobelpreis/

Kan ist das Abgründige: Über das interkulturelle Verhältnis zu China
Tabula Rasa, 13. 9. 2018
Aus der Begegnung mit der Volksrepublik China erwachsen objektive Gefahren. Europa darf in der Auseinandersetzung mit China nicht selbst sich schwächen. Europäische Werthaltungen sollen nicht aufgegeben werden. Es ist die Europäische Union, die nach einem vorbildlichen Einigungsprozess den Anspruch auf globale Führung vortragen muss.
www.tabularasamagazin.de/kan-ist-das-abgruendige-ueber-das-interkulturelle-verhaeltnis-zu-china/

Interview CNTV: China Quantum

Finanzen

Über Johannes Schütz 107 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel